Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
Von dem Erbrecht.
§. 919.

Da vor sich klar ist, daß niemand vor denOb der
Erbe den
Gläubi-
gern
mehr, als
die Erb-
schaft be-
trägt, zu
bezahlen
schuldig
ist.

andern zu bezahlen schuldig sey, und der Ver-
storbene selbst, wenn er gelebt hätte, nicht mehr
hätte bezahlen können, als wie weit sein Ver-
mögen zugereicht; so ist der Erbe nach
dem Rechte der Natur nicht mehr zu
zahlen schuldig, als die Erbschaft be-
trägt, wenn die Schuld die Erbschaft
übersteigen sollte; und es versteht sich
von selbst, daß der Erbe mit keinem
andern Vorsatz die Erbschaft überneh-
me, als daß er nicht mehr Schulden
bezahlen will, als die Erbschaft aus-
trägt.
Damit man nun aber gewiß sey,
wie viel die Erbschaft vermag; so muß man,
wenn die Erbschaft mit Schulden be-
schweret ist, ein Jnventarium verfer-
tigen
(§. 902); wovon im natürlichen Zu-
stand ein beschwornes Verzeichniß nicht un-
terschieden ist; weil dasjenige durch einen Eid
bewiesen werden muß, was durch Zeugen
nicht kann bewiesen werden (§. 781.).

§. 920.

Man sagt, einer schlage die ErbschaftWenn ei-
ne Erb-
schaft
ausge-
schlagen
wird.

aus (haereditatem repudiare), wenn er
das Erbrecht nicht annehmen will. Es be-
ruhet
also auf eines jeden Willen, ob
er eine Erbschaft, die ihm zufällt, an-
nehmen, oder ausschlagen will
(§.
316.).

§. 921.
Von dem Erbrecht.
§. 919.

Da vor ſich klar iſt, daß niemand vor denOb der
Erbe den
Glaͤubi-
gern
mehr, als
die Erb-
ſchaft be-
traͤgt, zu
bezahlen
ſchuldig
iſt.

andern zu bezahlen ſchuldig ſey, und der Ver-
ſtorbene ſelbſt, wenn er gelebt haͤtte, nicht mehr
haͤtte bezahlen koͤnnen, als wie weit ſein Ver-
moͤgen zugereicht; ſo iſt der Erbe nach
dem Rechte der Natur nicht mehr zu
zahlen ſchuldig, als die Erbſchaft be-
traͤgt, wenn die Schuld die Erbſchaft
uͤberſteigen ſollte; und es verſteht ſich
von ſelbſt, daß der Erbe mit keinem
andern Vorſatz die Erbſchaft uͤberneh-
me, als daß er nicht mehr Schulden
bezahlen will, als die Erbſchaft aus-
traͤgt.
Damit man nun aber gewiß ſey,
wie viel die Erbſchaft vermag; ſo muß man,
wenn die Erbſchaft mit Schulden be-
ſchweret iſt, ein Jnventarium verfer-
tigen
(§. 902); wovon im natuͤrlichen Zu-
ſtand ein beſchwornes Verzeichniß nicht un-
terſchieden iſt; weil dasjenige durch einen Eid
bewieſen werden muß, was durch Zeugen
nicht kann bewieſen werden (§. 781.).

§. 920.

Man ſagt, einer ſchlage die ErbſchaftWenn ei-
ne Erb-
ſchaft
ausge-
ſchlagen
wird.

aus (hæreditatem repudiare), wenn er
das Erbrecht nicht annehmen will. Es be-
ruhet
alſo auf eines jeden Willen, ob
er eine Erbſchaft, die ihm zufaͤllt, an-
nehmen, oder ausſchlagen will
(§.
316.).

§. 921.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0703" n="667"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von dem Erbrecht.</hi> </fw><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 919.</head><lb/>
                <p>Da vor &#x017F;ich klar i&#x017F;t, daß niemand vor den<note place="right">Ob der<lb/>
Erbe den<lb/>
Gla&#x0364;ubi-<lb/>
gern<lb/>
mehr, als<lb/>
die Erb-<lb/>
&#x017F;chaft be-<lb/>
tra&#x0364;gt, zu<lb/>
bezahlen<lb/>
&#x017F;chuldig<lb/>
i&#x017F;t.</note><lb/>
andern zu bezahlen &#x017F;chuldig &#x017F;ey, und der Ver-<lb/>
&#x017F;torbene &#x017F;elb&#x017F;t, wenn er gelebt ha&#x0364;tte, nicht mehr<lb/>
ha&#x0364;tte bezahlen ko&#x0364;nnen, als wie weit &#x017F;ein Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen zugereicht; <hi rendition="#fr">&#x017F;o i&#x017F;t der Erbe nach<lb/>
dem Rechte der Natur nicht mehr zu<lb/>
zahlen &#x017F;chuldig, als die Erb&#x017F;chaft be-<lb/>
tra&#x0364;gt, wenn die Schuld die Erb&#x017F;chaft<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;teigen &#x017F;ollte; und es ver&#x017F;teht &#x017F;ich<lb/>
von &#x017F;elb&#x017F;t, daß der Erbe mit keinem<lb/>
andern Vor&#x017F;atz die Erb&#x017F;chaft u&#x0364;berneh-<lb/>
me, als daß er nicht mehr Schulden<lb/>
bezahlen will, als die Erb&#x017F;chaft aus-<lb/>
tra&#x0364;gt.</hi> Damit man nun aber gewiß &#x017F;ey,<lb/>
wie viel die Erb&#x017F;chaft vermag; <hi rendition="#fr">&#x017F;o muß man,<lb/>
wenn die Erb&#x017F;chaft mit Schulden be-<lb/>
&#x017F;chweret i&#x017F;t, ein Jnventarium verfer-<lb/>
tigen</hi> (§. 902); wovon im natu&#x0364;rlichen Zu-<lb/>
&#x017F;tand ein be&#x017F;chwornes Verzeichniß nicht un-<lb/>
ter&#x017F;chieden i&#x017F;t; weil dasjenige durch einen Eid<lb/>
bewie&#x017F;en werden muß, was durch Zeugen<lb/>
nicht kann bewie&#x017F;en werden (§. 781.).</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 920.</head><lb/>
                <p>Man &#x017F;agt, <hi rendition="#fr">einer &#x017F;chlage die Erb&#x017F;chaft</hi><note place="right">Wenn ei-<lb/>
ne Erb-<lb/>
&#x017F;chaft<lb/>
ausge-<lb/>
&#x017F;chlagen<lb/>
wird.</note><lb/><hi rendition="#fr">aus</hi> <hi rendition="#aq">(hæreditatem repudiare),</hi> wenn er<lb/>
das Erbrecht nicht annehmen will. <hi rendition="#fr">Es be-<lb/>
ruhet</hi> al&#x017F;o <hi rendition="#fr">auf eines jeden Willen, ob<lb/>
er eine Erb&#x017F;chaft, die ihm zufa&#x0364;llt, an-<lb/>
nehmen, oder aus&#x017F;chlagen will</hi> (§.<lb/>
316.).</p>
              </div><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">§. 921.</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[667/0703] Von dem Erbrecht. §. 919. Da vor ſich klar iſt, daß niemand vor den andern zu bezahlen ſchuldig ſey, und der Ver- ſtorbene ſelbſt, wenn er gelebt haͤtte, nicht mehr haͤtte bezahlen koͤnnen, als wie weit ſein Ver- moͤgen zugereicht; ſo iſt der Erbe nach dem Rechte der Natur nicht mehr zu zahlen ſchuldig, als die Erbſchaft be- traͤgt, wenn die Schuld die Erbſchaft uͤberſteigen ſollte; und es verſteht ſich von ſelbſt, daß der Erbe mit keinem andern Vorſatz die Erbſchaft uͤberneh- me, als daß er nicht mehr Schulden bezahlen will, als die Erbſchaft aus- traͤgt. Damit man nun aber gewiß ſey, wie viel die Erbſchaft vermag; ſo muß man, wenn die Erbſchaft mit Schulden be- ſchweret iſt, ein Jnventarium verfer- tigen (§. 902); wovon im natuͤrlichen Zu- ſtand ein beſchwornes Verzeichniß nicht un- terſchieden iſt; weil dasjenige durch einen Eid bewieſen werden muß, was durch Zeugen nicht kann bewieſen werden (§. 781.). Ob der Erbe den Glaͤubi- gern mehr, als die Erb- ſchaft be- traͤgt, zu bezahlen ſchuldig iſt. §. 920. Man ſagt, einer ſchlage die Erbſchaft aus (hæreditatem repudiare), wenn er das Erbrecht nicht annehmen will. Es be- ruhet alſo auf eines jeden Willen, ob er eine Erbſchaft, die ihm zufaͤllt, an- nehmen, oder ausſchlagen will (§. 316.). Wenn ei- ne Erb- ſchaft ausge- ſchlagen wird. §. 921.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/703
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 667. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/703>, abgerufen am 24.11.2024.