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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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Erheben, wen um Hülfe flehn, da Götterfurcht pwo_184.002
Den Lohn der Gottverächter mir erworben hat? pwo_184.003
Doch wenn es so den Göttern wohlgefällig war, pwo_184.004
Erkenn' ich, wenn ich büßte, daß ich schuldig bin: pwo_184.005
Sind diese schuldig, möge dann kein größres Leid pwo_184.006
Sie treffen, als sie wider Recht an mir gethan!"
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Jn solchen Wendungen der Antigone kündigt sich leise schon die pwo_184.008
Ahnung an, das Leben sei der Güter höchstes nicht. Auch sonst fehlt pwo_184.009
es in den reichlichen Sinnsprüchen nicht an sittigendem Gehalt. Bezeichnend pwo_184.010
genug wird immer wieder als "der Uebel allergrößtes für pwo_184.011
die Menschen" die Unbesonnenheit und Vermessenheit hingestellt. Obgleich pwo_184.012
die Charakteristik vorgeschritten, bleibt sie oft noch ohne Bezug pwo_184.013
zur Katastrophe, und der deus ex machina muß bemüht werden, pwo_184.014
oft direkt um in die Handlung der Menschen einzugreifen. So erscheint pwo_184.015
Herakles im "Philoktet" als Bote des Zeus:

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"Jn Sorge für dich bin ich hier und verließ pwo_184.017
Jch das himmlische Reich, pwo_184.018
Zu verkündigen dir die Beschlüsse von Zeus pwo_184.019
Und zu hemmen die Bahn, so du jetzo betrittst."
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Entsprechend schließt Philoktet:

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"Auf glücklicher Bahn sende mich fahrlos, pwo_184.022
Wohin mich beruft des Verhängnisses Macht pwo_184.023
Und von Freunden das Wort, und, der alles bezwingt, pwo_184.024
Der Gott, der solches vollendet!" -
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Sophokles hatte die Menschen noch immer als Jdealbilder für seine pwo_184.026
ethischen Zwecke gemodelt. Euripides sucht die Menschen zu zeigen, pwo_184.027
wie sie sind. Dieser dritte unter den großen Tragikern Griechenlands pwo_184.028
ist Realist sowohl in der Charakterzeichnung wie in der Sprache. pwo_184.029
Anstelle der ethischen Größe tritt Dialektik der Leidenschaft. Fortgesetzt pwo_184.030
beherrscht "der Götter wie der Menschen Los Notwendigkeit pwo_184.031
ohn' Unterschied"; und

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"... Was die Götter pwo_184.033
Verhängen, bleibt uns ja verhüllt, und keiner pwo_184.034
Vermag des Unglücks Nahn vorauszusehn. pwo_184.035
Das Schicksal führt in unerforschte Fernen."
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Nicht das göttliche Schicksal ist blind, wir Menschen sind blind, daß pwo_184.037
wir es nicht zu erkennen vermögen; aber wir sind auch zu schwach,

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Erheben, wen um Hülfe flehn, da Götterfurcht pwo_184.002
Den Lohn der Gottverächter mir erworben hat? pwo_184.003
Doch wenn es so den Göttern wohlgefällig war, pwo_184.004
Erkenn' ich, wenn ich büßte, daß ich schuldig bin: pwo_184.005
Sind diese schuldig, möge dann kein größres Leid pwo_184.006
Sie treffen, als sie wider Recht an mir gethan!“
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Jn solchen Wendungen der Antigone kündigt sich leise schon die pwo_184.008
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Entsprechend schließt Philoktet:

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„Auf glücklicher Bahn sende mich fahrlos, pwo_184.022
Wohin mich beruft des Verhängnisses Macht pwo_184.023
Und von Freunden das Wort, und, der alles bezwingt, pwo_184.024
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  Sophokles hatte die Menschen noch immer als Jdealbilder für seine pwo_184.026
ethischen Zwecke gemodelt. Euripides sucht die Menschen zu zeigen, pwo_184.027
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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/198>, abgerufen am 24.11.2024.