F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Linken des Hausherrn, neben dem Kaminfeuer, hatte in einem bequemen Lehnsessel und in fast liegender Stellung der Neffe desselben, Herr R., sich hingestreckt, welchen man sogleich an der Familienähnlichkeit als Verwandten des Hauses erkannt haben würde. -- Im Allgemeinen glich seine Gesichtsbildung der des Oheims, obwohl diese jugendlichen Züge einen durchaus verschiedenen Ausdruck zeigten. Herrn Steffano's Augen deuteten Güte, Milde und Nachdenken an, zuweilen tiefen Ernst, niemals Härte; aus den herrlich gebildeten Augen des Neffen blickten dagegen im lebendigen, oft verletzenden Wechsel Geist, Neigung, Stolz, Mißtrauen, Strenge und Verachtung; auch der Ausdruck seines Mundes war bezeichnend, auch in seinem Lächeln war gewinnende Anmuth verborgen, aber öfter noch zeigte sich um seine Lippen ein Zug von Spott, Trotz und Mißvergnügen. Neben ihm saß ein junges Mädchen, deren blühendes, blendendes Colorit den angenehmsten Abstand zu seiner südlichen Gesichtsfarbe bildete. Man hatte oft scherzweise von diesem reizenden Wesen gesagt, daß sie ein Blumengesichtchen habe, und in der That kein Ausdruck konnte richtiger sein. Ihr blondes Haar war in reichen Flechten zierlich geordnet, und ihre fröhlichen, schalkhaften braunen Augen machten um so tieferen Eindruck, als man darauf hätte schwören mögen, diesem Gesichtchen könne nur ein blaues Augenpaar inne wohnen. Es gewährte ein liebliches, tröstliches Gefühl, so viel glückselige Jugend zu betrachten, und Linken des Hausherrn, neben dem Kaminfeuer, hatte in einem bequemen Lehnsessel und in fast liegender Stellung der Neffe desselben, Herr R., sich hingestreckt, welchen man sogleich an der Familienähnlichkeit als Verwandten des Hauses erkannt haben würde. — Im Allgemeinen glich seine Gesichtsbildung der des Oheims, obwohl diese jugendlichen Züge einen durchaus verschiedenen Ausdruck zeigten. Herrn Steffano's Augen deuteten Güte, Milde und Nachdenken an, zuweilen tiefen Ernst, niemals Härte; aus den herrlich gebildeten Augen des Neffen blickten dagegen im lebendigen, oft verletzenden Wechsel Geist, Neigung, Stolz, Mißtrauen, Strenge und Verachtung; auch der Ausdruck seines Mundes war bezeichnend, auch in seinem Lächeln war gewinnende Anmuth verborgen, aber öfter noch zeigte sich um seine Lippen ein Zug von Spott, Trotz und Mißvergnügen. Neben ihm saß ein junges Mädchen, deren blühendes, blendendes Colorit den angenehmsten Abstand zu seiner südlichen Gesichtsfarbe bildete. Man hatte oft scherzweise von diesem reizenden Wesen gesagt, daß sie ein Blumengesichtchen habe, und in der That kein Ausdruck konnte richtiger sein. Ihr blondes Haar war in reichen Flechten zierlich geordnet, und ihre fröhlichen, schalkhaften braunen Augen machten um so tieferen Eindruck, als man darauf hätte schwören mögen, diesem Gesichtchen könne nur ein blaues Augenpaar inne wohnen. Es gewährte ein liebliches, tröstliches Gefühl, so viel glückselige Jugend zu betrachten, und <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0008"/> Linken des Hausherrn, neben dem Kaminfeuer, hatte in einem bequemen Lehnsessel und in fast liegender Stellung der Neffe desselben, Herr R., sich hingestreckt, welchen man sogleich an der Familienähnlichkeit als Verwandten des Hauses erkannt haben würde. — Im Allgemeinen glich seine Gesichtsbildung der des Oheims, obwohl diese jugendlichen Züge einen durchaus verschiedenen Ausdruck zeigten. Herrn Steffano's Augen deuteten Güte, Milde und Nachdenken an, zuweilen tiefen Ernst, niemals Härte; aus den herrlich gebildeten Augen des Neffen blickten dagegen im lebendigen, oft verletzenden Wechsel Geist, Neigung, Stolz, Mißtrauen, Strenge und Verachtung; auch der Ausdruck seines Mundes war bezeichnend, auch in seinem Lächeln war gewinnende Anmuth verborgen, aber öfter noch zeigte sich um seine Lippen ein Zug von Spott, Trotz und Mißvergnügen. Neben ihm saß ein junges Mädchen, deren blühendes, blendendes Colorit den angenehmsten Abstand zu seiner südlichen Gesichtsfarbe bildete. Man hatte oft scherzweise von diesem reizenden Wesen gesagt, daß sie ein Blumengesichtchen habe, und in der That kein Ausdruck konnte richtiger sein. Ihr blondes Haar war in reichen Flechten zierlich geordnet, und ihre fröhlichen, schalkhaften braunen Augen machten um so tieferen Eindruck, als man darauf hätte schwören mögen, diesem Gesichtchen könne nur ein blaues Augenpaar inne wohnen. Es gewährte ein liebliches, tröstliches Gefühl, so viel glückselige Jugend zu betrachten, und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0008]
Linken des Hausherrn, neben dem Kaminfeuer, hatte in einem bequemen Lehnsessel und in fast liegender Stellung der Neffe desselben, Herr R., sich hingestreckt, welchen man sogleich an der Familienähnlichkeit als Verwandten des Hauses erkannt haben würde. — Im Allgemeinen glich seine Gesichtsbildung der des Oheims, obwohl diese jugendlichen Züge einen durchaus verschiedenen Ausdruck zeigten. Herrn Steffano's Augen deuteten Güte, Milde und Nachdenken an, zuweilen tiefen Ernst, niemals Härte; aus den herrlich gebildeten Augen des Neffen blickten dagegen im lebendigen, oft verletzenden Wechsel Geist, Neigung, Stolz, Mißtrauen, Strenge und Verachtung; auch der Ausdruck seines Mundes war bezeichnend, auch in seinem Lächeln war gewinnende Anmuth verborgen, aber öfter noch zeigte sich um seine Lippen ein Zug von Spott, Trotz und Mißvergnügen. Neben ihm saß ein junges Mädchen, deren blühendes, blendendes Colorit den angenehmsten Abstand zu seiner südlichen Gesichtsfarbe bildete. Man hatte oft scherzweise von diesem reizenden Wesen gesagt, daß sie ein Blumengesichtchen habe, und in der That kein Ausdruck konnte richtiger sein. Ihr blondes Haar war in reichen Flechten zierlich geordnet, und ihre fröhlichen, schalkhaften braunen Augen machten um so tieferen Eindruck, als man darauf hätte schwören mögen, diesem Gesichtchen könne nur ein blaues Augenpaar inne wohnen. Es gewährte ein liebliches, tröstliches Gefühl, so viel glückselige Jugend zu betrachten, und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T13:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T13:52:17Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |