bindlichkeiten, und durch erworbene Rechte, aber allein nach dem Gesetze der Natur be- stimt wird. Den urspringlichen Zustand hat also der Mensch von der Natur allein, den entstandenen aber nur durch eine dazu gekommene menschliche Handlung. Es ist auch leicht erweißlich, daß der Friede zum ursprünglichen Zustande gehöre (§. 99.), der Krieg aber zu dem dazu gekommen (§. 96.), und weil die Absicht bey dem Kriege ist, ein Unrecht, als welches die Ursache desselben, zu vermeiden, oder zu wenden (§. 98.); so ist der Krieg natürlicher weise des Friedens wegen erlaubt (§. 99.); folg- lich muß man den Krieg nicht führen, als des Friedens wegen. Denn Krieg führen ist nichts anders, als durch Gewalt streiten. Damit man aber nicht in der Unter- scheidung des ursprünglichen Zustandes von dem entstandenen zuweilen zweifle; so muß man mercken, daß der Mensch im ursprüng- lichen Zustande an und vor sich selbst ein Recht haben könne, dessen Ausübung aber nicht anders, als in dem entstandenen statt fin- det, in so weit nämlich die Handlung eines andern macht, daß es statt finden kann. Ein Exempel finden wir in dem Rechte uns zu wehren, oder zu vertheidigen, und dem Rech- te zu strafen, wenn wir den Ursprung von bey- den genauer untersuchen.
Das
I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. ꝛc.
bindlichkeiten, und durch erworbene Rechte, aber allein nach dem Geſetze der Natur be- ſtimt wird. Den urſpringlichen Zuſtand hat alſo der Menſch von der Natur allein, den entſtandenen aber nur durch eine dazu gekommene menſchliche Handlung. Es iſt auch leicht erweißlich, daß der Friede zum urſpruͤnglichen Zuſtande gehoͤre (§. 99.), der Krieg aber zu dem dazu gekommen (§. 96.), und weil die Abſicht bey dem Kriege iſt, ein Unrecht, als welches die Urſache deſſelben, zu vermeiden, oder zu wenden (§. 98.); ſo iſt der Krieg natuͤrlicher weiſe des Friedens wegen erlaubt (§. 99.); folg- lich muß man den Krieg nicht fuͤhren, als des Friedens wegen. Denn Krieg fuͤhren iſt nichts anders, als durch Gewalt ſtreiten. Damit man aber nicht in der Unter- ſcheidung des urſpruͤnglichen Zuſtandes von dem entſtandenen zuweilen zweifle; ſo muß man mercken, daß der Menſch im urſpruͤng- lichen Zuſtande an und vor ſich ſelbſt ein Recht haben koͤnne, deſſen Ausuͤbung aber nicht anders, als in dem entſtandenen ſtatt fin- det, in ſo weit naͤmlich die Handlung eines andern macht, daß es ſtatt finden kann. Ein Exempel finden wir in dem Rechte uns zu wehren, oder zu vertheidigen, und dem Rech- te zu ſtrafen, wenn wir den Urſprung von bey- den genauer unterſuchen.
Das
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I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. ꝛc.
bindlichkeiten, und durch erworbene Rechte,
aber allein nach dem Geſetze der Natur be-
ſtimt wird. Den urſpringlichen Zuſtand
hat alſo der Menſch von der Natur allein, den
entſtandenen aber nur durch eine dazu
gekommene menſchliche Handlung. Es
iſt auch leicht erweißlich, daß der Friede zum
urſpruͤnglichen Zuſtande gehoͤre (§. 99.),
der Krieg aber zu dem dazu gekommen
(§. 96.), und weil die Abſicht bey dem Kriege iſt,
ein Unrecht, als welches die Urſache deſſelben,
zu vermeiden, oder zu wenden (§. 98.); ſo
iſt der Krieg natuͤrlicher weiſe des
Friedens wegen erlaubt (§. 99.); folg-
lich muß man den Krieg nicht fuͤhren,
als des Friedens wegen. Denn Krieg
fuͤhren iſt nichts anders, als durch Gewalt
ſtreiten. Damit man aber nicht in der Unter-
ſcheidung des urſpruͤnglichen Zuſtandes von
dem entſtandenen zuweilen zweifle; ſo muß
man mercken, daß der Menſch im urſpruͤng-
lichen Zuſtande an und vor ſich ſelbſt ein
Recht haben koͤnne, deſſen Ausuͤbung aber
nicht anders, als in dem entſtandenen ſtatt fin-
det, in ſo weit naͤmlich die Handlung eines
andern macht, daß es ſtatt finden kann.
Ein Exempel finden wir in dem Rechte uns
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/100>, abgerufen am 11.12.2024.
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