Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

und der Verjährung.
genthume dessen, was er besitzet, Ge-
wißheit habe, und das Eigenthum
andern nicht ungewiß bleibe.
Dero-
wegen giebt das Gesetze der Natur dem
Menschen
auch das Recht dazu, ohne
welches die Gewißheit des Eigen-
thums nicht erhalten werden kann
(§.
46.). Es erhellet aber hieraus zugleich, daß,
wenn einer weiß, eine ihm zugehörige
Sache habe ein anderer im Besitze, und
er will dieselbe nicht verlassen, er nicht
schweigen müsse.

§. 458.

Weil derjenige, welcher weiß, daßVon der
Vermu-
thung ei-
ner Ver-
lassung
aus ei-
ner
würckli-
chen
Hand-
lung.

die Sache ihm zugehöre, und doch et-
was thut, was er nicht thun könnte,
wenn er wolte, daß sie seine seyn soll-
te;
als wenn er mit dem Besitzer einen Ver-
trag macht, eben als wenn die Sache dem
andern zugehörete; indem man daraus nicht
anders schliessen kann, als daß er die Sache
nicht vor seine halten wolle, sondern vor des
andern seine erkenne; so vermuthet man
daraus, daß er sie verlassen habe
(§.
27. 203.).

§. 459.

Wenn jemand schweigt, wenn erVon der
aus dem
Still-
schweigen
vermu-
theten
Einwilli-
gung.

reden könnte und sollte; da er dieses
aus keiner andern Absicht zu thun scheinet,
als weil er eben das, was der andere will,
oder was die andern wollen, die ihre Mei-
nung gesagt; so vermuthet man, er habe

darein

und der Verjaͤhrung.
genthume deſſen, was er beſitzet, Ge-
wißheit habe, und das Eigenthum
andern nicht ungewiß bleibe.
Dero-
wegen giebt das Geſetze der Natur dem
Menſchen
auch das Recht dazu, ohne
welches die Gewißheit des Eigen-
thums nicht erhalten werden kann
(§.
46.). Es erhellet aber hieraus zugleich, daß,
wenn einer weiß, eine ihm zugehoͤrige
Sache habe ein anderer im Beſitze, und
er will dieſelbe nicht verlaſſen, er nicht
ſchweigen muͤſſe.

§. 458.

Weil derjenige, welcher weiß, daßVon der
Vermu-
thung ei-
ner Ver-
laſſung
aus ei-
ner
wuͤrckli-
chen
Hand-
lung.

die Sache ihm zugehoͤre, und doch et-
was thut, was er nicht thun koͤnnte,
wenn er wolte, daß ſie ſeine ſeyn ſoll-
te;
als wenn er mit dem Beſitzer einen Ver-
trag macht, eben als wenn die Sache dem
andern zugehoͤrete; indem man daraus nicht
anders ſchlieſſen kann, als daß er die Sache
nicht vor ſeine halten wolle, ſondern vor des
andern ſeine erkenne; ſo vermuthet man
daraus, daß er ſie verlaſſen habe
(§.
27. 203.).

§. 459.

Wenn jemand ſchweigt, wenn erVon der
aus dem
Still-
ſchweigen
vermu-
theten
Einwilli-
gung.

reden koͤnnte und ſollte; da er dieſes
aus keiner andern Abſicht zu thun ſcheinet,
als weil er eben das, was der andere will,
oder was die andern wollen, die ihre Mei-
nung geſagt; ſo vermuthet man, er habe

darein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0323" n="287"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und der Verja&#x0364;hrung.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">genthume de&#x017F;&#x017F;en, was er be&#x017F;itzet, Ge-<lb/>
wißheit habe, und das Eigenthum<lb/>
andern nicht ungewiß bleibe.</hi> Dero-<lb/>
wegen <hi rendition="#fr">giebt das Ge&#x017F;etze der Natur dem<lb/>
Men&#x017F;chen</hi> auch <hi rendition="#fr">das Recht dazu, ohne<lb/>
welches die Gewißheit des Eigen-<lb/>
thums nicht erhalten werden kann</hi> (§.<lb/>
46.). Es erhellet aber hieraus zugleich, <hi rendition="#fr">daß,<lb/>
wenn einer weiß, eine ihm zugeho&#x0364;rige<lb/>
Sache habe ein anderer im Be&#x017F;itze, und<lb/>
er will die&#x017F;elbe nicht verla&#x017F;&#x017F;en, er nicht<lb/>
&#x017F;chweigen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 458.</head><lb/>
              <p>Weil <hi rendition="#fr">derjenige, welcher weiß, daß</hi><note place="right">Von der<lb/>
Vermu-<lb/>
thung ei-<lb/>
ner Ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
aus ei-<lb/>
ner<lb/>
wu&#x0364;rckli-<lb/>
chen<lb/>
Hand-<lb/>
lung.</note><lb/><hi rendition="#fr">die Sache ihm zugeho&#x0364;re, und doch et-<lb/>
was thut, was er nicht thun ko&#x0364;nnte,<lb/>
wenn er wolte, daß &#x017F;ie &#x017F;eine &#x017F;eyn &#x017F;oll-<lb/>
te;</hi> als wenn er mit dem Be&#x017F;itzer einen Ver-<lb/>
trag macht, eben als wenn die Sache dem<lb/>
andern zugeho&#x0364;rete; indem man daraus nicht<lb/>
anders &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en kann, als daß er die Sache<lb/>
nicht vor &#x017F;eine halten wolle, &#x017F;ondern vor des<lb/>
andern &#x017F;eine erkenne; &#x017F;o <hi rendition="#fr">vermuthet man<lb/>
daraus, daß er &#x017F;ie verla&#x017F;&#x017F;en habe</hi> (§.<lb/>
27. 203.).</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 459.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">Wenn jemand &#x017F;chweigt, wenn er</hi><note place="right">Von der<lb/>
aus dem<lb/>
Still-<lb/>
&#x017F;chweigen<lb/>
vermu-<lb/>
theten<lb/>
Einwilli-<lb/>
gung.</note><lb/><hi rendition="#fr">reden ko&#x0364;nnte und &#x017F;ollte;</hi> da er die&#x017F;es<lb/>
aus keiner andern Ab&#x017F;icht zu thun &#x017F;cheinet,<lb/>
als weil er eben das, was der andere will,<lb/>
oder was die andern wollen, die ihre Mei-<lb/>
nung ge&#x017F;agt; &#x017F;o <hi rendition="#fr">vermuthet man, er habe</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">darein</hi></fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0323] und der Verjaͤhrung. genthume deſſen, was er beſitzet, Ge- wißheit habe, und das Eigenthum andern nicht ungewiß bleibe. Dero- wegen giebt das Geſetze der Natur dem Menſchen auch das Recht dazu, ohne welches die Gewißheit des Eigen- thums nicht erhalten werden kann (§. 46.). Es erhellet aber hieraus zugleich, daß, wenn einer weiß, eine ihm zugehoͤrige Sache habe ein anderer im Beſitze, und er will dieſelbe nicht verlaſſen, er nicht ſchweigen muͤſſe. §. 458. Weil derjenige, welcher weiß, daß die Sache ihm zugehoͤre, und doch et- was thut, was er nicht thun koͤnnte, wenn er wolte, daß ſie ſeine ſeyn ſoll- te; als wenn er mit dem Beſitzer einen Ver- trag macht, eben als wenn die Sache dem andern zugehoͤrete; indem man daraus nicht anders ſchlieſſen kann, als daß er die Sache nicht vor ſeine halten wolle, ſondern vor des andern ſeine erkenne; ſo vermuthet man daraus, daß er ſie verlaſſen habe (§. 27. 203.). Von der Vermu- thung ei- ner Ver- laſſung aus ei- ner wuͤrckli- chen Hand- lung. §. 459. Wenn jemand ſchweigt, wenn er reden koͤnnte und ſollte; da er dieſes aus keiner andern Abſicht zu thun ſcheinet, als weil er eben das, was der andere will, oder was die andern wollen, die ihre Mei- nung geſagt; ſo vermuthet man, er habe darein Von der aus dem Still- ſchweigen vermu- theten Einwilli- gung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/323
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/323>, abgerufen am 23.11.2024.