Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_211.001 "Laß mich zum ersten mal mit freiem Herzen pwo_211.006 pwo_211.011Jn deinen Armen reine Freude haben! ... pwo_211.007 Es löset sich der Fluch, mir sagt's das Herz. pwo_211.008 Die Eumeniden ziehn, ich höre sie, pwo_211.009 Zum Tartarus und schlagen hinter sich pwo_211.010 Die ehrnen Thore fernabdonnernd zu." Von den Goetheschen Dramen, die ausdrücklich mit dem Tode pwo_211.012 Lehrreich für den Goetheschen Tragödienstil wird insbesondere pwo_211.022 Was schließlich Goethes Lebens- und Meisterwerk, den "Faust", pwo_211.036 pwo_211.001 „Laß mich zum ersten mal mit freiem Herzen pwo_211.006 pwo_211.011Jn deinen Armen reine Freude haben! ... pwo_211.007 Es löset sich der Fluch, mir sagt's das Herz. pwo_211.008 Die Eumeniden ziehn, ich höre sie, pwo_211.009 Zum Tartarus und schlagen hinter sich pwo_211.010 Die ehrnen Thore fernabdonnernd zu.“ Von den Goetheschen Dramen, die ausdrücklich mit dem Tode pwo_211.012 Lehrreich für den Goetheschen Tragödienstil wird insbesondere pwo_211.022 Was schließlich Goethes Lebens- und Meisterwerk, den „Faust“, pwo_211.036 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0225" n="211"/><lb n="pwo_211.001"/> Schwester bleibt nicht bei der äußeren Berührung mit dem Bild von <lb n="pwo_211.002"/> Apolls Schwester stehen: die seelische Berührung mit der milden, <lb n="pwo_211.003"/> reinen Seele seiner eigenen Schwester bannt die dämonischen Qualen <lb n="pwo_211.004"/> seines Gewissens:</p> <lb n="pwo_211.005"/> <lg> <l>„Laß mich zum ersten mal mit freiem Herzen</l> <lb n="pwo_211.006"/> <l>Jn deinen Armen reine Freude haben! ...</l> <lb n="pwo_211.007"/> <l>Es löset sich der Fluch, mir sagt's das Herz.</l> <lb n="pwo_211.008"/> <l>Die Eumeniden ziehn, ich höre sie,</l> <lb n="pwo_211.009"/> <l>Zum Tartarus und schlagen hinter sich</l> <lb n="pwo_211.010"/> <l>Die ehrnen Thore fernabdonnernd zu.“</l> </lg> <lb n="pwo_211.011"/> <p> Von den Goetheschen Dramen, die ausdrücklich mit dem Tode <lb n="pwo_211.012"/> des Helden schließen, bleibt das erste, „Götz von Berlichingen“, – <lb n="pwo_211.013"/> wie Lessing sofort rügte – noch weit in episch-biographischer Dichtweise <lb n="pwo_211.014"/> stecken. Gewiß gewinnt die Zeichnung der Charaktere nach <lb n="pwo_211.015"/> Shakespeares Vorbild individuelle Fülle und Frische. Der physische <lb n="pwo_211.016"/> Untergang des Helden bleibt in seiner rein äußerlichen Art noch erheblich <lb n="pwo_211.017"/> hinter Shakespeare zurück: er ist indes für unsern Dichter <lb n="pwo_211.018"/> nicht irgend entscheidend: tragisch wird für Goethe das Geschick Götzens <lb n="pwo_211.019"/> mit dem Fehlschlagen seiner Pläne, noch früher, mit dem Verrennen <lb n="pwo_211.020"/> in eine falsche Bahn.</p> <lb n="pwo_211.021"/> <p> Lehrreich für den Goetheschen Tragödienstil wird insbesondere <lb n="pwo_211.022"/> die Umarbeitung des geschichtlich überlieferten Charakters von Egmont. <lb n="pwo_211.023"/> Um Egmont im Sinne des konsequenten Charaktertrauerspiels in gewissem <lb n="pwo_211.024"/> Sinne als Urheber seines Schicksals und nicht als dessen bloßes <lb n="pwo_211.025"/> Opfer erscheinen zu lassen, bedurfte es eines Helden, der in all <lb n="pwo_211.026"/> seinem sympathischen Wesen, ja zum guten teil eben durch dasselbe, <lb n="pwo_211.027"/> der furchtbaren, schleichenden Macht nicht gewachsen ist, die ihm gegenübertritt. <lb n="pwo_211.028"/> Und sein Tod ist ein Triumph: „Jch schreite einem ehrenvollen <lb n="pwo_211.029"/> Tode aus diesem Kerker entgegen; ich sterbe für die Freiheit, <lb n="pwo_211.030"/> für die ich lebte und focht, und der ich mich jetzt <hi rendition="#g">leidend opfre</hi> ... <lb n="pwo_211.031"/> Schließt eure Reihen, <hi rendition="#g">ihr schreckt mich nicht.</hi>“ Das ist die <lb n="pwo_211.032"/> idealistische Charaktertragödie, deren Held den Tod nicht blos als <lb n="pwo_211.033"/> unabänderlich hinnimmt, sondern sich in ihm über sein Leben zu erheben <lb n="pwo_211.034"/> sucht.</p> <lb n="pwo_211.035"/> <p> Was schließlich Goethes Lebens- und Meisterwerk, den „Faust“, <lb n="pwo_211.036"/> betrifft, so bedarf hier zunächst die vollendet großartige Charakterzeichnung </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [211/0225]
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Schwester bleibt nicht bei der äußeren Berührung mit dem Bild von pwo_211.002
Apolls Schwester stehen: die seelische Berührung mit der milden, pwo_211.003
reinen Seele seiner eigenen Schwester bannt die dämonischen Qualen pwo_211.004
seines Gewissens:
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„Laß mich zum ersten mal mit freiem Herzen pwo_211.006
Jn deinen Armen reine Freude haben! ... pwo_211.007
Es löset sich der Fluch, mir sagt's das Herz. pwo_211.008
Die Eumeniden ziehn, ich höre sie, pwo_211.009
Zum Tartarus und schlagen hinter sich pwo_211.010
Die ehrnen Thore fernabdonnernd zu.“
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Von den Goetheschen Dramen, die ausdrücklich mit dem Tode pwo_211.012
des Helden schließen, bleibt das erste, „Götz von Berlichingen“, – pwo_211.013
wie Lessing sofort rügte – noch weit in episch-biographischer Dichtweise pwo_211.014
stecken. Gewiß gewinnt die Zeichnung der Charaktere nach pwo_211.015
Shakespeares Vorbild individuelle Fülle und Frische. Der physische pwo_211.016
Untergang des Helden bleibt in seiner rein äußerlichen Art noch erheblich pwo_211.017
hinter Shakespeare zurück: er ist indes für unsern Dichter pwo_211.018
nicht irgend entscheidend: tragisch wird für Goethe das Geschick Götzens pwo_211.019
mit dem Fehlschlagen seiner Pläne, noch früher, mit dem Verrennen pwo_211.020
in eine falsche Bahn.
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Lehrreich für den Goetheschen Tragödienstil wird insbesondere pwo_211.022
die Umarbeitung des geschichtlich überlieferten Charakters von Egmont. pwo_211.023
Um Egmont im Sinne des konsequenten Charaktertrauerspiels in gewissem pwo_211.024
Sinne als Urheber seines Schicksals und nicht als dessen bloßes pwo_211.025
Opfer erscheinen zu lassen, bedurfte es eines Helden, der in all pwo_211.026
seinem sympathischen Wesen, ja zum guten teil eben durch dasselbe, pwo_211.027
der furchtbaren, schleichenden Macht nicht gewachsen ist, die ihm gegenübertritt. pwo_211.028
Und sein Tod ist ein Triumph: „Jch schreite einem ehrenvollen pwo_211.029
Tode aus diesem Kerker entgegen; ich sterbe für die Freiheit, pwo_211.030
für die ich lebte und focht, und der ich mich jetzt leidend opfre ... pwo_211.031
Schließt eure Reihen, ihr schreckt mich nicht.“ Das ist die pwo_211.032
idealistische Charaktertragödie, deren Held den Tod nicht blos als pwo_211.033
unabänderlich hinnimmt, sondern sich in ihm über sein Leben zu erheben pwo_211.034
sucht.
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Was schließlich Goethes Lebens- und Meisterwerk, den „Faust“, pwo_211.036
betrifft, so bedarf hier zunächst die vollendet großartige Charakterzeichnung
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