aber wenn die Anzahl derer die einstimmen, und nicht einstimmen, gleich ist.
§. 843.
Wie man durch Stim- men et- was be- schliessen muß.
Man saget, die Berathschlagenden be- schliessen etwas (concludunt), wenn durch Vergleichung der Stimmen mit einander aus- gemacht wird, was geschehen soll, oder nicht. Und das, was durch die Stimmen ausge- macht wird, daß es geschehen soll, oder nicht, heist der Schluß(conclusum). Die bes- sern Stimmen(vota meliora) nennt man das Urtheil derer, von dem was geschehen soll, welches der Wahrheit gemäßer ist. Man siehet aber leicht, daß, da ein jeder seine Stimme vor die beste hält, und gleichwohl die Sache einen Ausgang gewinnen muß, durch die besten Stimmen nichts be- schlossen werden kann; folglich ists noth- wendig, daß solches durch die mehre- sten geschehe. Derowegen wenn eine Gesellschaft errichtet wird, müssen die, welche sie errichten, darein willigen, daß, was dem grössern Theile gut dün- cket, vor den Willen aller Mitglieder gehalten werden soll; und solchergestalt durch den grössern Theil der kleinere verbindlich gemacht werden. Weil demnach, wenn ein Schluß gemacht werden soll, die Stimmen gezehlt, nicht aber erwo- gen werden(ponderantur), so daß man erst untersuchte, welches die besten sind; so kann durch gleiche Stimmen nichts be-
schlos-
III.Th. 1. A. 1. H. Von der Herrſchaft
aber wenn die Anzahl derer die einſtimmen, und nicht einſtimmen, gleich iſt.
§. 843.
Wie man durch Stim- men et- was be- ſchlieſſen muß.
Man ſaget, die Berathſchlagenden be- ſchlieſſen etwas (concludunt), wenn durch Vergleichung der Stimmen mit einander aus- gemacht wird, was geſchehen ſoll, oder nicht. Und das, was durch die Stimmen ausge- macht wird, daß es geſchehen ſoll, oder nicht, heiſt der Schluß(concluſum). Die beſ- ſern Stimmen(vota meliora) nennt man das Urtheil derer, von dem was geſchehen ſoll, welches der Wahrheit gemaͤßer iſt. Man ſiehet aber leicht, daß, da ein jeder ſeine Stimme vor die beſte haͤlt, und gleichwohl die Sache einen Ausgang gewinnen muß, durch die beſten Stimmen nichts be- ſchloſſen werden kann; folglich iſts noth- wendig, daß ſolches durch die mehre- ſten geſchehe. Derowegen wenn eine Geſellſchaft errichtet wird, muͤſſen die, welche ſie errichten, darein willigen, daß, was dem groͤſſern Theile gut duͤn- cket, vor den Willen aller Mitglieder gehalten werden ſoll; und ſolchergeſtalt durch den groͤſſern Theil der kleinere verbindlich gemacht werden. Weil demnach, wenn ein Schluß gemacht werden ſoll, die Stimmen gezehlt, nicht aber erwo- gen werden(ponderantur), ſo daß man erſt unterſuchte, welches die beſten ſind; ſo kann durch gleiche Stimmen nichts be-
ſchloſ-
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III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrſchaft
aber wenn die Anzahl derer die einſtimmen,
und nicht einſtimmen, gleich iſt.
§. 843.
Man ſaget, die Berathſchlagenden be-
ſchlieſſen etwas (concludunt), wenn durch
Vergleichung der Stimmen mit einander aus-
gemacht wird, was geſchehen ſoll, oder nicht.
Und das, was durch die Stimmen ausge-
macht wird, daß es geſchehen ſoll, oder nicht,
heiſt der Schluß (concluſum). Die beſ-
ſern Stimmen (vota meliora) nennt man
das Urtheil derer, von dem was geſchehen
ſoll, welches der Wahrheit gemaͤßer iſt. Man
ſiehet aber leicht, daß, da ein jeder ſeine
Stimme vor die beſte haͤlt, und gleichwohl
die Sache einen Ausgang gewinnen muß,
durch die beſten Stimmen nichts be-
ſchloſſen werden kann; folglich iſts noth-
wendig, daß ſolches durch die mehre-
ſten geſchehe. Derowegen wenn eine
Geſellſchaft errichtet wird, muͤſſen die,
welche ſie errichten, darein willigen,
daß, was dem groͤſſern Theile gut duͤn-
cket, vor den Willen aller Mitglieder
gehalten werden ſoll; und ſolchergeſtalt
durch den groͤſſern Theil der kleinere
verbindlich gemacht werden. Weil
demnach, wenn ein Schluß gemacht werden
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/656>, abgerufen am 22.11.2024.
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