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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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unserer heimischen Verskunst. Auch sie hat bereits eine geschichtlich pwo_269.002
bedeutsame Entwicklung hinter sich, ehe sie zu strophischen Gebänden pwo_269.003
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Der allitterierende Langvers stellte die schärfste Ausprägung der pwo_269.005
accentuierenden Versmessung dar. Wenn der Reimvers, wie ihn pwo_269.006
um 870 Otfried zuerst in einer größeren Dichtung durchführt, auf pwo_269.007
jene Verstärkung des Hochtones durch gleiches Anklingen mehrerer pwo_269.008
Haupthebungen verzichtet, um die Langzeile an eine zweite durch pwo_269.009
gleichen Ausklang zu binden, so offenbart sich wiederum die natürliche pwo_269.010
Tendenz des Versbaus, eine Bindung gerade am Schluß pwo_269.011
einzelner Versabschnitte zu suchen, zugleich aber der vorschreitende pwo_269.012
Zug der Entwicklung, einen Zusammenschluß mehrerer Verse zu pwo_269.013
einem gebundenen Komplex zu suchen. Obschon in der christlich-spätlateinischen pwo_269.014
gesungenen Dichtung vorgebildet, stellt somit der deutsche pwo_269.015
Reimvers eine organische, innerlich notwendige Entwicklungsstufe der pwo_269.016
Verskunst dar. Anstelle der rezitativen Allitteration ist er in erster pwo_269.017
Linie für Gesang bestimmt. Mußte doch auch die Abnahme der pwo_269.018
Sprache an tonmalender Kraft dem Stabreim ein gut Teil seiner pwo_269.019
inneren Bedeutung entziehen und auf eine neue Bindungsart der beiden pwo_269.020
Halbzeilen hindrängen. Diese tragen nun den Gleichklang im pwo_269.021
Abschlußlaut. Gleichzeitig und in weiterer Ausübung des metrischen pwo_269.022
Bindungstriebes rücken aber je zwei Langzeilen zu einer neuen Einheit pwo_269.023
zusammen.

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Noch immer verharrt dabei die Versmessung in dem ausgeprägt pwo_269.025
accentuierenden Charakter, der, gleichgültig gegen die Silbenzahl, weil pwo_269.026
gegen die Senkungen, allein die Hebungen - in Uebereinstimmung pwo_269.027
der lautlichen und rhythmischen Betonung - als ausschlaggebend für pwo_269.028
den Tonwert des Verses berücksichtigt. Jede Halbzeile bietet zwei pwo_269.029
Haupthebungen und eine oder zwei Nebenhebungen, stellt also entweder pwo_269.030
voll zwei Dipodieen, oder stumpf eine vollständige und eine pwo_269.031
unvollständige Dipodie dar. Der Reim ist zunächst im Prinzip und pwo_269.032
überwiegend einsilbig (männlich); auch in den selten auftretenden zweisilbigen pwo_269.033
(weiblichen) Reimen ist für diese Frühzeit der Gleichklang der pwo_269.034
Endvokale entscheidend.

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Die Strophenbildung, die bei Otfried mit der primitiven pwo_269.036
äußeren Zusammenordnung zweier Langzeilen einsetzt, beginnt alsbald

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  Der allitterierende Langvers stellte die schärfste Ausprägung der pwo_269.005
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  Die Strophenbildung, die bei Otfried mit der primitiven pwo_269.036
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[269/0283] pwo_269.001 unserer heimischen Verskunst. Auch sie hat bereits eine geschichtlich pwo_269.002 bedeutsame Entwicklung hinter sich, ehe sie zu strophischen Gebänden pwo_269.003 vorschreitet. pwo_269.004   Der allitterierende Langvers stellte die schärfste Ausprägung der pwo_269.005 accentuierenden Versmessung dar. Wenn der Reimvers, wie ihn pwo_269.006 um 870 Otfried zuerst in einer größeren Dichtung durchführt, auf pwo_269.007 jene Verstärkung des Hochtones durch gleiches Anklingen mehrerer pwo_269.008 Haupthebungen verzichtet, um die Langzeile an eine zweite durch pwo_269.009 gleichen Ausklang zu binden, so offenbart sich wiederum die natürliche pwo_269.010 Tendenz des Versbaus, eine Bindung gerade am Schluß pwo_269.011 einzelner Versabschnitte zu suchen, zugleich aber der vorschreitende pwo_269.012 Zug der Entwicklung, einen Zusammenschluß mehrerer Verse zu pwo_269.013 einem gebundenen Komplex zu suchen. Obschon in der christlich-spätlateinischen pwo_269.014 gesungenen Dichtung vorgebildet, stellt somit der deutsche pwo_269.015 Reimvers eine organische, innerlich notwendige Entwicklungsstufe der pwo_269.016 Verskunst dar. Anstelle der rezitativen Allitteration ist er in erster pwo_269.017 Linie für Gesang bestimmt. Mußte doch auch die Abnahme der pwo_269.018 Sprache an tonmalender Kraft dem Stabreim ein gut Teil seiner pwo_269.019 inneren Bedeutung entziehen und auf eine neue Bindungsart der beiden pwo_269.020 Halbzeilen hindrängen. Diese tragen nun den Gleichklang im pwo_269.021 Abschlußlaut. Gleichzeitig und in weiterer Ausübung des metrischen pwo_269.022 Bindungstriebes rücken aber je zwei Langzeilen zu einer neuen Einheit pwo_269.023 zusammen. pwo_269.024   Noch immer verharrt dabei die Versmessung in dem ausgeprägt pwo_269.025 accentuierenden Charakter, der, gleichgültig gegen die Silbenzahl, weil pwo_269.026 gegen die Senkungen, allein die Hebungen – in Uebereinstimmung pwo_269.027 der lautlichen und rhythmischen Betonung – als ausschlaggebend für pwo_269.028 den Tonwert des Verses berücksichtigt. Jede Halbzeile bietet zwei pwo_269.029 Haupthebungen und eine oder zwei Nebenhebungen, stellt also entweder pwo_269.030 voll zwei Dipodieen, oder stumpf eine vollständige und eine pwo_269.031 unvollständige Dipodie dar. Der Reim ist zunächst im Prinzip und pwo_269.032 überwiegend einsilbig (männlich); auch in den selten auftretenden zweisilbigen pwo_269.033 (weiblichen) Reimen ist für diese Frühzeit der Gleichklang der pwo_269.034 Endvokale entscheidend. pwo_269.035   Die Strophenbildung, die bei Otfried mit der primitiven pwo_269.036 äußeren Zusammenordnung zweier Langzeilen einsetzt, beginnt alsbald

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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/283>, abgerufen am 28.11.2024.