lich ist das Versprechen ungültig. Hier- zu kommt, daß derjenige, dem etwas verspro- chen wird, indem er vor genehm hält, daß dem Versprecher eine Furcht eingejagt wor- den, selbst will, daß das Versprechen mit Gewalt erzwungen werde; und deswegen nicht weit von dem entfernt ist, der eine Furcht einem andern einjagt, damit ihm etwas ver- sprochen werde.
§. 407.
Ob man bey dem Verspre- chen die Ursache desselben ausdrü- cken müsse.
Weil es einig und allein auf den Willen des Versprechers ankommt, ob er etwas ver- sprechen will, oder nicht (§. 245.); und ver- möge der natürlichen Freyheit er keinem Men- schen Rechenschaft geben darf, warum er et- was thue (§. 78.); so darf nach dem na- türlichen Rechte in einem Versprechen die Ursache desselben nicht ausgedrückt werden, warum man nämlich etwas ver- spricht.
§. 408.
Von dem Verspre- chen we- gen ei- ner Sa- che, die man schon vorher schuldig war.
Aus eben demselben Grunde ist das Ver- sprechen wegen einer Sache, die man schon vorher schuldig war, gültig. Man sagt nemlich, es werde etwas we- gen einer schon vorher schuldigen Sa- che versprochen(promittitur ob causam ante debitam), wenn man einem deswegen, was er zu leisten schuldig ist, etwas verspricht, z. E. einem Boten ausser seinem Lohne noch ein kleines Trinckgeld. Und weil das, was wegen einer Sache, die einer schon vorher
schul-
II.Th. 7. H. Von dem Verſprechen
lich iſt das Verſprechen unguͤltig. Hier- zu kommt, daß derjenige, dem etwas verſpro- chen wird, indem er vor genehm haͤlt, daß dem Verſprecher eine Furcht eingejagt wor- den, ſelbſt will, daß das Verſprechen mit Gewalt erzwungen werde; und deswegen nicht weit von dem entfernt iſt, der eine Furcht einem andern einjagt, damit ihm etwas ver- ſprochen werde.
§. 407.
Ob man bey dem Verſpre- chen die Urſache deſſelben ausdruͤ- cken muͤſſe.
Weil es einig und allein auf den Willen des Verſprechers ankommt, ob er etwas ver- ſprechen will, oder nicht (§. 245.); und ver- moͤge der natuͤrlichen Freyheit er keinem Men- ſchen Rechenſchaft geben darf, warum er et- was thue (§. 78.); ſo darf nach dem na- tuͤrlichen Rechte in einem Verſprechen die Urſache deſſelben nicht ausgedruͤckt werden, warum man naͤmlich etwas ver- ſpricht.
§. 408.
Von dem Verſpre- chen we- gen ei- ner Sa- che, die man ſchon vorher ſchuldig war.
Aus eben demſelben Grunde iſt das Ver- ſprechen wegen einer Sache, die man ſchon vorher ſchuldig war, guͤltig. Man ſagt nemlich, es werde etwas we- gen einer ſchon vorher ſchuldigen Sa- che verſprochen(promittitur ob cauſam ante debitam), wenn man einem deswegen, was er zu leiſten ſchuldig iſt, etwas verſpricht, z. E. einem Boten auſſer ſeinem Lohne noch ein kleines Trinckgeld. Und weil das, was wegen einer Sache, die einer ſchon vorher
ſchul-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0284"n="248"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi><hirendition="#b">Th. 7. H. Von dem Verſprechen</hi></fw><lb/>
lich <hirendition="#fr">iſt das Verſprechen unguͤltig.</hi> Hier-<lb/>
zu kommt, daß derjenige, dem etwas verſpro-<lb/>
chen wird, indem er vor genehm haͤlt, daß<lb/>
dem Verſprecher eine Furcht eingejagt wor-<lb/>
den, ſelbſt will, daß das Verſprechen mit<lb/>
Gewalt erzwungen werde; und deswegen<lb/>
nicht weit von dem entfernt iſt, der eine Furcht<lb/>
einem andern einjagt, damit ihm etwas ver-<lb/>ſprochen werde.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 407.</head><lb/><noteplace="left">Ob man<lb/>
bey dem<lb/>
Verſpre-<lb/>
chen die<lb/>
Urſache<lb/>
deſſelben<lb/>
ausdruͤ-<lb/>
cken<lb/>
muͤſſe.</note><p>Weil es einig und allein auf den Willen<lb/>
des Verſprechers ankommt, ob er etwas ver-<lb/>ſprechen will, oder nicht (§. 245.); und ver-<lb/>
moͤge der natuͤrlichen Freyheit er keinem Men-<lb/>ſchen Rechenſchaft geben darf, warum er et-<lb/>
was thue (§. 78.); ſo <hirendition="#fr">darf nach dem na-<lb/>
tuͤrlichen Rechte in einem Verſprechen<lb/>
die Urſache deſſelben nicht ausgedruͤckt<lb/>
werden,</hi> warum man naͤmlich etwas ver-<lb/>ſpricht.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 408.</head><lb/><noteplace="left">Von dem<lb/>
Verſpre-<lb/>
chen we-<lb/>
gen ei-<lb/>
ner Sa-<lb/>
che, die<lb/>
man<lb/>ſchon<lb/>
vorher<lb/>ſchuldig<lb/>
war.</note><p>Aus eben demſelben Grunde <hirendition="#fr">iſt das Ver-<lb/>ſprechen wegen einer Sache, die man<lb/>ſchon vorher ſchuldig war, guͤltig.</hi><lb/>
Man ſagt nemlich, <hirendition="#fr">es werde etwas we-<lb/>
gen einer ſchon vorher ſchuldigen Sa-<lb/>
che verſprochen</hi><hirendition="#aq">(promittitur ob cauſam<lb/>
ante debitam),</hi> wenn man einem deswegen,<lb/>
was er zu leiſten ſchuldig iſt, etwas verſpricht,<lb/>
z. E. einem Boten auſſer ſeinem Lohne noch<lb/>
ein kleines Trinckgeld. Und weil das, was<lb/>
wegen einer Sache, die einer ſchon vorher<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchul-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[248/0284]
II. Th. 7. H. Von dem Verſprechen
lich iſt das Verſprechen unguͤltig. Hier-
zu kommt, daß derjenige, dem etwas verſpro-
chen wird, indem er vor genehm haͤlt, daß
dem Verſprecher eine Furcht eingejagt wor-
den, ſelbſt will, daß das Verſprechen mit
Gewalt erzwungen werde; und deswegen
nicht weit von dem entfernt iſt, der eine Furcht
einem andern einjagt, damit ihm etwas ver-
ſprochen werde.
§. 407.
Weil es einig und allein auf den Willen
des Verſprechers ankommt, ob er etwas ver-
ſprechen will, oder nicht (§. 245.); und ver-
moͤge der natuͤrlichen Freyheit er keinem Men-
ſchen Rechenſchaft geben darf, warum er et-
was thue (§. 78.); ſo darf nach dem na-
tuͤrlichen Rechte in einem Verſprechen
die Urſache deſſelben nicht ausgedruͤckt
werden, warum man naͤmlich etwas ver-
ſpricht.
§. 408.
Aus eben demſelben Grunde iſt das Ver-
ſprechen wegen einer Sache, die man
ſchon vorher ſchuldig war, guͤltig.
Man ſagt nemlich, es werde etwas we-
gen einer ſchon vorher ſchuldigen Sa-
che verſprochen (promittitur ob cauſam
ante debitam), wenn man einem deswegen,
was er zu leiſten ſchuldig iſt, etwas verſpricht,
z. E. einem Boten auſſer ſeinem Lohne noch
ein kleines Trinckgeld. Und weil das, was
wegen einer Sache, die einer ſchon vorher
ſchul-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/284>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.