Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_009.001 Besonders bedeutsam erscheint, daß Dilthey auch im Hinblick auf pwo_009.002 Die Ausführung dieses fruchtbaren Gedankens wird beschränkt pwo_009.008 pwo_009.019 § 9. pwo_009.020 pwo_009.021Entwicklungsgeschichtliche Poetik. Noch ist die Anschauung weit verbreitet, daß durch "klassische pwo_009.022 Liegt es an sich schon nahe, daß ein jeder Ueberblick den geschichtlichen pwo_009.031 pwo_009.001 Besonders bedeutsam erscheint, daß Dilthey auch im Hinblick auf pwo_009.002 Die Ausführung dieses fruchtbaren Gedankens wird beschränkt pwo_009.008 pwo_009.019 § 9. pwo_009.020 pwo_009.021Entwicklungsgeschichtliche Poetik. Noch ist die Anschauung weit verbreitet, daß durch „klassische pwo_009.022 Liegt es an sich schon nahe, daß ein jeder Ueberblick den geschichtlichen pwo_009.031 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0023" n="9"/> <lb n="pwo_009.001"/> <p> Besonders bedeutsam erscheint, daß Dilthey auch im Hinblick auf <lb n="pwo_009.002"/> die Poesie wiederholt die Geschichtlichkeit des Seelenlebens betont, so <lb n="pwo_009.003"/> daß er sich der geschichtlichen Begrenztheit ästhetischer Gesetze nicht <lb n="pwo_009.004"/> verschließt, aber, über die bloße Empirie hinaus, die Allgemeingültigkeit <lb n="pwo_009.005"/> gewisser Grundzüge sucht. Dilthey geht so weit, von entwicklungsgeschichtlicher <lb n="pwo_009.006"/> Auffassung zu sprechen.</p> <lb n="pwo_009.007"/> <p> Die Ausführung dieses fruchtbaren Gedankens wird beschränkt <lb n="pwo_009.008"/> durch Berufung auf die Methode „der wechselseitigen Erhellung, wie <lb n="pwo_009.009"/> sie Scherer bezeichnet hat“, d. i. auf die Vergleichung beliebiger, <lb n="pwo_009.010"/> ohne historischen Zusammenhang herangezogener Beispiele. So sind <lb n="pwo_009.011"/> an die umfassende und feine psychologische Untersuchung einstweilen <lb n="pwo_009.012"/> nur wenige Seiten bestätigender Zeugnisse gereiht. Und dieser Schatz <lb n="pwo_009.013"/> der Erfahrung ist als starre Masse betrachtet, Erscheinungen verschiedener <lb n="pwo_009.014"/> Zeiten sind als klassische Beispiele beliebig durch einander geschoben <lb n="pwo_009.015"/> – mit einem Wort, auch in dieser verheißungsvollen Programmschrift <lb n="pwo_009.016"/> noch ist die Litteraturgeschichte nur als Raritätenkasten, <lb n="pwo_009.017"/> in den sich nach Bedürfniß hineingreifen läßt, statt als fließender <lb n="pwo_009.018"/> Organismus behandelt.</p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_009.019"/> <head> <hi rendition="#c">§ 9. <lb n="pwo_009.020"/> Entwicklungsgeschichtliche Poetik.</hi> </head> <lb n="pwo_009.021"/> <p> Noch ist die Anschauung weit verbreitet, daß durch „klassische <lb n="pwo_009.022"/> Beispiele“ aus der Neuzeit oder aus früheren Blüteperioden der Litteratur <lb n="pwo_009.023"/> allgemeingültige Gesetze der Poetik gewonnen werden könnten. <lb n="pwo_009.024"/> Wo indes eine wissenschaftliche Allgemeingültigkeit erreicht werden soll, <lb n="pwo_009.025"/> ist die Vorbedingung in jeder ausgebildeten Wissenschaft Allumfassung <lb n="pwo_009.026"/> des Materials. Will also die induktive Poetik aus dem Stadium der <lb n="pwo_009.027"/> Experimente in das des wissenschaftlichen Systems übergehen, so muß <lb n="pwo_009.028"/> sie auf <hi rendition="#g">zusammenhängender</hi> Betrachtung der Geschichte der Weltpoesie <lb n="pwo_009.029"/> fußen.</p> <lb n="pwo_009.030"/> <p> Liegt es an sich schon nahe, daß ein jeder Ueberblick den geschichtlichen <lb n="pwo_009.031"/> Zusammenhang <hi rendition="#g">in geschichtlicher Folge</hi> durchläuft, so <lb n="pwo_009.032"/> benötigt die induktive Poetik um so mehr dieser Verfahrungsweise, als <lb n="pwo_009.033"/> sich aus Verfolgung der geschichtlichen Wandlungen und Umbildungen <lb n="pwo_009.034"/> die allein zuverlässige Erklärung für die mancherlei offenbaren Abweichungen <lb n="pwo_009.035"/> innerhalb derselben poetischen Arten und Formen gewinnen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0023]
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Besonders bedeutsam erscheint, daß Dilthey auch im Hinblick auf pwo_009.002
die Poesie wiederholt die Geschichtlichkeit des Seelenlebens betont, so pwo_009.003
daß er sich der geschichtlichen Begrenztheit ästhetischer Gesetze nicht pwo_009.004
verschließt, aber, über die bloße Empirie hinaus, die Allgemeingültigkeit pwo_009.005
gewisser Grundzüge sucht. Dilthey geht so weit, von entwicklungsgeschichtlicher pwo_009.006
Auffassung zu sprechen.
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Die Ausführung dieses fruchtbaren Gedankens wird beschränkt pwo_009.008
durch Berufung auf die Methode „der wechselseitigen Erhellung, wie pwo_009.009
sie Scherer bezeichnet hat“, d. i. auf die Vergleichung beliebiger, pwo_009.010
ohne historischen Zusammenhang herangezogener Beispiele. So sind pwo_009.011
an die umfassende und feine psychologische Untersuchung einstweilen pwo_009.012
nur wenige Seiten bestätigender Zeugnisse gereiht. Und dieser Schatz pwo_009.013
der Erfahrung ist als starre Masse betrachtet, Erscheinungen verschiedener pwo_009.014
Zeiten sind als klassische Beispiele beliebig durch einander geschoben pwo_009.015
– mit einem Wort, auch in dieser verheißungsvollen Programmschrift pwo_009.016
noch ist die Litteraturgeschichte nur als Raritätenkasten, pwo_009.017
in den sich nach Bedürfniß hineingreifen läßt, statt als fließender pwo_009.018
Organismus behandelt.
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Entwicklungsgeschichtliche Poetik. pwo_009.021
Noch ist die Anschauung weit verbreitet, daß durch „klassische pwo_009.022
Beispiele“ aus der Neuzeit oder aus früheren Blüteperioden der Litteratur pwo_009.023
allgemeingültige Gesetze der Poetik gewonnen werden könnten. pwo_009.024
Wo indes eine wissenschaftliche Allgemeingültigkeit erreicht werden soll, pwo_009.025
ist die Vorbedingung in jeder ausgebildeten Wissenschaft Allumfassung pwo_009.026
des Materials. Will also die induktive Poetik aus dem Stadium der pwo_009.027
Experimente in das des wissenschaftlichen Systems übergehen, so muß pwo_009.028
sie auf zusammenhängender Betrachtung der Geschichte der Weltpoesie pwo_009.029
fußen.
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Liegt es an sich schon nahe, daß ein jeder Ueberblick den geschichtlichen pwo_009.031
Zusammenhang in geschichtlicher Folge durchläuft, so pwo_009.032
benötigt die induktive Poetik um so mehr dieser Verfahrungsweise, als pwo_009.033
sich aus Verfolgung der geschichtlichen Wandlungen und Umbildungen pwo_009.034
die allein zuverlässige Erklärung für die mancherlei offenbaren Abweichungen pwo_009.035
innerhalb derselben poetischen Arten und Formen gewinnen
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