F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Schlimmes, und daher eben wird es ihm leicht werden, mich mehr zu beglücken, als ich es erwarte. -- Die Nachrichten über deine Gesundheit betrüben mich sehr; wenn du mich recht trösten und erfreuen willst, so sage mir bald, daß es dir besser geht, und lasse mich in deinen Briefen mit dir fortleben, wie du in den meinen mit uns fortlebst. -- Emmy an Charlotte. Wenn etwas Besonderes mitzutheilen ist, so weißt du, bin ich gleich mit der Feder bereit. Wir haben, seit ich dir schrieb, den Besuch eines Jugendfreundes unseres R. gehabt, den Dieser vor allen liebt und schätzt. Er ließ sich an einem Abende melden, als eben Sternheim aus Goethe's Leben vorlas. Sophie erröthete bei Nennung des Namens und gerieth in sichtliche Befangenheit. Dieser Freund, ein Herr von Steinberg, ist dem Aeußern nach das Widerspiel von R.: groß, hochblond, mit seinen, einschmeichelnden Formen. Er begrüßte Sophien voll sichtlichen Antheils, mich höchst artig, wobei indessen ein fast unmerkliches Lächeln sich über sein Antlitz verbreitete; den Blick dann auf Sternheim gerichtet, nahte er sich Diesem höflich und betrachtete ihn mit unverkennbarer Aufmerksamkeit. Das noch aufgeschlagene Buch gab zu einer allgemeinen Unterhaltung den ersten Anlaß. Unser neuer Freund äußerte sich darüber mit eben so viel Feinheit als Kenntniß des Gegenstandes und gab dem Gespräch die geschick- Schlimmes, und daher eben wird es ihm leicht werden, mich mehr zu beglücken, als ich es erwarte. — Die Nachrichten über deine Gesundheit betrüben mich sehr; wenn du mich recht trösten und erfreuen willst, so sage mir bald, daß es dir besser geht, und lasse mich in deinen Briefen mit dir fortleben, wie du in den meinen mit uns fortlebst. — Emmy an Charlotte. Wenn etwas Besonderes mitzutheilen ist, so weißt du, bin ich gleich mit der Feder bereit. Wir haben, seit ich dir schrieb, den Besuch eines Jugendfreundes unseres R. gehabt, den Dieser vor allen liebt und schätzt. Er ließ sich an einem Abende melden, als eben Sternheim aus Goethe's Leben vorlas. Sophie erröthete bei Nennung des Namens und gerieth in sichtliche Befangenheit. Dieser Freund, ein Herr von Steinberg, ist dem Aeußern nach das Widerspiel von R.: groß, hochblond, mit seinen, einschmeichelnden Formen. Er begrüßte Sophien voll sichtlichen Antheils, mich höchst artig, wobei indessen ein fast unmerkliches Lächeln sich über sein Antlitz verbreitete; den Blick dann auf Sternheim gerichtet, nahte er sich Diesem höflich und betrachtete ihn mit unverkennbarer Aufmerksamkeit. Das noch aufgeschlagene Buch gab zu einer allgemeinen Unterhaltung den ersten Anlaß. Unser neuer Freund äußerte sich darüber mit eben so viel Feinheit als Kenntniß des Gegenstandes und gab dem Gespräch die geschick- <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0058"/> Schlimmes, und daher eben wird es ihm leicht werden, mich mehr zu beglücken, als ich es erwarte. —</p><lb/> <p>Die Nachrichten über deine Gesundheit betrüben mich sehr; wenn du mich recht trösten und erfreuen willst, so sage mir bald, daß es dir besser geht, und lasse mich in deinen Briefen mit dir fortleben, wie du in den meinen mit uns fortlebst. —</p><lb/> </div> <div type="letter"> <head>Emmy an Charlotte.</head> <p>Wenn etwas Besonderes mitzutheilen ist, so weißt du, bin ich gleich mit der Feder bereit. Wir haben, seit ich dir schrieb, den Besuch eines Jugendfreundes unseres R. gehabt, den Dieser vor allen liebt und schätzt. Er ließ sich an einem Abende melden, als eben Sternheim aus Goethe's Leben vorlas. Sophie erröthete bei Nennung des Namens und gerieth in sichtliche Befangenheit. Dieser Freund, ein Herr von Steinberg, ist dem Aeußern nach das Widerspiel von R.: groß, hochblond, mit seinen, einschmeichelnden Formen. Er begrüßte Sophien voll sichtlichen Antheils, mich höchst artig, wobei indessen ein fast unmerkliches Lächeln sich über sein Antlitz verbreitete; den Blick dann auf Sternheim gerichtet, nahte er sich Diesem höflich und betrachtete ihn mit unverkennbarer Aufmerksamkeit. Das noch aufgeschlagene Buch gab zu einer allgemeinen Unterhaltung den ersten Anlaß. Unser neuer Freund äußerte sich darüber mit eben so viel Feinheit als Kenntniß des Gegenstandes und gab dem Gespräch die geschick-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
Schlimmes, und daher eben wird es ihm leicht werden, mich mehr zu beglücken, als ich es erwarte. —
Die Nachrichten über deine Gesundheit betrüben mich sehr; wenn du mich recht trösten und erfreuen willst, so sage mir bald, daß es dir besser geht, und lasse mich in deinen Briefen mit dir fortleben, wie du in den meinen mit uns fortlebst. —
Emmy an Charlotte. Wenn etwas Besonderes mitzutheilen ist, so weißt du, bin ich gleich mit der Feder bereit. Wir haben, seit ich dir schrieb, den Besuch eines Jugendfreundes unseres R. gehabt, den Dieser vor allen liebt und schätzt. Er ließ sich an einem Abende melden, als eben Sternheim aus Goethe's Leben vorlas. Sophie erröthete bei Nennung des Namens und gerieth in sichtliche Befangenheit. Dieser Freund, ein Herr von Steinberg, ist dem Aeußern nach das Widerspiel von R.: groß, hochblond, mit seinen, einschmeichelnden Formen. Er begrüßte Sophien voll sichtlichen Antheils, mich höchst artig, wobei indessen ein fast unmerkliches Lächeln sich über sein Antlitz verbreitete; den Blick dann auf Sternheim gerichtet, nahte er sich Diesem höflich und betrachtete ihn mit unverkennbarer Aufmerksamkeit. Das noch aufgeschlagene Buch gab zu einer allgemeinen Unterhaltung den ersten Anlaß. Unser neuer Freund äußerte sich darüber mit eben so viel Feinheit als Kenntniß des Gegenstandes und gab dem Gespräch die geschick-
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