Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der väterlichen Gesellschaft.
besorgen; und Wäisen (pupilli, Mündel)
nennt man die unerzogenen Kinder, deren bey-
de Eltern gestorben, oder die wenigstens ei-
nes von ihren Eltern, insonderheit den Va-
ter verlohren haben. Das Recht Kinder zu
erziehen, welche ihre Eltern verlohren, wird
die Vormundschaft (tutela) genannt. Man
nennt aber im Testament gesetzte Vor-
münder
(tutores testamentarios), denen
durch den letzten Willen der Eltern die Vor-
mundschaft aufgetragen worden; rechtli-
che
(legitimos), die nach dem Rechte der
Blutsfreundschaft dazu genommen worden;
und gegebene (dativi), welche in einem
Staate von der Obrigkeit gesetzt wer-
den. Wenn die Kinder in dem Alter sind,
daß sie bloß, oder vornehmlich um der Ver-
waltung ihres Vermögens halber anderer
Hülfe bedürfen; so werden, da man den,
welcher das Recht hat eines andern Güter zu
verwalten, der Alters wegen, oder wegen ei-
ner Schwachheit des Gemüths, oder des Lei-
bes seinem Vermögen nicht vorstehen kann, ei-
nen Curater (curatorem) nennt, im Rö-
mischen Rechte die Curaters von den Vor-
mündern unterschieden; doch nach unsern
Sitten dauert die Vormundschaft so
lange, bis die Erziehung völlig geen-
det ist;
und dieses ist dem Rechte der Na-
tur gemässer.

§. 899.

Weil ein Vicarius (vicarius) genannt wird,Von den
Pflichten

der

Von der vaͤterlichen Geſellſchaft.
beſorgen; und Waͤiſen (pupilli, Muͤndel)
nennt man die unerzogenen Kinder, deren bey-
de Eltern geſtorben, oder die wenigſtens ei-
nes von ihren Eltern, inſonderheit den Va-
ter verlohren haben. Das Recht Kinder zu
erziehen, welche ihre Eltern verlohren, wird
die Vormundſchaft (tutela) genannt. Man
nennt aber im Teſtament geſetzte Vor-
muͤnder
(tutores teſtamentarios), denen
durch den letzten Willen der Eltern die Vor-
mundſchaft aufgetragen worden; rechtli-
che
(legitimos), die nach dem Rechte der
Blutsfreundſchaft dazu genommen worden;
und gegebene (dativi), welche in einem
Staate von der Obrigkeit geſetzt wer-
den. Wenn die Kinder in dem Alter ſind,
daß ſie bloß, oder vornehmlich um der Ver-
waltung ihres Vermoͤgens halber anderer
Huͤlfe beduͤrfen; ſo werden, da man den,
welcher das Recht hat eines andern Guͤter zu
verwalten, der Alters wegen, oder wegen ei-
ner Schwachheit des Gemuͤths, oder des Lei-
bes ſeinem Vermoͤgen nicht vorſtehen kann, ei-
nen Curater (curatorem) nennt, im Roͤ-
miſchen Rechte die Curaters von den Vor-
muͤndern unterſchieden; doch nach unſern
Sitten dauert die Vormundſchaft ſo
lange, bis die Erziehung voͤllig geen-
det iſt;
und dieſes iſt dem Rechte der Na-
tur gemaͤſſer.

§. 899.

Weil ein Vicarius (vicarius) genannt wird,Von den
Pflichten

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0689" n="653"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der va&#x0364;terlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft.</hi></fw><lb/>
be&#x017F;orgen; und <hi rendition="#fr">Wa&#x0364;i&#x017F;en</hi> (<hi rendition="#aq">pupilli,</hi> Mu&#x0364;ndel)<lb/>
nennt man die unerzogenen Kinder, deren bey-<lb/>
de Eltern ge&#x017F;torben, oder die wenig&#x017F;tens ei-<lb/>
nes von ihren Eltern, in&#x017F;onderheit den Va-<lb/>
ter verlohren haben. Das Recht Kinder zu<lb/>
erziehen, welche ihre Eltern verlohren, wird<lb/>
die <hi rendition="#fr">Vormund&#x017F;chaft</hi> <hi rendition="#aq">(tutela)</hi> genannt. Man<lb/>
nennt aber <hi rendition="#fr">im Te&#x017F;tament ge&#x017F;etzte Vor-<lb/>
mu&#x0364;nder</hi> <hi rendition="#aq">(tutores te&#x017F;tamentarios),</hi> denen<lb/>
durch den letzten Willen der Eltern die Vor-<lb/>
mund&#x017F;chaft aufgetragen worden; <hi rendition="#fr">rechtli-<lb/>
che</hi> <hi rendition="#aq">(legitimos),</hi> die nach dem Rechte der<lb/>
Blutsfreund&#x017F;chaft dazu genommen worden;<lb/>
und <hi rendition="#fr">gegebene</hi> <hi rendition="#aq">(dativi),</hi> welche in einem<lb/>
Staate von der Obrigkeit ge&#x017F;etzt wer-<lb/>
den. Wenn die Kinder in dem Alter &#x017F;ind,<lb/>
daß &#x017F;ie bloß, oder vornehmlich um der Ver-<lb/>
waltung ihres Vermo&#x0364;gens halber anderer<lb/>
Hu&#x0364;lfe bedu&#x0364;rfen; &#x017F;o werden, da man den,<lb/>
welcher das Recht hat eines andern Gu&#x0364;ter zu<lb/>
verwalten, der Alters wegen, oder wegen ei-<lb/>
ner Schwachheit des Gemu&#x0364;ths, oder des Lei-<lb/>
bes &#x017F;einem Vermo&#x0364;gen nicht vor&#x017F;tehen kann, ei-<lb/>
nen <hi rendition="#fr">Curater</hi> <hi rendition="#aq">(curatorem)</hi> nennt, im Ro&#x0364;-<lb/>
mi&#x017F;chen Rechte die Curaters von den Vor-<lb/>
mu&#x0364;ndern unter&#x017F;chieden; <hi rendition="#fr">doch nach un&#x017F;ern<lb/>
Sitten dauert die Vormund&#x017F;chaft &#x017F;o<lb/>
lange, bis die Erziehung vo&#x0364;llig geen-<lb/>
det i&#x017F;t;</hi> und die&#x017F;es i&#x017F;t dem Rechte der Na-<lb/>
tur gema&#x0364;&#x017F;&#x017F;er.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 899.</head><lb/>
                <p>Weil ein <hi rendition="#fr">Vicarius</hi> <hi rendition="#aq">(vicarius)</hi> genannt wird,<note place="right">Von den<lb/>
Pflichten</note><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[653/0689] Von der vaͤterlichen Geſellſchaft. beſorgen; und Waͤiſen (pupilli, Muͤndel) nennt man die unerzogenen Kinder, deren bey- de Eltern geſtorben, oder die wenigſtens ei- nes von ihren Eltern, inſonderheit den Va- ter verlohren haben. Das Recht Kinder zu erziehen, welche ihre Eltern verlohren, wird die Vormundſchaft (tutela) genannt. Man nennt aber im Teſtament geſetzte Vor- muͤnder (tutores teſtamentarios), denen durch den letzten Willen der Eltern die Vor- mundſchaft aufgetragen worden; rechtli- che (legitimos), die nach dem Rechte der Blutsfreundſchaft dazu genommen worden; und gegebene (dativi), welche in einem Staate von der Obrigkeit geſetzt wer- den. Wenn die Kinder in dem Alter ſind, daß ſie bloß, oder vornehmlich um der Ver- waltung ihres Vermoͤgens halber anderer Huͤlfe beduͤrfen; ſo werden, da man den, welcher das Recht hat eines andern Guͤter zu verwalten, der Alters wegen, oder wegen ei- ner Schwachheit des Gemuͤths, oder des Lei- bes ſeinem Vermoͤgen nicht vorſtehen kann, ei- nen Curater (curatorem) nennt, im Roͤ- miſchen Rechte die Curaters von den Vor- muͤndern unterſchieden; doch nach unſern Sitten dauert die Vormundſchaft ſo lange, bis die Erziehung voͤllig geen- det iſt; und dieſes iſt dem Rechte der Na- tur gemaͤſſer. §. 899. Weil ein Vicarius (vicarius) genannt wird, der Von den Pflichten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/689
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/689>, abgerufen am 22.11.2024.