Die bey- derseitige Verbind- lichkeit etwas zu geben u. etwas zu thun.
Aus der Erfahrung ist hinlänglich klar, daß einer, nachdem das Eigenthum eingeführt worden, nicht vor sich selbst alles haben kön- ne, was zur Nothwendigkeit, Bequemlichkeit und Vergnügen des Lebens, ja zur Erlan- gung der Vollkommenheit der Seele erfor- dert wird, und daß ein jeder nicht allein an- derer Arbeit, sondern auch Sachen, die an- dern zugehören, bedürfe; daß aber diese Be- dürfniß um so viel grösser sey, je mehr man von der schlechten Lebensart abweicht. Da nun Menschen verbunden sind, mit vereinig- ten Kräften sich und ihren Zustand vollkom- mener zu machen (§. 44); so sind die Menschen, nachdem das Eigenthum eingeführt worden, auch verbunden, das Eigenthum ihrer Sachen auf ein- ander zu bringen, und zur Arbeit für einander, oder einander zu geben und zu thun, nachdem einer des andern Sache, oder Arbeit bedarf. Weil aber, wenn die Pflichten gegen einander laufen, die Pflicht gegen uns selbst der Pflicht gegen an- dere vorzuziehen (§. 64.); so darf niemand dem andern eine Sache geben, der er selbst bedarf; er ist auch nicht verbun- den etwas zu thun, wenn er nicht Zeit dazu hat.
§. 330.
Von der Veräns- serung
Weil in einer positiven Gemeinschaft alle zusammengenommen der Herr einer un-
getheil-
II. Th. 5. H. Von der abſtammenden Art
§. 329.
Die bey- derſeitige Verbind- lichkeit etwas zu geben u. etwas zu thun.
Aus der Erfahrung iſt hinlaͤnglich klar, daß einer, nachdem das Eigenthum eingefuͤhrt worden, nicht vor ſich ſelbſt alles haben koͤn- ne, was zur Nothwendigkeit, Bequemlichkeit und Vergnuͤgen des Lebens, ja zur Erlan- gung der Vollkommenheit der Seele erfor- dert wird, und daß ein jeder nicht allein an- derer Arbeit, ſondern auch Sachen, die an- dern zugehoͤren, beduͤrfe; daß aber dieſe Be- duͤrfniß um ſo viel groͤſſer ſey, je mehr man von der ſchlechten Lebensart abweicht. Da nun Menſchen verbunden ſind, mit vereinig- ten Kraͤften ſich und ihren Zuſtand vollkom- mener zu machen (§. 44); ſo ſind die Menſchen, nachdem das Eigenthum eingefuͤhrt worden, auch verbunden, das Eigenthum ihrer Sachen auf ein- ander zu bringen, und zur Arbeit fuͤr einander, oder einander zu geben und zu thun, nachdem einer des andern Sache, oder Arbeit bedarf. Weil aber, wenn die Pflichten gegen einander laufen, die Pflicht gegen uns ſelbſt der Pflicht gegen an- dere vorzuziehen (§. 64.); ſo darf niemand dem andern eine Sache geben, der er ſelbſt bedarf; er iſt auch nicht verbun- den etwas zu thun, wenn er nicht Zeit dazu hat.
§. 330.
Von der Veraͤnſ- ſerung
Weil in einer poſitiven Gemeinſchaft alle zuſammengenommen der Herr einer un-
getheil-
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II. Th. 5. H. Von der abſtammenden Art
§. 329.
Aus der Erfahrung iſt hinlaͤnglich klar, daß
einer, nachdem das Eigenthum eingefuͤhrt
worden, nicht vor ſich ſelbſt alles haben koͤn-
ne, was zur Nothwendigkeit, Bequemlichkeit
und Vergnuͤgen des Lebens, ja zur Erlan-
gung der Vollkommenheit der Seele erfor-
dert wird, und daß ein jeder nicht allein an-
derer Arbeit, ſondern auch Sachen, die an-
dern zugehoͤren, beduͤrfe; daß aber dieſe Be-
duͤrfniß um ſo viel groͤſſer ſey, je mehr man
von der ſchlechten Lebensart abweicht. Da
nun Menſchen verbunden ſind, mit vereinig-
ten Kraͤften ſich und ihren Zuſtand vollkom-
mener zu machen (§. 44); ſo ſind die
Menſchen, nachdem das Eigenthum
eingefuͤhrt worden, auch verbunden,
das Eigenthum ihrer Sachen auf ein-
ander zu bringen, und zur Arbeit fuͤr
einander, oder einander zu geben und
zu thun, nachdem einer des andern
Sache, oder Arbeit bedarf. Weil aber,
wenn die Pflichten gegen einander laufen, die
Pflicht gegen uns ſelbſt der Pflicht gegen an-
dere vorzuziehen (§. 64.); ſo darf niemand
dem andern eine Sache geben, der er
ſelbſt bedarf; er iſt auch nicht verbun-
den etwas zu thun, wenn er nicht Zeit
dazu hat.
§. 330.
Weil in einer poſitiven Gemeinſchaft
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/238>, abgerufen am 27.11.2024.
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