Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Ehe.
schickt machen, daß sie wie Menschenschlecht
fortzu-
pflantzen.

leben können; folglich da die Bemühung,
wodurch dieses bewerckstelliget wird, die Er-
ziehung
(educatio) ist; so müssen die,
welche ein Kind zeugen, dasselbe auch
erziehen.
Daher folgt, daß wer ein
Kind durch einen unerlaubten Bey-
schlaf erzeugt hat,
z. E. durch einen
unehlichen
(stuprator), dasselbe auch zu
erziehen verbunden ist.
Da zur Erzie-
hung so wohl der Mutter, als des Vaters
Sorge und Fleiß erfordert wird; so muß
ein jeder zur Erziehung des Kindes so
viel beytragen, als er kann.
Weil also
ein gleichgültiger Beyschlaf mit einem
jeden
(concubitus promiscuus) derjenige ist,
da eine Weibsperson einen jeden, der bey ihr
schlafen will, zuläßt, und solchergestalt der
Vater ungewiß ist; so darf das menschli-
che Geschlecht nicht durch einen gleich-
gültigen Beyschlaf mit einem jeden
fortgepflantzt werden;
folglich muß
zwischen Manns- und Weibspersonen
zur Erzeugung und Erziehung der
Kinder eine Gesellschaft aufgerichtet
werden
(§. 836.).

§. 856.

Die Gesellschaft, welche zwischen einerWas die
Ehe ist,
und wel-
che Per-
sonen
heyra-

Manns- und Weibsperson, zur Erzeugung
und Erziehung der Kinder aufgerichtet wird,
nennt man die eheliche Gesellschaft, oder
die Ehe (matrimonium). Personen also,

die
R r 3

Von der Ehe.
ſchickt machen, daß ſie wie Menſchenſchlecht
fortzu-
pflantzen.

leben koͤnnen; folglich da die Bemuͤhung,
wodurch dieſes bewerckſtelliget wird, die Er-
ziehung
(educatio) iſt; ſo muͤſſen die,
welche ein Kind zeugen, daſſelbe auch
erziehen.
Daher folgt, daß wer ein
Kind durch einen unerlaubten Bey-
ſchlaf erzeugt hat,
z. E. durch einen
unehlichen
(ſtuprator), daſſelbe auch zu
erziehen verbunden iſt.
Da zur Erzie-
hung ſo wohl der Mutter, als des Vaters
Sorge und Fleiß erfordert wird; ſo muß
ein jeder zur Erziehung des Kindes ſo
viel beytragen, als er kann.
Weil alſo
ein gleichguͤltiger Beyſchlaf mit einem
jeden
(concubitus promiſcuus) derjenige iſt,
da eine Weibsperſon einen jeden, der bey ihr
ſchlafen will, zulaͤßt, und ſolchergeſtalt der
Vater ungewiß iſt; ſo darf das menſchli-
che Geſchlecht nicht durch einen gleich-
guͤltigen Beyſchlaf mit einem jeden
fortgepflantzt werden;
folglich muß
zwiſchen Manns- und Weibsperſonen
zur Erzeugung und Erziehung der
Kinder eine Geſellſchaft aufgerichtet
werden
(§. 836.).

§. 856.

Die Geſellſchaft, welche zwiſchen einerWas die
Ehe iſt,
und wel-
che Per-
ſonen
heyra-

Manns- und Weibsperſon, zur Erzeugung
und Erziehung der Kinder aufgerichtet wird,
nennt man die eheliche Geſellſchaft, oder
die Ehe (matrimonium). Perſonen alſo,

die
R r 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0665" n="629"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Ehe.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;chickt machen, daß &#x017F;ie wie Men&#x017F;chen</hi><note place="right">&#x017F;chlecht<lb/>
fortzu-<lb/>
pflantzen.</note><lb/><hi rendition="#fr">leben ko&#x0364;nnen;</hi> folglich da die Bemu&#x0364;hung,<lb/>
wodurch die&#x017F;es bewerck&#x017F;telliget wird, die <hi rendition="#fr">Er-<lb/>
ziehung</hi> <hi rendition="#aq">(educatio)</hi> i&#x017F;t; <hi rendition="#fr">&#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die,<lb/>
welche ein Kind zeugen, da&#x017F;&#x017F;elbe auch<lb/>
erziehen.</hi> Daher folgt, <hi rendition="#fr">daß wer ein<lb/>
Kind durch einen unerlaubten Bey-<lb/>
&#x017F;chlaf erzeugt hat,</hi> z. E. <hi rendition="#fr">durch einen<lb/>
unehlichen</hi> <hi rendition="#aq">(&#x017F;tuprator),</hi> <hi rendition="#fr">da&#x017F;&#x017F;elbe auch zu<lb/>
erziehen verbunden i&#x017F;t.</hi> Da zur Erzie-<lb/>
hung &#x017F;o wohl der Mutter, als des Vaters<lb/>
Sorge und Fleiß erfordert wird; <hi rendition="#fr">&#x017F;o muß<lb/>
ein jeder zur Erziehung des Kindes &#x017F;o<lb/>
viel beytragen, als er kann.</hi> Weil al&#x017F;o<lb/>
ein <hi rendition="#fr">gleichgu&#x0364;ltiger Bey&#x017F;chlaf mit einem<lb/>
jeden</hi> <hi rendition="#aq">(concubitus promi&#x017F;cuus)</hi> derjenige i&#x017F;t,<lb/>
da eine Weibsper&#x017F;on einen jeden, der bey ihr<lb/>
&#x017F;chlafen will, zula&#x0364;ßt, und &#x017F;olcherge&#x017F;talt der<lb/>
Vater ungewiß i&#x017F;t; <hi rendition="#fr">&#x017F;o darf das men&#x017F;chli-<lb/>
che Ge&#x017F;chlecht nicht durch einen gleich-<lb/>
gu&#x0364;ltigen Bey&#x017F;chlaf mit einem jeden<lb/>
fortgepflantzt werden;</hi> folglich <hi rendition="#fr">muß<lb/>
zwi&#x017F;chen Manns- und Weibsper&#x017F;onen<lb/>
zur Erzeugung und Erziehung der<lb/>
Kinder eine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft aufgerichtet<lb/>
werden</hi> (§. 836.).</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 856.</head><lb/>
                <p>Die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, welche zwi&#x017F;chen einer<note place="right">Was die<lb/>
Ehe i&#x017F;t,<lb/>
und wel-<lb/>
che Per-<lb/>
&#x017F;onen<lb/>
heyra-</note><lb/>
Manns- und Weibsper&#x017F;on, zur Erzeugung<lb/>
und Erziehung der Kinder aufgerichtet wird,<lb/>
nennt man die <hi rendition="#fr">eheliche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft,</hi> oder<lb/>
die <hi rendition="#fr">Ehe</hi> <hi rendition="#aq">(matrimonium).</hi> <hi rendition="#fr">Per&#x017F;onen</hi> al&#x017F;o,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R r 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">die</hi></fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[629/0665] Von der Ehe. ſchickt machen, daß ſie wie Menſchen leben koͤnnen; folglich da die Bemuͤhung, wodurch dieſes bewerckſtelliget wird, die Er- ziehung (educatio) iſt; ſo muͤſſen die, welche ein Kind zeugen, daſſelbe auch erziehen. Daher folgt, daß wer ein Kind durch einen unerlaubten Bey- ſchlaf erzeugt hat, z. E. durch einen unehlichen (ſtuprator), daſſelbe auch zu erziehen verbunden iſt. Da zur Erzie- hung ſo wohl der Mutter, als des Vaters Sorge und Fleiß erfordert wird; ſo muß ein jeder zur Erziehung des Kindes ſo viel beytragen, als er kann. Weil alſo ein gleichguͤltiger Beyſchlaf mit einem jeden (concubitus promiſcuus) derjenige iſt, da eine Weibsperſon einen jeden, der bey ihr ſchlafen will, zulaͤßt, und ſolchergeſtalt der Vater ungewiß iſt; ſo darf das menſchli- che Geſchlecht nicht durch einen gleich- guͤltigen Beyſchlaf mit einem jeden fortgepflantzt werden; folglich muß zwiſchen Manns- und Weibsperſonen zur Erzeugung und Erziehung der Kinder eine Geſellſchaft aufgerichtet werden (§. 836.). ſchlecht fortzu- pflantzen. §. 856. Die Geſellſchaft, welche zwiſchen einer Manns- und Weibsperſon, zur Erzeugung und Erziehung der Kinder aufgerichtet wird, nennt man die eheliche Geſellſchaft, oder die Ehe (matrimonium). Perſonen alſo, die Was die Ehe iſt, und wel- che Per- ſonen heyra- R r 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/665
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/665>, abgerufen am 23.11.2024.