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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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Wesen und Wirkung der griechischen Tragödie.
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Vor eilfertiger Definition der Tragödie in Bausch und Bogen pwo_189.004
warnt schon die verschiedene Erscheinungsform, in der sich diese Gattung pwo_189.005
selbst unter den Händen der griechischen Klassiker darbietet.

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Schwankungen und manche unfertigen Ansätze gewahren wir schon pwo_189.007
im Verhältnis von Handlung und Charakteren. Den Weg bis zum pwo_189.008
Charakterstück vermochte die antike Weltanschauung nicht zu finden: sie pwo_189.009
hat die sittliche Freiheit und Verantwortung erst in dem Maße begriffen pwo_189.010
und errungen, als sie sich christlichen Anschauungen näherte. Die Tragödie pwo_189.011
gelangte auch in ihrer Blütezeit nicht über die Ahnung des Zusammenhangs pwo_189.012
zwischen den Handlungen und dem Charakter des Menschen pwo_189.013
hinaus. Wieweit seine Geschicke von ihm selbst bestimmt werden, pwo_189.014
darüber hatten die Götter einen Schleier gebreitet; doch schon pwo_189.015
dämmert wenigstens die Erkenntnis auf, daß die sündige, leidenschaftliche, pwo_189.016
vermessene Menschennatur im allgemeinen das Verhängnis pwo_189.017
herausfordere.

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Bedeutsam und einschneidend bleibt der Fortschritt immerhin, der pwo_189.019
in der poetischen Entwicklung durch die griechische Tragödie geschieht. pwo_189.020
Jndem die Geschehnisse nicht mehr rein episch als solche äußerlich pwo_189.021
hingenommen, vielmehr als Handlungen handelnder Personen aufgefaßt pwo_189.022
und zu diesen in eine innere Beziehung gesetzt werden, gelangt thatsächlich pwo_189.023
eine neue innere Form der Poesie zur Ausbildung, die nicht pwo_189.024
mehr bloße Thaten und nicht mehr bloße Empfindungen zur Aussprache pwo_189.025
bringt, sondern die auf die Empfindungswelt zurückgeführten pwo_189.026
Thaten, d. i. Handlung (drama), darstellt. Die Bezeichnung Drama pwo_189.027
ist aber in dem arg beschränkenden Sinne zu nehmen, daß die Handlungen pwo_189.028
nicht notgedrungen das Geschick bestimmen. Die Harmonie pwo_189.029
zwischen dem tragischen und dramatischen Zuge des Kunstwerkes ist pwo_189.030
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Wirkung in Anspruch nehmen? Nicht einmal die traurige pwo_189.033
Katastrophe geht durch; aber allerdings erscheint, zumal wenn wir pwo_189.034
auf den Ursprung der griechischen Tragödie zurückblicken, ein ernstes pwo_189.035
Leiden des Helden, die drohende, nach menschlichem Ermessen unabwendbare

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Wesen und Wirkung der griechischen Tragödie.
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  Vor eilfertiger Definition der Tragödie in Bausch und Bogen pwo_189.004
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Charakterstück vermochte die antike Weltanschauung nicht zu finden: sie pwo_189.009
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nicht notgedrungen das Geschick bestimmen. Die Harmonie pwo_189.029
zwischen dem tragischen und dramatischen Zuge des Kunstwerkes ist pwo_189.030
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Wirkung in Anspruch nehmen? Nicht einmal die traurige pwo_189.033
Katastrophe geht durch; aber allerdings erscheint, zumal wenn wir pwo_189.034
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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/203>, abgerufen am 09.11.2024.