hungen, daß jemand gemartert werden solle, welche einem Jnqvisiten in der Marterkam- mer, in Gegenwart des Scharfrichters, und mit Vorzeigung der Marterwerckzeuge, zuge- füget werden. Jndem zwar viele, ob sie wohl unschuldig sind, lieber sterben, als die Tor- tur ausstehen, wollen; so ist die Tortur nicht geschickt genug die Wahrheit zu erforschen; und man hat auch wircklich Exempel, daß manche unschuldige wegen der Grausamkeit der Marter ein Bekenntniß ab- geleget, und darauf verdammet worden sind. Unterdessen aber weil doch der Republick gar sehr daran gelegen, daß keine Missethat un- bestraft bleibe, als welches der öffentlichen Sicherheit schnur gerade entgegen stehet (§. 93.); so kann doch ein Jnqvisit, wenn er sich einer schwehren Missethat sehr verdächtig gemacht hat, so daß zur völ- ligen Gewißheit fast nichts als sein eigen Ge- ständniß fehlet, besonders wenn er von ge- sunden und starcken Körper, und seine Bosheit sonst schon bekannt genug ist, gemartert werden. Der Reinigungseid, welcher einem einer Missethat verdächtigen von dem Richter zuerkannt wird, heißt die geistliche Tortur(tortura spiritualis). Daß nun diese, wenn die Missethat entweder eine Lebens- oder Leibesstra- fe, oder den Verlust der Ehre nach sich ziehet, kein hinlänglich geschicktes Mittel sey die Wahrheit heraus zu
brin-
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Von der Einrichtung einer Republick.
hungen, daß jemand gemartert werden ſolle, welche einem Jnqviſiten in der Marterkam- mer, in Gegenwart des Scharfrichters, und mit Vorzeigung der Marterwerckzeuge, zuge- fuͤget werden. Jndem zwar viele, ob ſie wohl unſchuldig ſind, lieber ſterben, als die Tor- tur ausſtehen, wollen; ſo iſt die Tortur nicht geſchickt genug die Wahrheit zu erforſchen; und man hat auch wircklich Exempel, daß manche unſchuldige wegen der Grauſamkeit der Marter ein Bekenntniß ab- geleget, und darauf verdammet worden ſind. Unterdeſſen aber weil doch der Republick gar ſehr daran gelegen, daß keine Miſſethat un- beſtraft bleibe, als welches der oͤffentlichen Sicherheit ſchnur gerade entgegen ſtehet (§. 93.); ſo kann doch ein Jnqviſit, wenn er ſich einer ſchwehren Miſſethat ſehr verdaͤchtig gemacht hat, ſo daß zur voͤl- ligen Gewißheit faſt nichts als ſein eigen Ge- ſtaͤndniß fehlet, beſonders wenn er von ge- ſunden und ſtarcken Koͤrper, und ſeine Bosheit ſonſt ſchon bekannt genug iſt, gemartert werden. Der Reinigungseid, welcher einem einer Miſſethat verdaͤchtigen von dem Richter zuerkannt wird, heißt die geiſtliche Tortur(tortura ſpiritualis). Daß nun dieſe, wenn die Miſſethat entweder eine Lebens- oder Leibesſtra- fe, oder den Verluſt der Ehre nach ſich ziehet, kein hinlaͤnglich geſchicktes Mittel ſey die Wahrheit heraus zu
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Von der Einrichtung einer Republick.
hungen, daß jemand gemartert werden ſolle,
welche einem Jnqviſiten in der Marterkam-
mer, in Gegenwart des Scharfrichters, und
mit Vorzeigung der Marterwerckzeuge, zuge-
fuͤget werden. Jndem zwar viele, ob ſie wohl
unſchuldig ſind, lieber ſterben, als die Tor-
tur ausſtehen, wollen; ſo iſt die Tortur
nicht geſchickt genug die Wahrheit zu
erforſchen; und man hat auch wircklich
Exempel, daß manche unſchuldige wegen der
Grauſamkeit der Marter ein Bekenntniß ab-
geleget, und darauf verdammet worden ſind.
Unterdeſſen aber weil doch der Republick gar
ſehr daran gelegen, daß keine Miſſethat un-
beſtraft bleibe, als welches der oͤffentlichen
Sicherheit ſchnur gerade entgegen ſtehet (§.
93.); ſo kann doch ein Jnqviſit, wenn
er ſich einer ſchwehren Miſſethat ſehr
verdaͤchtig gemacht hat, ſo daß zur voͤl-
ligen Gewißheit faſt nichts als ſein eigen Ge-
ſtaͤndniß fehlet, beſonders wenn er von ge-
ſunden und ſtarcken Koͤrper, und ſeine
Bosheit ſonſt ſchon bekannt genug iſt,
gemartert werden. Der Reinigungseid,
welcher einem einer Miſſethat verdaͤchtigen
von dem Richter zuerkannt wird, heißt die
geiſtliche Tortur (tortura ſpiritualis).
Daß nun dieſe, wenn die Miſſethat
entweder eine Lebens- oder Leibesſtra-
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 745. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/781>, abgerufen am 22.11.2024.
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