Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
Hypothesen von der Generation.

Die allerlustigste Art zu erklären aber ist die,
da man, um eine Sache zu erklären, eben diesel-
be Sache wieder sagt, und sie nur mit andern
Worten ausdrückt. Hievon muß ich Jhnen wie-
der ein Exempel, und zwar aus dem Greew an-
führen; denn Sie werden mir alsdenn desto eher
glauben, daß seine Nachfolger es nicht besser ge-
macht haben. Greew will, Seite 123 erklären,
warum bey einigen Pflanzen die Blätter länglicht
werden und warum andere hingegen runde Blätter
bekommen. Das ist so leicht nicht; es hängt
mit den mehresten wesentlichen Kennzeichen der
Pflanze zusammen, und man muß daher die er-
sten Gründe der ganzen Pflanze einsehn, wenn
man von der Figur der Blätter Rechenschaft ge-
ben will. Mir ist es deswegen schwer geworden.
Greew aber wird bald fertig. Hören Sie, wie
er die Sache anfängt. Er sagt, wenn die Haupt-
Rippe des Blattes viel länger ist, als die Seiten-
Rippen, so wird das Blatt länglicht. Rund aber
wird das Blatt, wenn die Seiten-Rippen zusam-
men so lang sind wie die Haupt-Rippe. Da ha-
ben wirs! Was ist denn aber ein länglichtes
Blatt? Das ist ein Blatt, dessen Länge die Brei-
te übertrift; und was ist ein Rundes? ein Blatt
dessen Breite der Länge gleich ist. Ob Sie aber
sagen Länge des Blattes, oder die Haupt-Rippe
desselben, die allemahl das Maasstab der Länge
ist; und ob Sie die Breite des Blattes
oder die Seiten-Rippen, die eben die Brei-
te ausmachen, nennen, das ist einerley. Folg-

lich
Hypotheſen von der Generation.

Die allerluſtigſte Art zu erklaͤren aber iſt die,
da man, um eine Sache zu erklaͤren, eben dieſel-
be Sache wieder ſagt, und ſie nur mit andern
Worten ausdruͤckt. Hievon muß ich Jhnen wie-
der ein Exempel, und zwar aus dem Greew an-
fuͤhren; denn Sie werden mir alsdenn deſto eher
glauben, daß ſeine Nachfolger es nicht beſſer ge-
macht haben. Greew will, Seite 123 erklaͤren,
warum bey einigen Pflanzen die Blaͤtter laͤnglicht
werden und warum andere hingegen runde Blaͤtter
bekommen. Das iſt ſo leicht nicht; es haͤngt
mit den mehreſten weſentlichen Kennzeichen der
Pflanze zuſammen, und man muß daher die er-
ſten Gruͤnde der ganzen Pflanze einſehn, wenn
man von der Figur der Blaͤtter Rechenſchaft ge-
ben will. Mir iſt es deswegen ſchwer geworden.
Greew aber wird bald fertig. Hoͤren Sie, wie
er die Sache anfaͤngt. Er ſagt, wenn die Haupt-
Rippe des Blattes viel laͤnger iſt, als die Seiten-
Rippen, ſo wird das Blatt laͤnglicht. Rund aber
wird das Blatt, wenn die Seiten-Rippen zuſam-
men ſo lang ſind wie die Haupt-Rippe. Da ha-
ben wirs! Was iſt denn aber ein laͤnglichtes
Blatt? Das iſt ein Blatt, deſſen Laͤnge die Brei-
te uͤbertrift; und was iſt ein Rundes? ein Blatt
deſſen Breite der Laͤnge gleich iſt. Ob Sie aber
ſagen Laͤnge des Blattes, oder die Haupt-Rippe
deſſelben, die allemahl das Maasſtab der Laͤnge
iſt; und ob Sie die Breite des Blattes
oder die Seiten-Rippen, die eben die Brei-
te ausmachen, nennen, das iſt einerley. Folg-

lich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0045" n="23"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Hypothe&#x017F;en von der Generation.</hi> </fw><lb/>
          <p>Die allerlu&#x017F;tig&#x017F;te Art zu erkla&#x0364;ren aber i&#x017F;t die,<lb/>
da man, um eine Sache zu erkla&#x0364;ren, eben die&#x017F;el-<lb/>
be Sache wieder &#x017F;agt, und &#x017F;ie nur mit andern<lb/>
Worten ausdru&#x0364;ckt. Hievon muß ich Jhnen wie-<lb/>
der ein Exempel, und zwar aus dem <hi rendition="#fr">Greew</hi> an-<lb/>
fu&#x0364;hren; denn Sie werden mir alsdenn de&#x017F;to eher<lb/>
glauben, daß &#x017F;eine Nachfolger es nicht be&#x017F;&#x017F;er ge-<lb/>
macht haben. <hi rendition="#fr">Greew</hi> will, Seite 123 erkla&#x0364;ren,<lb/>
warum bey einigen Pflanzen die Bla&#x0364;tter la&#x0364;nglicht<lb/>
werden und warum andere hingegen runde Bla&#x0364;tter<lb/>
bekommen. Das i&#x017F;t &#x017F;o leicht nicht; es ha&#x0364;ngt<lb/>
mit den mehre&#x017F;ten we&#x017F;entlichen Kennzeichen der<lb/>
Pflanze zu&#x017F;ammen, und man muß daher die er-<lb/>
&#x017F;ten Gru&#x0364;nde der ganzen Pflanze ein&#x017F;ehn, wenn<lb/>
man von der Figur der Bla&#x0364;tter Rechen&#x017F;chaft ge-<lb/>
ben will. Mir i&#x017F;t es deswegen &#x017F;chwer geworden.<lb/><hi rendition="#fr">Greew</hi> aber wird bald fertig. Ho&#x0364;ren Sie, wie<lb/>
er die Sache anfa&#x0364;ngt. Er &#x017F;agt, wenn die Haupt-<lb/>
Rippe des Blattes viel la&#x0364;nger i&#x017F;t, als die Seiten-<lb/>
Rippen, &#x017F;o wird das Blatt la&#x0364;nglicht. Rund aber<lb/>
wird das Blatt, wenn die Seiten-Rippen zu&#x017F;am-<lb/>
men &#x017F;o lang &#x017F;ind wie die Haupt-Rippe. Da ha-<lb/>
ben wirs! Was i&#x017F;t denn aber ein la&#x0364;nglichtes<lb/>
Blatt? Das i&#x017F;t ein Blatt, de&#x017F;&#x017F;en La&#x0364;nge die Brei-<lb/>
te u&#x0364;bertrift; und was i&#x017F;t ein Rundes? ein Blatt<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Breite der La&#x0364;nge gleich i&#x017F;t. Ob Sie aber<lb/>
&#x017F;agen La&#x0364;nge des Blattes, oder die Haupt-Rippe<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben, die allemahl das Maas&#x017F;tab der La&#x0364;nge<lb/>
i&#x017F;t; und ob Sie die Breite des Blattes<lb/>
oder die Seiten-Rippen, die eben die Brei-<lb/>
te ausmachen, nennen, das i&#x017F;t einerley. Folg-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0045] Hypotheſen von der Generation. Die allerluſtigſte Art zu erklaͤren aber iſt die, da man, um eine Sache zu erklaͤren, eben dieſel- be Sache wieder ſagt, und ſie nur mit andern Worten ausdruͤckt. Hievon muß ich Jhnen wie- der ein Exempel, und zwar aus dem Greew an- fuͤhren; denn Sie werden mir alsdenn deſto eher glauben, daß ſeine Nachfolger es nicht beſſer ge- macht haben. Greew will, Seite 123 erklaͤren, warum bey einigen Pflanzen die Blaͤtter laͤnglicht werden und warum andere hingegen runde Blaͤtter bekommen. Das iſt ſo leicht nicht; es haͤngt mit den mehreſten weſentlichen Kennzeichen der Pflanze zuſammen, und man muß daher die er- ſten Gruͤnde der ganzen Pflanze einſehn, wenn man von der Figur der Blaͤtter Rechenſchaft ge- ben will. Mir iſt es deswegen ſchwer geworden. Greew aber wird bald fertig. Hoͤren Sie, wie er die Sache anfaͤngt. Er ſagt, wenn die Haupt- Rippe des Blattes viel laͤnger iſt, als die Seiten- Rippen, ſo wird das Blatt laͤnglicht. Rund aber wird das Blatt, wenn die Seiten-Rippen zuſam- men ſo lang ſind wie die Haupt-Rippe. Da ha- ben wirs! Was iſt denn aber ein laͤnglichtes Blatt? Das iſt ein Blatt, deſſen Laͤnge die Brei- te uͤbertrift; und was iſt ein Rundes? ein Blatt deſſen Breite der Laͤnge gleich iſt. Ob Sie aber ſagen Laͤnge des Blattes, oder die Haupt-Rippe deſſelben, die allemahl das Maasſtab der Laͤnge iſt; und ob Sie die Breite des Blattes oder die Seiten-Rippen, die eben die Brei- te ausmachen, nennen, das iſt einerley. Folg- lich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/45
Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/45>, abgerufen am 27.11.2024.