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F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mit großer Kälte anzusehen, welches aber so schlecht gelang, daß ich darüber ins Lachen kam, was natürlich einen sehr üblen Eindruck hervorbrachte. -- Mir ist, fuhr ich fort, um eine wahre, ernstliche Aussöhnung zu thun, überlege dir daher Alles recht. Sieh zu, ob du mich vergessen kannst, und wenn es dir möglich ist, dann sage es mir. Diese letzten Worte rief ich ihm scherzend zu und verließ eilfertig das Zimmer.

Wenig Menschen verstehen zur rechten Zeit Frieden zu schließen; wäre er mir nur mit einem Worte gütig entgegen gekommen, wie dankbar würde ich es erkannt und es niemals vergessen haben. Wer den Schuldigen zu tief beschämen will, raubt ihm das Gefühl seines Unrechts. -- Endlich, nach acht Tagen, ward eine herzliche Versöhnung geschlossen, und ich gab mein festes Wort, einst die Seinige werden zu wollen. R. verließ uns eben zu der Zeit, in meinen Augen standen Thränen, als er Abschied nahm, in seinem kalten, trotzigen Blick war keine Spur milder Bewegung, lag keine Rückerinnerung an Tage, die auch ihn beglückt hatten. -- Für heute muß ich schließen, am nächsten Posttage schreibe ich wieder.

Emmy an Charlotte.

Ohne weitere Einleitung setze ich meine Mittheilung fort, wo sie zuletzt endete. Bald nach R. verließ uns auch Victor. Ich gedachte seiner mit herzlicher

mit großer Kälte anzusehen, welches aber so schlecht gelang, daß ich darüber ins Lachen kam, was natürlich einen sehr üblen Eindruck hervorbrachte. — Mir ist, fuhr ich fort, um eine wahre, ernstliche Aussöhnung zu thun, überlege dir daher Alles recht. Sieh zu, ob du mich vergessen kannst, und wenn es dir möglich ist, dann sage es mir. Diese letzten Worte rief ich ihm scherzend zu und verließ eilfertig das Zimmer.

Wenig Menschen verstehen zur rechten Zeit Frieden zu schließen; wäre er mir nur mit einem Worte gütig entgegen gekommen, wie dankbar würde ich es erkannt und es niemals vergessen haben. Wer den Schuldigen zu tief beschämen will, raubt ihm das Gefühl seines Unrechts. — Endlich, nach acht Tagen, ward eine herzliche Versöhnung geschlossen, und ich gab mein festes Wort, einst die Seinige werden zu wollen. R. verließ uns eben zu der Zeit, in meinen Augen standen Thränen, als er Abschied nahm, in seinem kalten, trotzigen Blick war keine Spur milder Bewegung, lag keine Rückerinnerung an Tage, die auch ihn beglückt hatten. — Für heute muß ich schließen, am nächsten Posttage schreibe ich wieder.

Emmy an Charlotte.

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[0031] mit großer Kälte anzusehen, welches aber so schlecht gelang, daß ich darüber ins Lachen kam, was natürlich einen sehr üblen Eindruck hervorbrachte. — Mir ist, fuhr ich fort, um eine wahre, ernstliche Aussöhnung zu thun, überlege dir daher Alles recht. Sieh zu, ob du mich vergessen kannst, und wenn es dir möglich ist, dann sage es mir. Diese letzten Worte rief ich ihm scherzend zu und verließ eilfertig das Zimmer. Wenig Menschen verstehen zur rechten Zeit Frieden zu schließen; wäre er mir nur mit einem Worte gütig entgegen gekommen, wie dankbar würde ich es erkannt und es niemals vergessen haben. Wer den Schuldigen zu tief beschämen will, raubt ihm das Gefühl seines Unrechts. — Endlich, nach acht Tagen, ward eine herzliche Versöhnung geschlossen, und ich gab mein festes Wort, einst die Seinige werden zu wollen. R. verließ uns eben zu der Zeit, in meinen Augen standen Thränen, als er Abschied nahm, in seinem kalten, trotzigen Blick war keine Spur milder Bewegung, lag keine Rückerinnerung an Tage, die auch ihn beglückt hatten. — Für heute muß ich schließen, am nächsten Posttage schreibe ich wieder. Emmy an Charlotte. Ohne weitere Einleitung setze ich meine Mittheilung fort, wo sie zuletzt endete. Bald nach R. verließ uns auch Victor. Ich gedachte seiner mit herzlicher

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:52:17Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910/31>, abgerufen am 25.11.2024.