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Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

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Anhang.
Bewegung nicht sehn können; so antworte ich;
wenn mir das Herz einmahl seiner Durchsichtig-
keit oder Kleinheit oder anderer Umstände wegen
nicht unsichtbar ist, wenn ich es einmahl genau sehn,
und seinen Umfang genau unterscheiden kann, wie
ich es denn, so oft ich es gesehn habe, allemahlsehr
genau gesehn habe, (denn man sieht es entweder sehr
deutlich oder ganz und gar nicht,) so ist es unmög-
lich, daß mir seine Bewegung, wenn es eine hat,
verborgen bleiben sollte. Jch werde ja sehn, ob
sein Umfang, den ich so genau sehe, immer der
nemliche bleibt, oder ob er wechselsweise größer und
kleiner wird; ob er seinen Ort, den er einnimmt,
steif und fest behält, oder ihn verändert. Allein
gesetzt, das alles wäre nicht, und das Herz, wel-
ches ich ruhig stille liegen sehe, bewegte sich den-
noch; so sehe ich aber auch, daß die erste Bewe-
gung des Herzens, wenn ich sie würklich sehe, noch
nicht so beschaffen ist, daß dadurch das Blut fort-
getrieben werden könnte. Sollte dieses alles noch
nicht hinlänglich seyn, meine Theorie von der we-
sentlichen Kraft, von der allmähligen Formation
der Theile, und der allmähligen Erlangung ihrer
Eigenschaften, die sie im Erwachsenen haben müs-
sen (die wesentliche Kraft nur ausgenommen) zu
beweisen? Jch will die ganze Sache der Beur-
theilung des Herren von Hallers überlassen; nur
eine eintzige Anmerkung will ich hierbey noch
machen.

Jm Erwachsenen trägt das Herz zur Nutri-
tion gewiß sehr vieles bey, und ohne demselben

würde

Anhang.
Bewegung nicht ſehn koͤnnen; ſo antworte ich;
wenn mir das Herz einmahl ſeiner Durchſichtig-
keit oder Kleinheit oder anderer Umſtaͤnde wegen
nicht unſichtbar iſt, wenn ich es einmahl genau ſehn,
und ſeinen Umfang genau unterſcheiden kann, wie
ich es denn, ſo oft ich es geſehn habe, allemahlſehr
genau geſehn habe, (denn man ſieht es entweder ſehr
deutlich oder ganz und gar nicht,) ſo iſt es unmoͤg-
lich, daß mir ſeine Bewegung, wenn es eine hat,
verborgen bleiben ſollte. Jch werde ja ſehn, ob
ſein Umfang, den ich ſo genau ſehe, immer der
nemliche bleibt, oder ob er wechſelsweiſe groͤßer und
kleiner wird; ob er ſeinen Ort, den er einnimmt,
ſteif und feſt behaͤlt, oder ihn veraͤndert. Allein
geſetzt, das alles waͤre nicht, und das Herz, wel-
ches ich ruhig ſtille liegen ſehe, bewegte ſich den-
noch; ſo ſehe ich aber auch, daß die erſte Bewe-
gung des Herzens, wenn ich ſie wuͤrklich ſehe, noch
nicht ſo beſchaffen iſt, daß dadurch das Blut fort-
getrieben werden koͤnnte. Sollte dieſes alles noch
nicht hinlaͤnglich ſeyn, meine Theorie von der we-
ſentlichen Kraft, von der allmaͤhligen Formation
der Theile, und der allmaͤhligen Erlangung ihrer
Eigenſchaften, die ſie im Erwachſenen haben muͤſ-
ſen (die weſentliche Kraft nur ausgenommen) zu
beweiſen? Jch will die ganze Sache der Beur-
theilung des Herren von Hallers uͤberlaſſen; nur
eine eintzige Anmerkung will ich hierbey noch
machen.

Jm Erwachſenen traͤgt das Herz zur Nutri-
tion gewiß ſehr vieles bey, und ohne demſelben

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[270/0292] Anhang. Bewegung nicht ſehn koͤnnen; ſo antworte ich; wenn mir das Herz einmahl ſeiner Durchſichtig- keit oder Kleinheit oder anderer Umſtaͤnde wegen nicht unſichtbar iſt, wenn ich es einmahl genau ſehn, und ſeinen Umfang genau unterſcheiden kann, wie ich es denn, ſo oft ich es geſehn habe, allemahlſehr genau geſehn habe, (denn man ſieht es entweder ſehr deutlich oder ganz und gar nicht,) ſo iſt es unmoͤg- lich, daß mir ſeine Bewegung, wenn es eine hat, verborgen bleiben ſollte. Jch werde ja ſehn, ob ſein Umfang, den ich ſo genau ſehe, immer der nemliche bleibt, oder ob er wechſelsweiſe groͤßer und kleiner wird; ob er ſeinen Ort, den er einnimmt, ſteif und feſt behaͤlt, oder ihn veraͤndert. Allein geſetzt, das alles waͤre nicht, und das Herz, wel- ches ich ruhig ſtille liegen ſehe, bewegte ſich den- noch; ſo ſehe ich aber auch, daß die erſte Bewe- gung des Herzens, wenn ich ſie wuͤrklich ſehe, noch nicht ſo beſchaffen iſt, daß dadurch das Blut fort- getrieben werden koͤnnte. Sollte dieſes alles noch nicht hinlaͤnglich ſeyn, meine Theorie von der we- ſentlichen Kraft, von der allmaͤhligen Formation der Theile, und der allmaͤhligen Erlangung ihrer Eigenſchaften, die ſie im Erwachſenen haben muͤſ- ſen (die weſentliche Kraft nur ausgenommen) zu beweiſen? Jch will die ganze Sache der Beur- theilung des Herren von Hallers uͤberlaſſen; nur eine eintzige Anmerkung will ich hierbey noch machen. Jm Erwachſenen traͤgt das Herz zur Nutri- tion gewiß ſehr vieles bey, und ohne demſelben wuͤrde

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Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/292>, abgerufen am 22.11.2024.