Weil aber der Mensch so lange kein Recht zu dem hat, was ein anderer thut, als der an- dere nichts wieder sein vollkommenes Recht unternimmet (§. 76. 78.), folglich kein Recht einen zu strafen, als bloß denjenigen, wel- cher ihn beleidiget hat (§. 93.); so hat auch der Mensch von Natur kein Recht, die Verdunckelung der Ehre Gottes und die Gotteslästerung zu strafen: in so fern er aber doch besorgt seyn muß, daß er andere zur Erkenntnis Gottes anführet, so viel an ihm ist (§. 163.); so hat er ein Recht zu denjenigen Handlungen, wo- durch er denjenigen, der die Ehre Got- tes verdunckelt, oder Gott gar lästert, von seiner Sünde überführen kan.
§. 167.
Die Gottseeligkeit nennt man die Tugend,Von der Gottsee- ligkeit, Gottlo- sigkeit und Heu- cheley. seine Handlungen durch Bewegungsgründe, die von den göttlichen Eigenschaften herge- nommen sind, zu bestimmen, oder die Ehre Gottes zu befördern. Wir sollen also gottseelig seyn (§. 160. 161.). Jm Ge- gentheil ist die Gottlosigkeit das Laster, da einer seine Handlungen nicht nach dem Willen Gottes einrichten will. Die Gott- losigkeit ist also durch das natürliche Gesetze verbothen (§. 164. 51.). Die Heucheley ist eine verstellte Gottseeligkeit, wenn nämlich bloß die äusseren Handlungen, als da sind die Worte, Stimme, Minen und Gebehrden, den Schein der Gottseeligkeit
haben,
G 5
gegen Gott.
Weil aber der Menſch ſo lange kein Recht zu dem hat, was ein anderer thut, als der an- dere nichts wieder ſein vollkommenes Recht unternimmet (§. 76. 78.), folglich kein Recht einen zu ſtrafen, als bloß denjenigen, wel- cher ihn beleidiget hat (§. 93.); ſo hat auch der Menſch von Natur kein Recht, die Verdunckelung der Ehre Gottes und die Gotteslaͤſterung zu ſtrafen: in ſo fern er aber doch beſorgt ſeyn muß, daß er andere zur Erkenntnis Gottes anfuͤhret, ſo viel an ihm iſt (§. 163.); ſo hat er ein Recht zu denjenigen Handlungen, wo- durch er denjenigen, der die Ehre Got- tes verdunckelt, oder Gott gar laͤſtert, von ſeiner Suͤnde uͤberfuͤhren kan.
§. 167.
Die Gottſeeligkeit nennt man die Tugend,Von der Gottſee- ligkeit, Gottlo- ſigkeit und Heu- cheley. ſeine Handlungen durch Bewegungsgruͤnde, die von den goͤttlichen Eigenſchaften herge- nommen ſind, zu beſtimmen, oder die Ehre Gottes zu befoͤrdern. Wir ſollen alſo gottſeelig ſeyn (§. 160. 161.). Jm Ge- gentheil iſt die Gottloſigkeit das Laſter, da einer ſeine Handlungen nicht nach dem Willen Gottes einrichten will. Die Gott- loſigkeit iſt alſo durch das natuͤrliche Geſetze verbothen (§. 164. 51.). Die Heucheley iſt eine verſtellte Gottſeeligkeit, wenn naͤmlich bloß die aͤuſſeren Handlungen, als da ſind die Worte, Stimme, Minen und Gebehrden, den Schein der Gottſeeligkeit
haben,
G 5
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gegen Gott.
Weil aber der Menſch ſo lange kein Recht zu
dem hat, was ein anderer thut, als der an-
dere nichts wieder ſein vollkommenes Recht
unternimmet (§. 76. 78.), folglich kein Recht
einen zu ſtrafen, als bloß denjenigen, wel-
cher ihn beleidiget hat (§. 93.); ſo hat auch
der Menſch von Natur kein Recht,
die Verdunckelung der Ehre Gottes
und die Gotteslaͤſterung zu ſtrafen:
in ſo fern er aber doch beſorgt ſeyn muß, daß
er andere zur Erkenntnis Gottes anfuͤhret,
ſo viel an ihm iſt (§. 163.); ſo hat er ein
Recht zu denjenigen Handlungen, wo-
durch er denjenigen, der die Ehre Got-
tes verdunckelt, oder Gott gar laͤſtert,
von ſeiner Suͤnde uͤberfuͤhren kan.
§. 167.
Die Gottſeeligkeit nennt man die Tugend,
ſeine Handlungen durch Bewegungsgruͤnde,
die von den goͤttlichen Eigenſchaften herge-
nommen ſind, zu beſtimmen, oder die Ehre
Gottes zu befoͤrdern. Wir ſollen alſo
gottſeelig ſeyn (§. 160. 161.). Jm Ge-
gentheil iſt die Gottloſigkeit das Laſter,
da einer ſeine Handlungen nicht nach dem
Willen Gottes einrichten will. Die Gott-
loſigkeit iſt alſo durch das natuͤrliche
Geſetze verbothen (§. 164. 51.). Die
Heucheley iſt eine verſtellte Gottſeeligkeit,
wenn naͤmlich bloß die aͤuſſeren Handlungen,
als da ſind die Worte, Stimme, Minen und
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Von der
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ligkeit,
Gottlo-
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und Heu-
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/141>, abgerufen am 21.11.2024.
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