die wiedrigen Zufälle, die nicht in unserer Gewalt stehen, als Dinge an- sehen, die geschehen und von uns nicht vermieden werden können. Und hierin bestehet die Zubereitung auf die zukünf- tigen Fälle.
§. 131.
Da die natürliche Verbindlichkeit so noth-Von der Vermei- dung der Gefahr. wendig ist (§. 38.), daß kein Mensch von derselben befreyt werden kann (§. 42.); so muß sich kein Mensch durch die Furcht eines Uebels abschrecken lassen, das zu thun, was dem Gesetze der Natur gemäß ist; sich auch nichts zu thun be- wegen lassen, was dem Gesetze der Natur zuwieder ist. Weil wir aber auch alle Gefahr von uns und unserem Zustande abwenden sollen (§. 43.); so muß auch nie- mand, wenn ihn keine Verbindlichkeit dazu antreibt, sich in Gefahr begeben, z. E. das Leben oder gesunde Gliedmassen zu verliehren, oder seinen Zustand unvollkom- mener zu machen. Was man in einem be- sondern Falle zu thun hat, lehrt die Ausnah- me, die man machen muß, wenn Pflichten nicht zugleich beobachtet werden können (§. 64.).
§. 132.
Die Selbstliebe(amor proprius) ist dieVon der Selbst- liebe und ihrer Be- weisung. Beschaffenheit des Gemüths, aus seiner eige- nen Glückseeligkeit ein Vergnügen zu empfin- den. Die Ausübung derselben(dilectio sui) ist ein beständiger und dauernder Wille,
mit
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des Menſchen gegen ſich ſelbſt.
die wiedrigen Zufaͤlle, die nicht in unſerer Gewalt ſtehen, als Dinge an- ſehen, die geſchehen und von uns nicht vermieden werden koͤnnen. Und hierin beſtehet die Zubereitung auf die zukuͤnf- tigen Faͤlle.
§. 131.
Da die natuͤrliche Verbindlichkeit ſo noth-Von der Vermei- dung der Gefahr. wendig iſt (§. 38.), daß kein Menſch von derſelben befreyt werden kann (§. 42.); ſo muß ſich kein Menſch durch die Furcht eines Uebels abſchrecken laſſen, das zu thun, was dem Geſetze der Natur gemaͤß iſt; ſich auch nichts zu thun be- wegen laſſen, was dem Geſetze der Natur zuwieder iſt. Weil wir aber auch alle Gefahr von uns und unſerem Zuſtande abwenden ſollen (§. 43.); ſo muß auch nie- mand, wenn ihn keine Verbindlichkeit dazu antreibt, ſich in Gefahr begeben, z. E. das Leben oder geſunde Gliedmaſſen zu verliehren, oder ſeinen Zuſtand unvollkom- mener zu machen. Was man in einem be- ſondern Falle zu thun hat, lehrt die Ausnah- me, die man machen muß, wenn Pflichten nicht zugleich beobachtet werden koͤnnen (§. 64.).
§. 132.
Die Selbſtliebe(amor proprius) iſt dieVon der Selbſt- liebe und ihrer Be- weiſung. Beſchaffenheit des Gemuͤths, aus ſeiner eige- nen Gluͤckſeeligkeit ein Vergnuͤgen zu empfin- den. Die Ausuͤbung derſelben(dilectio ſui) iſt ein beſtaͤndiger und dauernder Wille,
mit
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des Menſchen gegen ſich ſelbſt.
die wiedrigen Zufaͤlle, die nicht in
unſerer Gewalt ſtehen, als Dinge an-
ſehen, die geſchehen und von uns nicht
vermieden werden koͤnnen. Und hierin
beſtehet die Zubereitung auf die zukuͤnf-
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§. 131.
Da die natuͤrliche Verbindlichkeit ſo noth-
wendig iſt (§. 38.), daß kein Menſch von
derſelben befreyt werden kann (§. 42.); ſo
muß ſich kein Menſch durch die Furcht
eines Uebels abſchrecken laſſen, das zu
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gemaͤß iſt; ſich auch nichts zu thun be-
wegen laſſen, was dem Geſetze der
Natur zuwieder iſt. Weil wir aber auch
alle Gefahr von uns und unſerem Zuſtande
abwenden ſollen (§. 43.); ſo muß auch nie-
mand, wenn ihn keine Verbindlichkeit
dazu antreibt, ſich in Gefahr begeben,
z. E. das Leben oder geſunde Gliedmaſſen zu
verliehren, oder ſeinen Zuſtand unvollkom-
mener zu machen. Was man in einem be-
ſondern Falle zu thun hat, lehrt die Ausnah-
me, die man machen muß, wenn Pflichten
nicht zugleich beobachtet werden koͤnnen (§. 64.).
Von der
Vermei-
dung der
Gefahr.
§. 132.
Die Selbſtliebe (amor proprius) iſt die
Beſchaffenheit des Gemuͤths, aus ſeiner eige-
nen Gluͤckſeeligkeit ein Vergnuͤgen zu empfin-
den. Die Ausuͤbung derſelben (dilectio
ſui) iſt ein beſtaͤndiger und dauernder Wille,
mit
Von der
Selbſt-
liebe und
ihrer Be-
weiſung.
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/121>, abgerufen am 23.11.2024.
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