Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Theil 8. Hauptstück.
überwundenen, dergleichen bey dem
Volcke ist; es sey denn, daß es durch
einen Vertrag, den man halten muß,
anders ausgemacht worden
(§. 438.).
Es ist dieser nämlich eben so viel als ein
Grundgesetz, vermöge dessen die Herrschaft
auf den Regenten des Staats gebracht wird
(§. 989.). Daher wenn der Ueberwin-
der die Herrschaft ohne einen Vertrag
erhält, so kann er die Forme der Re-
publick nach Belieben ändern, und so
kann er auch über die Art die Herr-
schaft zu besitzen nach seinem Willkühr
Einrichtung machen.
Weil aber in ei-
nem herrschaftlichen, oder despotischen Reiche
alle Unterthanen eine persönliche Knechtschaft
übernehmen (§ 999.); so können die Un-
terthanen keiner herrlichen Herrschaft,
es sey denn nach Maaßgebung einer
gerechten Strafe unterworfen wer-
den
(§. 1194.).

§. 1206.
Wenn
ehr dem
Feinde
keine Ge-
walt
über die
Person
zukommt.

Wider denjenigen, welcher sich der
Gewalt des Feindes nicht widersetzet,
kommet
auch, da man gegen ihn keine Ver-
theidigung nöthig hat (§. 90.), dem Fein-
de keine Gewalt zu
(§. 1192.). Dero-
wegen muß man den Soldaten keine
Nothzüchtigungen verstatten,
zumahl
da sie schon an sich unerlaubt sind (§. 862.),
noch auch ist es erlaubt die Brunnen
zu vergiften,
als woraus auch die Wasser

zu

IV. Theil 8. Hauptſtuͤck.
uͤberwundenen, dergleichen bey dem
Volcke iſt; es ſey denn, daß es durch
einen Vertrag, den man halten muß,
anders ausgemacht worden
(§. 438.).
Es iſt dieſer naͤmlich eben ſo viel als ein
Grundgeſetz, vermoͤge deſſen die Herrſchaft
auf den Regenten des Staats gebracht wird
(§. 989.). Daher wenn der Ueberwin-
der die Herrſchaft ohne einen Vertrag
erhaͤlt, ſo kann er die Forme der Re-
publick nach Belieben aͤndern, und ſo
kann er auch uͤber die Art die Herr-
ſchaft zu beſitzen nach ſeinem Willkuͤhr
Einrichtung machen.
Weil aber in ei-
nem herrſchaftlichen, oder deſpotiſchen Reiche
alle Unterthanen eine perſoͤnliche Knechtſchaft
uͤbernehmen (§ 999.); ſo koͤnnen die Un-
terthanen keiner herrlichen Herrſchaft,
es ſey denn nach Maaßgebung einer
gerechten Strafe unterworfen wer-
den
(§. 1194.).

§. 1206.
Wenn
ehr dem
Feinde
keine Ge-
walt
uͤber die
Perſon
zukom̃t.

Wider denjenigen, welcher ſich der
Gewalt des Feindes nicht widerſetzet,
kommet
auch, da man gegen ihn keine Ver-
theidigung noͤthig hat (§. 90.), dem Fein-
de keine Gewalt zu
(§. 1192.). Dero-
wegen muß man den Soldaten keine
Nothzuͤchtigungen verſtatten,
zumahl
da ſie ſchon an ſich unerlaubt ſind (§. 862.),
noch auch iſt es erlaubt die Brunnen
zu vergiften,
als woraus auch die Waſſer

zu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0922" n="886"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Theil 8. Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">u&#x0364;berwundenen, dergleichen bey dem<lb/>
Volcke i&#x017F;t; es &#x017F;ey denn, daß es durch<lb/>
einen Vertrag, den man halten muß,<lb/>
anders ausgemacht worden</hi> (§. 438.).<lb/>
Es i&#x017F;t die&#x017F;er na&#x0364;mlich eben &#x017F;o viel als ein<lb/>
Grundge&#x017F;etz, vermo&#x0364;ge de&#x017F;&#x017F;en die Herr&#x017F;chaft<lb/>
auf den Regenten des Staats gebracht wird<lb/>
(§. 989.). Daher <hi rendition="#fr">wenn der Ueberwin-<lb/>
der die Herr&#x017F;chaft ohne einen Vertrag<lb/>
erha&#x0364;lt, &#x017F;o kann er die Forme der Re-<lb/>
publick nach Belieben a&#x0364;ndern, und &#x017F;o<lb/>
kann er auch u&#x0364;ber die Art die Herr-<lb/>
&#x017F;chaft zu be&#x017F;itzen nach &#x017F;einem Willku&#x0364;hr<lb/>
Einrichtung machen.</hi> Weil aber in ei-<lb/>
nem herr&#x017F;chaftlichen, oder de&#x017F;poti&#x017F;chen Reiche<lb/>
alle Unterthanen eine per&#x017F;o&#x0364;nliche Knecht&#x017F;chaft<lb/>
u&#x0364;bernehmen (§ 999.); <hi rendition="#fr">&#x017F;o ko&#x0364;nnen die Un-<lb/>
terthanen keiner herrlichen Herr&#x017F;chaft,<lb/>
es &#x017F;ey denn nach Maaßgebung einer<lb/>
gerechten Strafe unterworfen wer-<lb/>
den</hi> (§. 1194.).</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 1206.</head><lb/>
              <note place="left">Wenn<lb/>
ehr dem<lb/>
Feinde<lb/>
keine Ge-<lb/>
walt<lb/>
u&#x0364;ber die<lb/>
Per&#x017F;on<lb/>
zukom&#x0303;t.</note>
              <p><hi rendition="#fr">Wider denjenigen, welcher &#x017F;ich der<lb/>
Gewalt des Feindes nicht wider&#x017F;etzet,<lb/>
kommet</hi> auch, da man gegen ihn keine Ver-<lb/>
theidigung no&#x0364;thig hat (§. 90.), <hi rendition="#fr">dem Fein-<lb/>
de keine Gewalt zu</hi> (§. 1192.). Dero-<lb/>
wegen <hi rendition="#fr">muß man den Soldaten keine<lb/>
Nothzu&#x0364;chtigungen ver&#x017F;tatten,</hi> zumahl<lb/>
da &#x017F;ie &#x017F;chon an &#x017F;ich unerlaubt &#x017F;ind (§. 862.),<lb/><hi rendition="#fr">noch auch i&#x017F;t es erlaubt die Brunnen<lb/>
zu vergiften,</hi> als woraus auch die Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[886/0922] IV. Theil 8. Hauptſtuͤck. uͤberwundenen, dergleichen bey dem Volcke iſt; es ſey denn, daß es durch einen Vertrag, den man halten muß, anders ausgemacht worden (§. 438.). Es iſt dieſer naͤmlich eben ſo viel als ein Grundgeſetz, vermoͤge deſſen die Herrſchaft auf den Regenten des Staats gebracht wird (§. 989.). Daher wenn der Ueberwin- der die Herrſchaft ohne einen Vertrag erhaͤlt, ſo kann er die Forme der Re- publick nach Belieben aͤndern, und ſo kann er auch uͤber die Art die Herr- ſchaft zu beſitzen nach ſeinem Willkuͤhr Einrichtung machen. Weil aber in ei- nem herrſchaftlichen, oder deſpotiſchen Reiche alle Unterthanen eine perſoͤnliche Knechtſchaft uͤbernehmen (§ 999.); ſo koͤnnen die Un- terthanen keiner herrlichen Herrſchaft, es ſey denn nach Maaßgebung einer gerechten Strafe unterworfen wer- den (§. 1194.). §. 1206. Wider denjenigen, welcher ſich der Gewalt des Feindes nicht widerſetzet, kommet auch, da man gegen ihn keine Ver- theidigung noͤthig hat (§. 90.), dem Fein- de keine Gewalt zu (§. 1192.). Dero- wegen muß man den Soldaten keine Nothzuͤchtigungen verſtatten, zumahl da ſie ſchon an ſich unerlaubt ſind (§. 862.), noch auch iſt es erlaubt die Brunnen zu vergiften, als woraus auch die Waſſer zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/922
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 886. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/922>, abgerufen am 24.11.2024.