Daß sich bei jenen häufig Tänze und mimische Darstellungen pwo_028.002 mit lyrisch-epischen Vorträgen vereinen, veranlaßt zahlreiche Forscher pwo_028.003 zu der Annahme, in solchem Urbrei sei ein getreues Spiegelbild von pwo_028.004 den Anfängen menschlicher Poesie überhaupt zu sehen. Jndessen kann pwo_028.005 der heutige Zustand ungeschichtlicher wilder Stämme keine sichere pwo_028.006 Grundlage für unsere Auffassung vom Urstand geistiger Entwicklung pwo_028.007 bilden, am wenigsten gegen die Gesetzmäßigkeit der Gestaltung beweisen, pwo_028.008 in welcher sich uns die erreichbar oder erschließbar ältesten pwo_028.009 poetischen Schöpfungen der hervorragendsten Kulturvölker darbieten.
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Auch Paul de Lagarde weist die Verfassung wilder Stämme als pwo_028.011 Zeugin für natürliche Urzustände ab. Zunächst im Hinblick auf religiöse pwo_028.012 Vorstellungen führt er aus: "Die aus dem Glauben jetzt lebender pwo_028.013 wilder Völker entnommenen Beweise dürfen nicht gelten. Der pwo_028.014 Mensch ist, weil fortdauernder Entwicklung fähig, weil unsterblich, pwo_028.015 weil ein Gedanke des göttlichen Geistes, nur in der Entwicklung, also pwo_028.016 nur in der Geschichte, Mensch. Ungeschichtliche Völker sind nicht das pwo_028.017 Normale, sondern die Wirkung einer Krankheit. Wer will aber dann pwo_028.018 aus ihrer Art, welche in That und Wahrheit nur Un-Art heißen pwo_028.019 darf, Schlüsse auf die an der Spitze der Entwicklung stehende, also pwo_028.020 gewiß, da sie die Fähigkeit der Vaterschaft besaß, kerngesunde Phase pwo_028.021 unserer Geschichte machen?"
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Genug, nicht die Unnatur der ungeschichtlichen Wilden, die Naturzustände pwo_028.023 der geschichtlichen Kulturvölker haben wir aufzusuchen, wenn pwo_028.024 wir die Grundlage für die Entwicklung der uns bekannten Poesie pwo_028.025 gewinnen wollen.
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Daß sich bei jenen häufig Tänze und mimische Darstellungen pwo_028.002 mit lyrisch-epischen Vorträgen vereinen, veranlaßt zahlreiche Forscher pwo_028.003 zu der Annahme, in solchem Urbrei sei ein getreues Spiegelbild von pwo_028.004 den Anfängen menschlicher Poesie überhaupt zu sehen. Jndessen kann pwo_028.005 der heutige Zustand ungeschichtlicher wilder Stämme keine sichere pwo_028.006 Grundlage für unsere Auffassung vom Urstand geistiger Entwicklung pwo_028.007 bilden, am wenigsten gegen die Gesetzmäßigkeit der Gestaltung beweisen, pwo_028.008 in welcher sich uns die erreichbar oder erschließbar ältesten pwo_028.009 poetischen Schöpfungen der hervorragendsten Kulturvölker darbieten.
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Auch Paul de Lagarde weist die Verfassung wilder Stämme als pwo_028.011 Zeugin für natürliche Urzustände ab. Zunächst im Hinblick auf religiöse pwo_028.012 Vorstellungen führt er aus: „Die aus dem Glauben jetzt lebender pwo_028.013 wilder Völker entnommenen Beweise dürfen nicht gelten. Der pwo_028.014 Mensch ist, weil fortdauernder Entwicklung fähig, weil unsterblich, pwo_028.015 weil ein Gedanke des göttlichen Geistes, nur in der Entwicklung, also pwo_028.016 nur in der Geschichte, Mensch. Ungeschichtliche Völker sind nicht das pwo_028.017 Normale, sondern die Wirkung einer Krankheit. Wer will aber dann pwo_028.018 aus ihrer Art, welche in That und Wahrheit nur Un-Art heißen pwo_028.019 darf, Schlüsse auf die an der Spitze der Entwicklung stehende, also pwo_028.020 gewiß, da sie die Fähigkeit der Vaterschaft besaß, kerngesunde Phase pwo_028.021 unserer Geschichte machen?“
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Genug, nicht die Unnatur der ungeschichtlichen Wilden, die Naturzustände pwo_028.023 der geschichtlichen Kulturvölker haben wir aufzusuchen, wenn pwo_028.024 wir die Grundlage für die Entwicklung der uns bekannten Poesie pwo_028.025 gewinnen wollen.
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Genug, nicht die Unnatur der ungeschichtlichen Wilden, die Naturzustände pwo_028.023
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