Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

auch ihr Nachbar widerstand diesem Zauber nicht immer, obwohl er demselben nur dann nachzugeben pflegte, wenn Niemand ihn seiner Meinung nach beachtete. -- Neben dieser anmuthigen Blondine erblickte man die Tochter des Hauses, welche wiederum als Gegenstück ihrer Nachbarin betrachtet werden konnte. Sophie Steffano hatte das schwarze Haar, die edle Gestalt, welche ihre Familie auszeichnete, aber unter der schönen Stirn blickten tiefblaue Augen hervor, deren Ausdruck zugleich lebhaft und rührend war. Sie sah zuweilen zu ihrem Vetter hin, der ihr gegenüber saß, und dessen Augen sie oft mit Blitzesschnelle trafen, aber in diesem Anblicken lag nichts von der zutraulichen Unbefangenheit verwandtschaftlichen Verhältnisses.

Diese fünf Personen bildeten das Gemälde, den Rahmen dazu ein Zimmer, dessen schöne Anordnung auf Geschmack und die gediegene Eleganz wohl angewendeten Reichthums deutete. -- Herr Steffano hatte die Zeitung flüchtig durchgesehen und sagte jetzt, nicht ohne leisen Anflug von Ironie und mit Hinblick auf seinen Neffen, der eine unangezündete Cigarre spielend zwischen den Fingern bewegte: Ich freue mich zu sehr, wie mehr und mehr die Gesinnung der Damen sich dir beifällig zuwendet, denn schwerlich würde Sophie früher an die Möglichkeit geglaubt haben, daß man in ihrem Heiligthume rauchen dürfe. Sophie erröthete, ihr Blick begegnete flüchtig dem ihres Vetters, welcher die Hand über die Augen legte und nach einer kleinen Pause mit

auch ihr Nachbar widerstand diesem Zauber nicht immer, obwohl er demselben nur dann nachzugeben pflegte, wenn Niemand ihn seiner Meinung nach beachtete. — Neben dieser anmuthigen Blondine erblickte man die Tochter des Hauses, welche wiederum als Gegenstück ihrer Nachbarin betrachtet werden konnte. Sophie Steffano hatte das schwarze Haar, die edle Gestalt, welche ihre Familie auszeichnete, aber unter der schönen Stirn blickten tiefblaue Augen hervor, deren Ausdruck zugleich lebhaft und rührend war. Sie sah zuweilen zu ihrem Vetter hin, der ihr gegenüber saß, und dessen Augen sie oft mit Blitzesschnelle trafen, aber in diesem Anblicken lag nichts von der zutraulichen Unbefangenheit verwandtschaftlichen Verhältnisses.

Diese fünf Personen bildeten das Gemälde, den Rahmen dazu ein Zimmer, dessen schöne Anordnung auf Geschmack und die gediegene Eleganz wohl angewendeten Reichthums deutete. — Herr Steffano hatte die Zeitung flüchtig durchgesehen und sagte jetzt, nicht ohne leisen Anflug von Ironie und mit Hinblick auf seinen Neffen, der eine unangezündete Cigarre spielend zwischen den Fingern bewegte: Ich freue mich zu sehr, wie mehr und mehr die Gesinnung der Damen sich dir beifällig zuwendet, denn schwerlich würde Sophie früher an die Möglichkeit geglaubt haben, daß man in ihrem Heiligthume rauchen dürfe. Sophie erröthete, ihr Blick begegnete flüchtig dem ihres Vetters, welcher die Hand über die Augen legte und nach einer kleinen Pause mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0009"/>
auch ihr Nachbar widerstand diesem Zauber nicht immer,      obwohl er demselben nur dann nachzugeben pflegte, wenn Niemand ihn seiner Meinung nach      beachtete. &#x2014; Neben dieser anmuthigen Blondine erblickte man die Tochter des Hauses, welche      wiederum als Gegenstück ihrer Nachbarin betrachtet werden konnte. Sophie Steffano hatte das      schwarze Haar, die edle Gestalt, welche ihre Familie auszeichnete, aber unter der schönen Stirn      blickten tiefblaue Augen hervor, deren Ausdruck zugleich lebhaft und rührend war. Sie sah      zuweilen zu ihrem Vetter hin, der ihr gegenüber saß, und dessen Augen sie oft mit      Blitzesschnelle trafen, aber in diesem Anblicken lag nichts von der zutraulichen Unbefangenheit      verwandtschaftlichen Verhältnisses.</p><lb/>
        <p>Diese fünf Personen bildeten das Gemälde, den Rahmen dazu ein Zimmer, dessen schöne Anordnung      auf Geschmack und die gediegene Eleganz wohl angewendeten Reichthums deutete. &#x2014; Herr Steffano      hatte die Zeitung flüchtig durchgesehen und sagte jetzt, nicht ohne leisen Anflug von Ironie      und mit Hinblick auf seinen Neffen, der eine unangezündete Cigarre spielend zwischen den      Fingern bewegte: Ich freue mich zu sehr, wie mehr und mehr die Gesinnung der Damen sich dir      beifällig zuwendet, denn schwerlich würde Sophie früher an die Möglichkeit geglaubt haben, daß      man in ihrem Heiligthume rauchen dürfe. Sophie erröthete, ihr Blick begegnete flüchtig dem      ihres Vetters, welcher die Hand über die Augen legte und nach einer kleinen Pause mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0009] auch ihr Nachbar widerstand diesem Zauber nicht immer, obwohl er demselben nur dann nachzugeben pflegte, wenn Niemand ihn seiner Meinung nach beachtete. — Neben dieser anmuthigen Blondine erblickte man die Tochter des Hauses, welche wiederum als Gegenstück ihrer Nachbarin betrachtet werden konnte. Sophie Steffano hatte das schwarze Haar, die edle Gestalt, welche ihre Familie auszeichnete, aber unter der schönen Stirn blickten tiefblaue Augen hervor, deren Ausdruck zugleich lebhaft und rührend war. Sie sah zuweilen zu ihrem Vetter hin, der ihr gegenüber saß, und dessen Augen sie oft mit Blitzesschnelle trafen, aber in diesem Anblicken lag nichts von der zutraulichen Unbefangenheit verwandtschaftlichen Verhältnisses. Diese fünf Personen bildeten das Gemälde, den Rahmen dazu ein Zimmer, dessen schöne Anordnung auf Geschmack und die gediegene Eleganz wohl angewendeten Reichthums deutete. — Herr Steffano hatte die Zeitung flüchtig durchgesehen und sagte jetzt, nicht ohne leisen Anflug von Ironie und mit Hinblick auf seinen Neffen, der eine unangezündete Cigarre spielend zwischen den Fingern bewegte: Ich freue mich zu sehr, wie mehr und mehr die Gesinnung der Damen sich dir beifällig zuwendet, denn schwerlich würde Sophie früher an die Möglichkeit geglaubt haben, daß man in ihrem Heiligthume rauchen dürfe. Sophie erröthete, ihr Blick begegnete flüchtig dem ihres Vetters, welcher die Hand über die Augen legte und nach einer kleinen Pause mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:52:17Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910/9
Zitationshilfe: F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910/9>, abgerufen am 24.11.2024.