§ 11. pwo_012.003 Die formale Definition der Poesie.
pwo_012.004
Wie die bisherigen Methoden der Poetik, so drängen die bisher pwo_012.005 gezeitigten Definitionen der Poesie zu einer neuen, fruchtbareren Betrachtungsweise. pwo_012.006 Sehen wir uns vor die Thatsache gestellt, daß die pwo_012.007 gelieferten Erklärungen nur für beschränkte Teile der Poesie gelten, pwo_012.008 nicht aber hinreichen, das allem dichterischen Schaffen zugrunde liegende pwo_012.009 schöpferische Prinzip auszudrücken, so weist diese Sachlage ebenfalls pwo_012.010 gebieterisch auf zusammenhängende Berücksichtigung des poesiegeschichtlichen pwo_012.011 Gesamtmaterials hin.
pwo_012.012
Jn ihren Definitionen weichen die beiden Extreme der kunsttheoretischen pwo_012.013 Methode kaum von einander ab: wie die autoritätengläubige pwo_012.014 Poetik des 17. Jahrhunderts, findet die empirische Poetik pwo_012.015 Scherers ihren Ausgangspunkt und ihr Ziel in Hervorhebung der pwo_012.016 poetischen Form. Dieser neue Forscher glaubt "schließlich ungefähr pwo_012.017 so" definieren zu müssen: "Die Poetik ist vorzugsweise die Lehre von pwo_012.018 der gebundenen Rede; außerdem aber von einigen Anwendungen der pwo_012.019 ungebundenen, welche mit den Anwendungen der gebundenen in naher pwo_012.020 Verwandtschaft stehen."
pwo_012.021
Damit ist jedoch das Eingeständnis abgelegt, daß die formale pwo_012.022 Definition eine zureichende, wissenschaftlich präzise Begriffsbestimmung pwo_012.023 nicht in sich zu schließen vermag. Einmal wäre hiernach die Zugehörigkeit pwo_012.024 des Märchens, Romans und anderer Prosadichtungen, vor pwo_012.025 allem aber des nicht versifizierten Dramas zur Dichtkunst nur durch pwo_012.026 den vagen und nicht einmal zutreffenden Begriff "naher Verwandtschaft"
pwo_012.001 Definitionen der Poesie.
pwo_012.002
§ 11. pwo_012.003 Die formale Definition der Poesie.
pwo_012.004
Wie die bisherigen Methoden der Poetik, so drängen die bisher pwo_012.005 gezeitigten Definitionen der Poesie zu einer neuen, fruchtbareren Betrachtungsweise. pwo_012.006 Sehen wir uns vor die Thatsache gestellt, daß die pwo_012.007 gelieferten Erklärungen nur für beschränkte Teile der Poesie gelten, pwo_012.008 nicht aber hinreichen, das allem dichterischen Schaffen zugrunde liegende pwo_012.009 schöpferische Prinzip auszudrücken, so weist diese Sachlage ebenfalls pwo_012.010 gebieterisch auf zusammenhängende Berücksichtigung des poesiegeschichtlichen pwo_012.011 Gesamtmaterials hin.
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Jn ihren Definitionen weichen die beiden Extreme der kunsttheoretischen pwo_012.013 Methode kaum von einander ab: wie die autoritätengläubige pwo_012.014 Poetik des 17. Jahrhunderts, findet die empirische Poetik pwo_012.015 Scherers ihren Ausgangspunkt und ihr Ziel in Hervorhebung der pwo_012.016 poetischen Form. Dieser neue Forscher glaubt „schließlich ungefähr pwo_012.017 so“ definieren zu müssen: „Die Poetik ist vorzugsweise die Lehre von pwo_012.018 der gebundenen Rede; außerdem aber von einigen Anwendungen der pwo_012.019 ungebundenen, welche mit den Anwendungen der gebundenen in naher pwo_012.020 Verwandtschaft stehen.“
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Damit ist jedoch das Eingeständnis abgelegt, daß die formale pwo_012.022 Definition eine zureichende, wissenschaftlich präzise Begriffsbestimmung pwo_012.023 nicht in sich zu schließen vermag. Einmal wäre hiernach die Zugehörigkeit pwo_012.024 des Märchens, Romans und anderer Prosadichtungen, vor pwo_012.025 allem aber des nicht versifizierten Dramas zur Dichtkunst nur durch pwo_012.026 den vagen und nicht einmal zutreffenden Begriff „naher Verwandtschaft“
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[E12/0026]
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Definitionen der Poesie. pwo_012.002
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Die formale Definition der Poesie. pwo_012.004
Wie die bisherigen Methoden der Poetik, so drängen die bisher pwo_012.005
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Poetik des 17. Jahrhunderts, findet die empirische Poetik pwo_012.015
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poetischen Form. Dieser neue Forscher glaubt „schließlich ungefähr pwo_012.017
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ungebundenen, welche mit den Anwendungen der gebundenen in naher pwo_012.020
Verwandtschaft stehen.“
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Damit ist jedoch das Eingeständnis abgelegt, daß die formale pwo_012.022
Definition eine zureichende, wissenschaftlich präzise Begriffsbestimmung pwo_012.023
nicht in sich zu schließen vermag. Einmal wäre hiernach die Zugehörigkeit pwo_012.024
des Märchens, Romans und anderer Prosadichtungen, vor pwo_012.025
allem aber des nicht versifizierten Dramas zur Dichtkunst nur durch pwo_012.026
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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. E12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/26>, abgerufen am 16.02.2025.
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