Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_047.001 Durch das Christentum wird zunächst der Sinn von der Natur pwo_047.002 "Ich zoch mir einen valken mere danne ein jar. pwo_047.011 pwo_047.014do ich in gezamete, als ich in wolte han, pwo_047.012 und ich im sein gevidere mit golde wol bewant, pwo_047.013 er huob sich auf vil hohe und floug in anderiu lant." Aehnlich träumt im Nibelungenlied Kriemhild pwo_047.015 "in tugenden, der sie pflac, pwo_047.016 pwo_047.019wie sie einen valken wilden züge manegen tac, pwo_047.017 den ir zwen arn erkrummen, daz si daz muoste sehen, pwo_047.018 ir erkunde in dirre werlde nimmer leider sein geschehen." Die Mutter vollendet ausdrücklich das Bild: pwo_047.020"Der valke, den du ziuhest, daz ist ein edel man: pwo_047.021 pwo_047.022in welle got behüeten, du muost in schiere vloren han." Zu einem andern Bilde verwendet ihn Dietmar von Aist: pwo_047.023
Weniger äußerlich verwendet Hartmann von Aue im "Erec" dasselbe pwo_047.030 "Do einz daz ander an sach, pwo_047.032
so was in beiden niht baz pwo_047.033 dann einem habech, der im sein maz pwo_047.034 von geschihten ze ougen bringet, pwo_047.035 so in der hunger twinget: pwo_047.036 und als ez im gezeiget wirt, pwo_047.037 swaz er's da für mere enbirt, pwo_047.038 da von muoz im wirs geschehen pwo_047.039 danne ob er's niht hete gesehen." pwo_047.001 Durch das Christentum wird zunächst der Sinn von der Natur pwo_047.002 „Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr. pwo_047.011 pwo_047.014dô ich in gezamete, als ich in wolte hân, pwo_047.012 und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant, pwo_047.013 er huob sich ûf vil hôhe und floug in anderiu lant.“ Aehnlich träumt im Nibelungenlied Kriemhild pwo_047.015 „in tugenden, der sie pflac, pwo_047.016 pwo_047.019wie sie einen valken wilden züge manegen tac, pwo_047.017 den ir zwên arn erkrummen, daz si daz muoste sehen, pwo_047.018 ir erkunde in dirre werlde nimmer leider sîn geschehen.“ Die Mutter vollendet ausdrücklich das Bild: pwo_047.020„Der valke, den du ziuhest, daz ist ein edel man: pwo_047.021 pwo_047.022in welle got behüeten, du muost in schiere vloren hân.“ Zu einem andern Bilde verwendet ihn Dietmar von Aist: pwo_047.023
Weniger äußerlich verwendet Hartmann von Aue im „Erec“ dasselbe pwo_047.030 „Dô einz daz ander an sach, pwo_047.032
sô was in beiden niht baz pwo_047.033 dann einem habech, der im sîn maz pwo_047.034 von geschihten ze ougen bringet, pwo_047.035 sô in der hunger twinget: pwo_047.036 und als ez im gezeiget wirt, pwo_047.037 swaz er's dâ für mêre enbirt, pwo_047.038 dâ von muoz im wirs geschehen pwo_047.039 danne ob er's niht hete gesehen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0061" n="47"/> <lb n="pwo_047.001"/> <p> Durch das Christentum wird zunächst der Sinn von der Natur <lb n="pwo_047.002"/> abgezogen und zum Uebersinnlichen erhoben. Nicht ohne Einfluß <lb n="pwo_047.003"/> lateinischer Dichtungen bricht der Natursinn wieder durch. Bei uns <lb n="pwo_047.004"/> in Deutschland gewinnt diese Richtung der Poesie im 12. Jahrhundert <lb n="pwo_047.005"/> eigentliche Ausdehnung. Als bezeichnend für den ritterlichen <lb n="pwo_047.006"/> Geist damaliger Dichtung trat uns schon die Einführung gerade des <lb n="pwo_047.007"/> Falken, des ritterlichen Jagdtiers, entgegen. Betrachten wir, nach <lb n="pwo_047.008"/> welchen Richtungen dieses poetische Motiv gewendet wird. Der Kürnberger <lb n="pwo_047.009"/> singt:</p> <lb n="pwo_047.010"/> <lg> <l>„<hi rendition="#aq">Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr.</hi></l> <lb n="pwo_047.011"/> <l> <hi rendition="#aq">dô ich in gezamete, als ich in wolte hân,</hi> </l> <lb n="pwo_047.012"/> <l> <hi rendition="#aq">und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant,</hi> </l> <lb n="pwo_047.013"/> <l><hi rendition="#aq">er huob sich ûf vil hôhe und floug in anderiu lant</hi>.“</l> </lg> <lb n="pwo_047.014"/> <p>Aehnlich träumt im Nibelungenlied Kriemhild</p> <lb n="pwo_047.015"/> <lg> <l> „<hi rendition="#aq">in tugenden, der sie pflac,</hi></l> <lb n="pwo_047.016"/> <l> <hi rendition="#aq">wie sie einen valken wilden züge manegen tac,</hi> </l> <lb n="pwo_047.017"/> <l> <hi rendition="#aq">den ir zwên arn erkrummen, daz si daz muoste sehen,</hi> </l> <lb n="pwo_047.018"/> <l><hi rendition="#aq">ir erkunde in dirre werlde nimmer leider sîn geschehen</hi>.“</l> </lg> <lb n="pwo_047.019"/> <p>Die Mutter vollendet ausdrücklich das Bild:</p> <lb n="pwo_047.020"/> <lg> <l>„<hi rendition="#aq">Der valke, den du ziuhest, daz ist ein edel man:</hi></l> <lb n="pwo_047.021"/> <l><hi rendition="#aq">in welle got behüeten, du muost in schiere vloren hân</hi>.“</l> </lg> <lb n="pwo_047.022"/> <p>Zu einem andern Bilde verwendet ihn Dietmar von Aist:</p> <lb n="pwo_047.023"/> <p> <hi rendition="#aq"> <lg> <l>„Sô wol dir valke daz du bist!</l> <lb n="pwo_047.024"/> <l>du fliugest, swar dir lieb ist;</l> <lb n="pwo_047.025"/> <l>du erkiusest dir in dem walde</l> <lb n="pwo_047.026"/> <l>einen boum, der dir gevalle.</l> <lb n="pwo_047.027"/> <l> Alsô hân auch ich getân:</l> <lb n="pwo_047.028"/> <l>ich erkôs mir selben einen man ...“</l> </lg> </hi> </p> <lb n="pwo_047.029"/> <p>Weniger äußerlich verwendet Hartmann von Aue im „Erec“ dasselbe <lb n="pwo_047.030"/> Tier als Bild:</p> <lb n="pwo_047.031"/> <lg> <l>„<hi rendition="#aq">Dô einz daz ander an sach,</hi></l> <lb n="pwo_047.032"/> <l> <hi rendition="#aq">sô was in beiden niht baz</hi> </l> <lb n="pwo_047.033"/> <l> <hi rendition="#aq">dann einem habech, der im sîn maz</hi> </l> <lb n="pwo_047.034"/> <l> <hi rendition="#aq">von geschihten ze ougen bringet,</hi> </l> <lb n="pwo_047.035"/> <l> <hi rendition="#aq">sô in der hunger twinget:</hi> </l> <lb n="pwo_047.036"/> <l> <hi rendition="#aq">und als ez im gezeiget wirt,</hi> </l> <lb n="pwo_047.037"/> <l> <hi rendition="#aq">swaz er's dâ für mêre enbirt,</hi> </l> <lb n="pwo_047.038"/> <l> <hi rendition="#aq">dâ von muoz im wirs geschehen</hi> </l> <lb n="pwo_047.039"/> <l><hi rendition="#aq">danne ob er's niht hete gesehen</hi>.“</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0061]
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Durch das Christentum wird zunächst der Sinn von der Natur pwo_047.002
abgezogen und zum Uebersinnlichen erhoben. Nicht ohne Einfluß pwo_047.003
lateinischer Dichtungen bricht der Natursinn wieder durch. Bei uns pwo_047.004
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Geist damaliger Dichtung trat uns schon die Einführung gerade des pwo_047.007
Falken, des ritterlichen Jagdtiers, entgegen. Betrachten wir, nach pwo_047.008
welchen Richtungen dieses poetische Motiv gewendet wird. Der Kürnberger pwo_047.009
singt:
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„Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr. pwo_047.011
dô ich in gezamete, als ich in wolte hân, pwo_047.012
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Aehnlich träumt im Nibelungenlied Kriemhild
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„in tugenden, der sie pflac, pwo_047.016
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Die Mutter vollendet ausdrücklich das Bild:
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„Der valke, den du ziuhest, daz ist ein edel man: pwo_047.021
in welle got behüeten, du muost in schiere vloren hân.“
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Zu einem andern Bilde verwendet ihn Dietmar von Aist:
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„Sô wol dir valke daz du bist! pwo_047.024
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Alsô hân auch ich getân: pwo_047.028
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Weniger äußerlich verwendet Hartmann von Aue im „Erec“ dasselbe pwo_047.030
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pwo_047.031
„Dô einz daz ander an sach, pwo_047.032
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