ferre), wenn er den ihm auferlegten Eidschlagen eines Ei- des. nicht annehmen will, sondern sich hinlänglich erkläret, er wolle lieber daß der andere Theil, was er gesagt, durch einen Eid bekräfftige: Aber, er schlage den Eid aus, oder er wei- gere sich zu schwören(juramentum re- cusare), wenn er sich hinlänglich erkläret, er wolle nicht schwören, oder er wolle den ihm auferlegten, oder zurück geschobenen Eid nicht ablegen. Weil aber der nicht schwören will, deswegen noch nicht will, daß der andere schwören soll; so folgt noch nicht, daß, wer sich zu schwören weigert, deswe- gen dem andern es ins Gewissen zurü- cke schiebet. Weil die Partheyen das sich müssen gefallen lassen, was dem Schiedsrich- ter gutdünckt (§. 770.); so kann der Eid, welcher von einem Schiedsrichter auf- erlegt worden, nicht ausgeschlagen und dem Gegentheil ins Gewissen ge- schoben werden. Wenn aber ein Theil dem andern den Eid auferlegt; so kann er ihm denselben ins Gewissen zurücke schieben; massen keine zugezogene Verbindlichkeit vorhanden, welche die natür- liche Freyheit einschräncken sollte, und es ihm also freysteht, ob er selbst schwören, oder lieber will, daß der andere schwören soll (§. 78.). Und da der, welcher den Eid auferlegt, will, daß die streitige Sache durch einen Eid ent- schieden werden soll, und nicht wollen darf, daß GOtt unbedachtsamer Weise zum Zeugen
ange-
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Streitigkeiten zu endigen.
ferre), wenn er den ihm auferlegten Eidſchlagen eines Ei- des. nicht annehmen will, ſondern ſich hinlaͤnglich erklaͤret, er wolle lieber daß der andere Theil, was er geſagt, durch einen Eid bekraͤfftige: Aber, er ſchlage den Eid aus, oder er wei- gere ſich zu ſchwoͤren(juramentum re- cuſare), wenn er ſich hinlaͤnglich erklaͤret, er wolle nicht ſchwoͤren, oder er wolle den ihm auferlegten, oder zuruͤck geſchobenen Eid nicht ablegen. Weil aber der nicht ſchwoͤren will, deswegen noch nicht will, daß der andere ſchwoͤren ſoll; ſo folgt noch nicht, daß, wer ſich zu ſchwoͤren weigert, deswe- gen dem andern es ins Gewiſſen zuruͤ- cke ſchiebet. Weil die Partheyen das ſich muͤſſen gefallen laſſen, was dem Schiedsrich- ter gutduͤnckt (§. 770.); ſo kann der Eid, welcher von einem Schiedsrichter auf- erlegt worden, nicht ausgeſchlagen und dem Gegentheil ins Gewiſſen ge- ſchoben werden. Wenn aber ein Theil dem andern den Eid auferlegt; ſo kann er ihm denſelben ins Gewiſſen zuruͤcke ſchieben; maſſen keine zugezogene Verbindlichkeit vorhanden, welche die natuͤr- liche Freyheit einſchraͤncken ſollte, und es ihm alſo freyſteht, ob er ſelbſt ſchwoͤren, oder lieber will, daß der andere ſchwoͤren ſoll (§. 78.). Und da der, welcher den Eid auferlegt, will, daß die ſtreitige Sache durch einen Eid ent- ſchieden werden ſoll, und nicht wollen darf, daß GOtt unbedachtſamer Weiſe zum Zeugen
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Streitigkeiten zu endigen.
ferre), wenn er den ihm auferlegten Eid
nicht annehmen will, ſondern ſich hinlaͤnglich
erklaͤret, er wolle lieber daß der andere Theil,
was er geſagt, durch einen Eid bekraͤfftige:
Aber, er ſchlage den Eid aus, oder er wei-
gere ſich zu ſchwoͤren (juramentum re-
cuſare), wenn er ſich hinlaͤnglich erklaͤret, er
wolle nicht ſchwoͤren, oder er wolle den ihm
auferlegten, oder zuruͤck geſchobenen Eid nicht
ablegen. Weil aber der nicht ſchwoͤren will,
deswegen noch nicht will, daß der andere
ſchwoͤren ſoll; ſo folgt noch nicht, daß,
wer ſich zu ſchwoͤren weigert, deswe-
gen dem andern es ins Gewiſſen zuruͤ-
cke ſchiebet. Weil die Partheyen das ſich
muͤſſen gefallen laſſen, was dem Schiedsrich-
ter gutduͤnckt (§. 770.); ſo kann der Eid,
welcher von einem Schiedsrichter auf-
erlegt worden, nicht ausgeſchlagen
und dem Gegentheil ins Gewiſſen ge-
ſchoben werden. Wenn aber ein Theil
dem andern den Eid auferlegt; ſo
kann er ihm denſelben ins Gewiſſen
zuruͤcke ſchieben; maſſen keine zugezogene
Verbindlichkeit vorhanden, welche die natuͤr-
liche Freyheit einſchraͤncken ſollte, und es
ihm alſo freyſteht, ob er ſelbſt ſchwoͤren, oder
lieber will, daß der andere ſchwoͤren ſoll (§. 78.).
Und da der, welcher den Eid auferlegt, will,
daß die ſtreitige Sache durch einen Eid ent-
ſchieden werden ſoll, und nicht wollen darf,
daß GOtt unbedachtſamer Weiſe zum Zeugen
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ſchlagen
eines Ei-
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/615>, abgerufen am 24.11.2024.
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