Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

von der Prädelineation.
also nicht mehr, die Hypothese ist unwahr-
scheinlich,
sondern es heist, sie ist falsch.

Das will ich Jhnen nun also jetzo zeigen,
nicht in der Absicht, als wenn ich hierauf bloß
die Wahrheit bauen wollte, diese muß auf mehr
unmittelbahre und mehr in die Augen fallende
Gründe, auf Beobachtungen, die von der Sa-
che selbst hergenommen sind, nicht auf eine Reihe
von Schlüßen gebauet werden. Jch will diesen
Beweis nur im Vorbeygehen mit anführen. Die
vierfüßigen Thiere und Vögel geben ihn uns.
Diese sind alle, so lange sie noch Embryonen sind,
entweder in einem Ey, und also nicht nur in einer
Schale sondern auch in einem dicken und weichen
Wesen, oder aber in Häuten und mit diesen im
Utero enthalten, und folglich für äußerliche Be-
schädigungen sicher. Wenn nun also, wie ich
sage, die Natur bey der Einwickelung der jüngern
Theile keine andere Absicht hat, als die Erhaltung
derselben, so wird bey den Thieren diese Einwicke-
lung der jüngern in ältere Theile nicht nöthig seyn,
und da die Natur nichts umsonst thut, so muß sie
bey denselben nicht statt finden. Sie findet aber
auch in der That nicht nur nicht statt, sondern sie
findet auch so sehr nicht statt, daß, gleichsam als
wenn die Natur gegen meinen Antagonisten sich
recht eigensinnig bezeigen wollte, vielmehr das
Gegentheil geschiehet; denn das Herz wird, an
statt daß es innerhalb der ältern Theile herfürge-
bracht und organisirt werden sollte, außer dem

Leibe
D 3

von der Praͤdelineation.
alſo nicht mehr, die Hypotheſe iſt unwahr-
ſcheinlich,
ſondern es heiſt, ſie iſt falſch.

Das will ich Jhnen nun alſo jetzo zeigen,
nicht in der Abſicht, als wenn ich hierauf bloß
die Wahrheit bauen wollte, dieſe muß auf mehr
unmittelbahre und mehr in die Augen fallende
Gruͤnde, auf Beobachtungen, die von der Sa-
che ſelbſt hergenommen ſind, nicht auf eine Reihe
von Schluͤßen gebauet werden. Jch will dieſen
Beweis nur im Vorbeygehen mit anfuͤhren. Die
vierfuͤßigen Thiere und Voͤgel geben ihn uns.
Dieſe ſind alle, ſo lange ſie noch Embryonen ſind,
entweder in einem Ey, und alſo nicht nur in einer
Schale ſondern auch in einem dicken und weichen
Weſen, oder aber in Haͤuten und mit dieſen im
Utero enthalten, und folglich fuͤr aͤußerliche Be-
ſchaͤdigungen ſicher. Wenn nun alſo, wie ich
ſage, die Natur bey der Einwickelung der juͤngern
Theile keine andere Abſicht hat, als die Erhaltung
derſelben, ſo wird bey den Thieren dieſe Einwicke-
lung der juͤngern in aͤltere Theile nicht noͤthig ſeyn,
und da die Natur nichts umſonſt thut, ſo muß ſie
bey denſelben nicht ſtatt finden. Sie findet aber
auch in der That nicht nur nicht ſtatt, ſondern ſie
findet auch ſo ſehr nicht ſtatt, daß, gleichſam als
wenn die Natur gegen meinen Antagoniſten ſich
recht eigenſinnig bezeigen wollte, vielmehr das
Gegentheil geſchiehet; denn das Herz wird, an
ſtatt daß es innerhalb der aͤltern Theile herfuͤrge-
bracht und organiſirt werden ſollte, außer dem

Leibe
D 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0075" n="53"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von der Pra&#x0364;delineation.</hi></fw><lb/>
al&#x017F;o nicht mehr, <hi rendition="#fr">die Hypothe&#x017F;e i&#x017F;t unwahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich,</hi> &#x017F;ondern es hei&#x017F;t, <hi rendition="#fr">&#x017F;ie i&#x017F;t fal&#x017F;ch.</hi></p><lb/>
            <p>Das will ich Jhnen nun al&#x017F;o jetzo zeigen,<lb/>
nicht in der Ab&#x017F;icht, als wenn ich hierauf bloß<lb/>
die Wahrheit bauen wollte, die&#x017F;e muß auf mehr<lb/>
unmittelbahre und mehr in die Augen fallende<lb/>
Gru&#x0364;nde, auf Beobachtungen, die von der Sa-<lb/>
che &#x017F;elb&#x017F;t hergenommen &#x017F;ind, nicht auf eine Reihe<lb/>
von Schlu&#x0364;ßen gebauet werden. Jch will die&#x017F;en<lb/>
Beweis nur im Vorbeygehen mit anfu&#x0364;hren. Die<lb/>
vierfu&#x0364;ßigen Thiere und Vo&#x0364;gel geben ihn uns.<lb/>
Die&#x017F;e &#x017F;ind alle, &#x017F;o lange &#x017F;ie noch Embryonen &#x017F;ind,<lb/>
entweder in einem Ey, und al&#x017F;o nicht nur in einer<lb/>
Schale &#x017F;ondern auch in einem dicken und weichen<lb/>
We&#x017F;en, oder aber in Ha&#x0364;uten und mit die&#x017F;en im<lb/><hi rendition="#aq">Utero</hi> enthalten, und folglich fu&#x0364;r a&#x0364;ußerliche Be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;digungen &#x017F;icher. Wenn nun al&#x017F;o, wie ich<lb/>
&#x017F;age, die Natur bey der Einwickelung der ju&#x0364;ngern<lb/>
Theile keine andere Ab&#x017F;icht hat, als die Erhaltung<lb/>
der&#x017F;elben, &#x017F;o wird bey den Thieren die&#x017F;e Einwicke-<lb/>
lung der ju&#x0364;ngern in a&#x0364;ltere Theile nicht no&#x0364;thig &#x017F;eyn,<lb/>
und da die Natur nichts um&#x017F;on&#x017F;t thut, &#x017F;o muß &#x017F;ie<lb/>
bey den&#x017F;elben nicht &#x017F;tatt finden. Sie findet aber<lb/>
auch in der That nicht nur nicht &#x017F;tatt, &#x017F;ondern &#x017F;ie<lb/>
findet auch &#x017F;o &#x017F;ehr nicht &#x017F;tatt, daß, gleich&#x017F;am als<lb/>
wenn die Natur gegen meinen Antagoni&#x017F;ten &#x017F;ich<lb/>
recht eigen&#x017F;innig bezeigen wollte, vielmehr das<lb/>
Gegentheil ge&#x017F;chiehet; denn das Herz wird, an<lb/>
&#x017F;tatt daß es innerhalb der a&#x0364;ltern Theile herfu&#x0364;rge-<lb/>
bracht und organi&#x017F;irt werden &#x017F;ollte, außer dem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Leibe</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0075] von der Praͤdelineation. alſo nicht mehr, die Hypotheſe iſt unwahr- ſcheinlich, ſondern es heiſt, ſie iſt falſch. Das will ich Jhnen nun alſo jetzo zeigen, nicht in der Abſicht, als wenn ich hierauf bloß die Wahrheit bauen wollte, dieſe muß auf mehr unmittelbahre und mehr in die Augen fallende Gruͤnde, auf Beobachtungen, die von der Sa- che ſelbſt hergenommen ſind, nicht auf eine Reihe von Schluͤßen gebauet werden. Jch will dieſen Beweis nur im Vorbeygehen mit anfuͤhren. Die vierfuͤßigen Thiere und Voͤgel geben ihn uns. Dieſe ſind alle, ſo lange ſie noch Embryonen ſind, entweder in einem Ey, und alſo nicht nur in einer Schale ſondern auch in einem dicken und weichen Weſen, oder aber in Haͤuten und mit dieſen im Utero enthalten, und folglich fuͤr aͤußerliche Be- ſchaͤdigungen ſicher. Wenn nun alſo, wie ich ſage, die Natur bey der Einwickelung der juͤngern Theile keine andere Abſicht hat, als die Erhaltung derſelben, ſo wird bey den Thieren dieſe Einwicke- lung der juͤngern in aͤltere Theile nicht noͤthig ſeyn, und da die Natur nichts umſonſt thut, ſo muß ſie bey denſelben nicht ſtatt finden. Sie findet aber auch in der That nicht nur nicht ſtatt, ſondern ſie findet auch ſo ſehr nicht ſtatt, daß, gleichſam als wenn die Natur gegen meinen Antagoniſten ſich recht eigenſinnig bezeigen wollte, vielmehr das Gegentheil geſchiehet; denn das Herz wird, an ſtatt daß es innerhalb der aͤltern Theile herfuͤrge- bracht und organiſirt werden ſollte, außer dem Leibe D 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/75
Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/75>, abgerufen am 23.11.2024.