Sache, auf deren nicht vorhergesehene Be- stimmung die Erlangung einer körperlichen, oder unkörperlichen Sache beruhet; oder es ist ein Zeichen dessen, was wir haben sollen, welches durch das Glück bestimmt wird. Da- her erhellet, daß man nicht durchs Loos entscheiden soll, was durch Ueberle- gung geschehen kann; sondern das, was dadurch nicht ausgemacht werden kann. Es ist aber das Loos entweder ein Wahlloos(sors electrix), wodurch be- stimmt wird, was aus zweyen Sachen er- wählt werden soll; oder ein Zutheilungs- loos(sors attributrix), wodurch einem eine gewisse Sache zugeeignet wird; oder ein Thei- lungsloos(sors divisoria), wodurch be- stimmt wird, welchen Theil von einer getheil- ten Sache einer haben soll. Hiezu setzet man das Wahrsagungsloos(sors divinato- ria), wodurch einer das, was künftig ist, be- stimmen will. Denn die Wahrsagung ist die Vorhersagung künftiger Dinge. Da es gewiß ist, daß die Begebenheiten in dieser Welt durch eine Folge von Ursachen bestimmt sind; folglich auch bestimmt ist, wie das Loos fallen muß; so kann das Vorherwis- sen des Künftigen nicht durch das Loos ausgemacht werden; folglich kommt das Wahrsagungsloos aus dem Aber- glauben, und widerspricht also dem Ge- setze der Natur (§. 182.).
§. 670.
F f 3
Von den Gluͤckscontracten.
Sache, auf deren nicht vorhergeſehene Be- ſtimmung die Erlangung einer koͤrperlichen, oder unkoͤrperlichen Sache beruhet; oder es iſt ein Zeichen deſſen, was wir haben ſollen, welches durch das Gluͤck beſtimmt wird. Da- her erhellet, daß man nicht durchs Loos entſcheiden ſoll, was durch Ueberle- gung geſchehen kann; ſondern das, was dadurch nicht ausgemacht werden kann. Es iſt aber das Loos entweder ein Wahlloos(ſors electrix), wodurch be- ſtimmt wird, was aus zweyen Sachen er- waͤhlt werden ſoll; oder ein Zutheilungs- loos(ſors attributrix), wodurch einem eine gewiſſe Sache zugeeignet wird; oder ein Thei- lungsloos(ſors diviſoria), wodurch be- ſtimmt wird, welchen Theil von einer getheil- ten Sache einer haben ſoll. Hiezu ſetzet man das Wahrſagungsloos(ſors divinato- ria), wodurch einer das, was kuͤnftig iſt, be- ſtimmen will. Denn die Wahrſagung iſt die Vorherſagung kuͤnftiger Dinge. Da es gewiß iſt, daß die Begebenheiten in dieſer Welt durch eine Folge von Urſachen beſtimmt ſind; folglich auch beſtimmt iſt, wie das Loos fallen muß; ſo kann das Vorherwiſ- ſen des Kuͤnftigen nicht durch das Loos ausgemacht werden; folglich kommt das Wahrſagungsloos aus dem Aber- glauben, und widerſpricht alſo dem Ge- ſetze der Natur (§. 182.).
§. 670.
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Von den Gluͤckscontracten.
Sache, auf deren nicht vorhergeſehene Be-
ſtimmung die Erlangung einer koͤrperlichen,
oder unkoͤrperlichen Sache beruhet; oder es
iſt ein Zeichen deſſen, was wir haben ſollen,
welches durch das Gluͤck beſtimmt wird. Da-
her erhellet, daß man nicht durchs Loos
entſcheiden ſoll, was durch Ueberle-
gung geſchehen kann; ſondern das, was
dadurch nicht ausgemacht werden
kann. Es iſt aber das Loos entweder ein
Wahlloos (ſors electrix), wodurch be-
ſtimmt wird, was aus zweyen Sachen er-
waͤhlt werden ſoll; oder ein Zutheilungs-
loos (ſors attributrix), wodurch einem eine
gewiſſe Sache zugeeignet wird; oder ein Thei-
lungsloos (ſors diviſoria), wodurch be-
ſtimmt wird, welchen Theil von einer getheil-
ten Sache einer haben ſoll. Hiezu ſetzet man
das Wahrſagungsloos (ſors divinato-
ria), wodurch einer das, was kuͤnftig iſt, be-
ſtimmen will. Denn die Wahrſagung iſt
die Vorherſagung kuͤnftiger Dinge. Da es
gewiß iſt, daß die Begebenheiten in dieſer
Welt durch eine Folge von Urſachen beſtimmt
ſind; folglich auch beſtimmt iſt, wie das
Loos fallen muß; ſo kann das Vorherwiſ-
ſen des Kuͤnftigen nicht durch das Loos
ausgemacht werden; folglich kommt
das Wahrſagungsloos aus dem Aber-
glauben, und widerſpricht alſo dem Ge-
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/489>, abgerufen am 22.11.2024.
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