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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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All diese Sänger bekennen also, daß ihnen "ein Gott gab, zu sagen", pwo_031.002
was sie empfinden.

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Nicht anders setzt die Edda ein. "Der Seherin Weissagung" lautet:

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"Jch heische Gehör von den heil'gen Geschlechtern, pwo_031.005
Von Heimdalls Kindern, den hohen und niedern; pwo_031.006
Walvater wünscht es, so will ich erzählen pwo_031.007
Der Vorzeit Geschichten aus früh'ster Erinn'rung."
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"Der Seherin Weissagung"! Wie in den Propheten des alten Bundes pwo_031.009
sehen wir die Seher- und Sängergabe als eins und ungetrennt: pwo_031.010
Religion und Poesie war noch eins und ungetrennt. Desgleichen ist pwo_031.011
für die griechische Poesie die Existenz religiöser Lieder weit vor der pwo_031.012
Homerischen Zeit gesichert. Unter den deutschen Gesängen bezeugt pwo_031.013
Tacitus ausdrücklich in erster Linie Verherrlichungen der Götter: "Die pwo_031.014
Deutschen feiern in alten Liedern Tuisko, den erdentsproßnen Gott, pwo_031.015
und seinen Sohn Mannus als Stammväter und Begründer ihres pwo_031.016
Geschlechtes."

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Bezeichnend, wenn auch natürlich nicht ausschlaggebend, erscheint pwo_031.018
die Art, in welcher die ältesten Sagen die Entstehung der Poesie pwo_031.019
erzählen. Auch hier wird sie auf göttlichen Ursprung zurückgeführt. pwo_031.020
Nicht eben geschmackvoll, doch im Kern unzweideutig berichtet die sogenannte pwo_031.021
Snorra Edda:

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"Aegir fragte: ,Welches ist der Ursprung der Dichtkunst?' pwo_031.023
Bragi antwortete: ,Die Götter hatten eine Fehde mit den pwo_031.024
Wanen, kamen aber schließlich zusammen, um Frieden zu pwo_031.025
schließen. Sie gingen zu einem Gefäß und spieen ihren Speichel pwo_031.026
hinein und schufen aus diesem einen Mann, der Kwasir (d. i. pwo_031.027
wohl der Flüsterer) heißt. Dieser wußte für alle Dinge Rat. pwo_031.028
Als er aber einmal zu den Zwergen Fjalar und Galar (d. h. pwo_031.029
Späher und Sänger) kam, lockten ihn diese zu einer heimlichen pwo_031.030
Unterredung und töteten ihn. Darauf ließen sie sein pwo_031.031
Blut in zwei Krüge und einen Kessel rinnen. Danach mischten pwo_031.032
sie das Blut mit Honig, und diese Flüssigkeit heißt seitdem pwo_031.033
Met, und jeder, der davon trinkt, wird ein Dichter und pwo_031.034
ein Weiser. Ueber Kwasir aber verbreiteten die Zwerge das pwo_031.035
Gerücht, daß er an seiner eignen Weisheit erstickt sei, da niemand

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All diese Sänger bekennen also, daß ihnen „ein Gott gab, zu sagen“, pwo_031.002
was sie empfinden.

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  Nicht anders setzt die Edda ein. „Der Seherin Weissagung“ lautet:

pwo_031.004
„Jch heische Gehör von den heil'gen Geschlechtern, pwo_031.005
Von Heimdalls Kindern, den hohen und niedern; pwo_031.006
Walvater wünscht es, so will ich erzählen pwo_031.007
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sehen wir die Seher- und Sängergabe als eins und ungetrennt: pwo_031.010
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Tacitus ausdrücklich in erster Linie Verherrlichungen der Götter: „Die pwo_031.014
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und seinen Sohn Mannus als Stammväter und Begründer ihres pwo_031.016
Geschlechtes.“

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  Bezeichnend, wenn auch natürlich nicht ausschlaggebend, erscheint pwo_031.018
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erzählen. Auch hier wird sie auf göttlichen Ursprung zurückgeführt. pwo_031.020
Nicht eben geschmackvoll, doch im Kern unzweideutig berichtet die sogenannte pwo_031.021
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Bragi antwortete: ‚Die Götter hatten eine Fehde mit den pwo_031.024
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Als er aber einmal zu den Zwergen Fjalar und Galar (d. h. pwo_031.029
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Unterredung und töteten ihn. Darauf ließen sie sein pwo_031.031
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Met, und jeder, der davon trinkt, wird ein Dichter und pwo_031.034
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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/45>, abgerufen am 09.11.2024.