dauern die Pflichten der Kinder gegen die Eltern ihre gantze Lebenszeit, und nicht weniger sind die Pflichten der Eltern, welche nicht zu der Auferzie- hung gehören, beständig. Daher folgt, daß die Kinder, wenn gleich der Gehorsam aufhört, welchen die väterliche Gewalt erfor- dert (§. 889.), dennoch die gantze Zeit ih- rer Auferziehung sich bemühen müssen den Eltern zu gefallen.
§. 912.
Von der Einwil- ligung der El- tern in die Ehe der Kin- der.
Weil die Kinder die gantze Lebenszeit in al- len ihren Handlungen darauf zu sehen haben, daß sie den Eltern gefallen (§. 911.); so sol- len sie auch ohne ihre Einwilligung sich nicht verheyrathen. Weil sie aber nicht hey- rathen, als wenn sie schon bey reifem Verstande sind; so stehet ihnen frey sich mehr nach ihrem Gutbefinden, als nach den El- tern zu richten, die ohne rechtmäßige Ursache zuwider sind (§. cit. u. 78.); folg- lich kann die Ehe durch den widrigen Willen der Eltern nicht hintertrieben werden, und ihre Einwilligung ist der Ehrbarkeit (§. 49.), nicht der Noth- wendigkeit wegen zu suchen.
§. 913.
Von der Mitga- be.
Da die Töchter wenn sie heyrathen in den Stand kommen, worinnen die Eltern nicht mehr nöthig haben für ihren Unterhalt zu sorgen (§. 866), die Beschwerden des Ehe- standes aber von den Eheleuten zusammen
nach
III.Theil 1. Abth. 4. Hauptſtuͤck.
dauern die Pflichten der Kinder gegen die Eltern ihre gantze Lebenszeit, und nicht weniger ſind die Pflichten der Eltern, welche nicht zu der Auferzie- hung gehoͤren, beſtaͤndig. Daher folgt, daß die Kinder, wenn gleich der Gehorſam aufhoͤrt, welchen die vaͤterliche Gewalt erfor- dert (§. 889.), dennoch die gantze Zeit ih- rer Auferziehung ſich bemuͤhen muͤſſen den Eltern zu gefallen.
§. 912.
Von der Einwil- ligung der El- tern in die Ehe der Kin- der.
Weil die Kinder die gantze Lebenszeit in al- len ihren Handlungen darauf zu ſehen haben, daß ſie den Eltern gefallen (§. 911.); ſo ſol- len ſie auch ohne ihre Einwilligung ſich nicht verheyrathen. Weil ſie aber nicht hey- rathen, als wenn ſie ſchon bey reifem Verſtande ſind; ſo ſtehet ihnen frey ſich mehr nach ihrem Gutbefinden, als nach den El- tern zu richten, die ohne rechtmaͤßige Urſache zuwider ſind (§. cit. u. 78.); folg- lich kann die Ehe durch den widrigen Willen der Eltern nicht hintertrieben werden, und ihre Einwilligung iſt der Ehrbarkeit (§. 49.), nicht der Noth- wendigkeit wegen zu ſuchen.
§. 913.
Von der Mitga- be.
Da die Toͤchter wenn ſie heyrathen in den Stand kommen, worinnen die Eltern nicht mehr noͤthig haben fuͤr ihren Unterhalt zu ſorgen (§. 866), die Beſchwerden des Ehe- ſtandes aber von den Eheleuten zuſammen
nach
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III. Theil 1. Abth. 4. Hauptſtuͤck.
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die Eltern ihre gantze Lebenszeit, und
nicht weniger ſind die Pflichten der
Eltern, welche nicht zu der Auferzie-
hung gehoͤren, beſtaͤndig. Daher folgt,
daß die Kinder, wenn gleich der Gehorſam
aufhoͤrt, welchen die vaͤterliche Gewalt erfor-
dert (§. 889.), dennoch die gantze Zeit ih-
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den Eltern zu gefallen.
§. 912.
Weil die Kinder die gantze Lebenszeit in al-
len ihren Handlungen darauf zu ſehen haben,
daß ſie den Eltern gefallen (§. 911.); ſo ſol-
len ſie auch ohne ihre Einwilligung ſich
nicht verheyrathen. Weil ſie aber nicht hey-
rathen, als wenn ſie ſchon bey reifem Verſtande
ſind; ſo ſtehet ihnen frey ſich mehr nach
ihrem Gutbefinden, als nach den El-
tern zu richten, die ohne rechtmaͤßige
Urſache zuwider ſind (§. cit. u. 78.); folg-
lich kann die Ehe durch den widrigen
Willen der Eltern nicht hintertrieben
werden, und ihre Einwilligung iſt der
Ehrbarkeit (§. 49.), nicht der Noth-
wendigkeit wegen zu ſuchen.
§. 913.
Da die Toͤchter wenn ſie heyrathen in den
Stand kommen, worinnen die Eltern nicht
mehr noͤthig haben fuͤr ihren Unterhalt zu
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 662. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/698>, abgerufen am 22.11.2024.
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