Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_205.001 Entscheidend fällt ins Gewicht, daß Shakespeare sowohl im König pwo_205.006 Auch der von Shakespeare begründete Tragödienstil läßt der pwo_205.012 pwo_205.030 § 83. pwo_205.031 pwo_205.032Das deutsche Trauerspiel. Das deutsche Trauerspiel wie jeder Kulturfaktor unseres Volkes pwo_205.033 pwo_205.001 Entscheidend fällt ins Gewicht, daß Shakespeare sowohl im König pwo_205.006 Auch der von Shakespeare begründete Tragödienstil läßt der pwo_205.012 pwo_205.030 § 83. pwo_205.031 pwo_205.032Das deutsche Trauerspiel. Das deutsche Trauerspiel wie jeder Kulturfaktor unseres Volkes pwo_205.033 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0219" n="205"/><lb n="pwo_205.001"/> Meister“ Shakespeares Dramen huldigt: „Es sind keine Gedichte! <lb n="pwo_205.002"/> Man glaubt vor den aufgeschlagenen, ungeheuren Büchern des Schicksals <lb n="pwo_205.003"/> zu stehen, in denen der Sturmwind des bewegtesten Lebens <lb n="pwo_205.004"/> saust, und sie mit Gewalt rasch hin und wieder blättert.“</p> <lb n="pwo_205.005"/> <p> Entscheidend fällt ins Gewicht, daß Shakespeare sowohl im König <lb n="pwo_205.006"/> wie im Bettler nicht den bloßen Repräsentanten seines Standes sieht, <lb n="pwo_205.007"/> sondern den individuellen Menschen sucht. Die steife Würde des <lb n="pwo_205.008"/> romanischen Heldentums ist durchbrochen; nicht gleichförmig äußerlich <lb n="pwo_205.009"/> heroisch, sondern vielgestaltig innerlich menschlich zeigt er die Fürsten <lb n="pwo_205.010"/> und die Liebhaber.</p> <lb n="pwo_205.011"/> <p> Auch der von Shakespeare begründete Tragödienstil läßt der <lb n="pwo_205.012"/> Reflexion Raum: nur dient sie nicht den gleichförmigen Jdeen des <lb n="pwo_205.013"/> Dichters, sondern entspricht in mannigfacher Abstufung den jeweiligen <lb n="pwo_205.014"/> Charakteren, die sie ausüben. Allgemein dienen die dramatischen <lb n="pwo_205.015"/> Personen hier nicht als Sprachrohr des Dichters, sondern stehen auf <lb n="pwo_205.016"/> eigenen Füßen, sprechen aus ihrem eigenartigen Charakter heraus. <lb n="pwo_205.017"/> Aber überhaupt reden sie nicht nur, am wenigsten <hi rendition="#g">über</hi> ihren <lb n="pwo_205.018"/> Charakter, sie handeln charakteristisch. Otto Ludwigs Shakespeare- <lb n="pwo_205.019"/> Studien beleuchten diese Stilart durch scharfen Kontrast zu einer <lb n="pwo_205.020"/> anderweitigen Verfahrungsweise: „Jene stellt durch Aussprechen, diese <lb n="pwo_205.021"/> durch Darstellung dar; in jener spricht der Autor in seinen leicht <lb n="pwo_205.022"/> maskierten Personen, in dieser der Autor durch die innere Selbständigkeit <lb n="pwo_205.023"/> seiner Personen mit dem Publikum, was den Schein gewinnt, <lb n="pwo_205.024"/> als sprächen die Personen selber und hätten keinen andern Autor, als <lb n="pwo_205.025"/> ihr Autor selbst – die schaffende Natur.“ Diese dämonische Kongenialität <lb n="pwo_205.026"/> zur schaffenden Natur darf uns aber nicht wie den eben <lb n="pwo_205.027"/> genannten realistischen Dramaturgen blind gegen den Fortschritt machen, <lb n="pwo_205.028"/> den unser deutsches Trauerspiel im 18. und 19. Jahrhundert errungen, <lb n="pwo_205.029"/> indem es den Menschen <hi rendition="#g">innerlich</hi> über sein Schicksal emporhob.</p> </div> <div n="4"> <lb n="pwo_205.030"/> <head> <hi rendition="#c">§ 83. <lb n="pwo_205.031"/> Das deutsche Trauerspiel.</hi> </head> <lb n="pwo_205.032"/> <p> Das deutsche Trauerspiel wie jeder Kulturfaktor unseres Volkes <lb n="pwo_205.033"/> zeigt in seiner Entwicklung ein jahrhundertelanges Ringen des nationalen <lb n="pwo_205.034"/> Geistes mit fremden Einflüssen, denen er sich weit hingiebt, bis <lb n="pwo_205.035"/> er, endlich zur vollen Selbständigkeit erzogen, sich auf die eigene </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [205/0219]
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Meister“ Shakespeares Dramen huldigt: „Es sind keine Gedichte! pwo_205.002
Man glaubt vor den aufgeschlagenen, ungeheuren Büchern des Schicksals pwo_205.003
zu stehen, in denen der Sturmwind des bewegtesten Lebens pwo_205.004
saust, und sie mit Gewalt rasch hin und wieder blättert.“
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Entscheidend fällt ins Gewicht, daß Shakespeare sowohl im König pwo_205.006
wie im Bettler nicht den bloßen Repräsentanten seines Standes sieht, pwo_205.007
sondern den individuellen Menschen sucht. Die steife Würde des pwo_205.008
romanischen Heldentums ist durchbrochen; nicht gleichförmig äußerlich pwo_205.009
heroisch, sondern vielgestaltig innerlich menschlich zeigt er die Fürsten pwo_205.010
und die Liebhaber.
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Auch der von Shakespeare begründete Tragödienstil läßt der pwo_205.012
Reflexion Raum: nur dient sie nicht den gleichförmigen Jdeen des pwo_205.013
Dichters, sondern entspricht in mannigfacher Abstufung den jeweiligen pwo_205.014
Charakteren, die sie ausüben. Allgemein dienen die dramatischen pwo_205.015
Personen hier nicht als Sprachrohr des Dichters, sondern stehen auf pwo_205.016
eigenen Füßen, sprechen aus ihrem eigenartigen Charakter heraus. pwo_205.017
Aber überhaupt reden sie nicht nur, am wenigsten über ihren pwo_205.018
Charakter, sie handeln charakteristisch. Otto Ludwigs Shakespeare- pwo_205.019
Studien beleuchten diese Stilart durch scharfen Kontrast zu einer pwo_205.020
anderweitigen Verfahrungsweise: „Jene stellt durch Aussprechen, diese pwo_205.021
durch Darstellung dar; in jener spricht der Autor in seinen leicht pwo_205.022
maskierten Personen, in dieser der Autor durch die innere Selbständigkeit pwo_205.023
seiner Personen mit dem Publikum, was den Schein gewinnt, pwo_205.024
als sprächen die Personen selber und hätten keinen andern Autor, als pwo_205.025
ihr Autor selbst – die schaffende Natur.“ Diese dämonische Kongenialität pwo_205.026
zur schaffenden Natur darf uns aber nicht wie den eben pwo_205.027
genannten realistischen Dramaturgen blind gegen den Fortschritt machen, pwo_205.028
den unser deutsches Trauerspiel im 18. und 19. Jahrhundert errungen, pwo_205.029
indem es den Menschen innerlich über sein Schicksal emporhob.
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§ 83. pwo_205.031
Das deutsche Trauerspiel. pwo_205.032
Das deutsche Trauerspiel wie jeder Kulturfaktor unseres Volkes pwo_205.033
zeigt in seiner Entwicklung ein jahrhundertelanges Ringen des nationalen pwo_205.034
Geistes mit fremden Einflüssen, denen er sich weit hingiebt, bis pwo_205.035
er, endlich zur vollen Selbständigkeit erzogen, sich auf die eigene
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