Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_168.001 Hier - wie auch sonst bisweilen - löst sich der Wiederklang auf, pwo_168.002 "Heute, da ich zu ihr kam, pwo_168.005 pwo_168.008Da war alles wieder zahm, pwo_168.006 Bösen Bescheid ich da bekam, pwo_168.007 Mußt abziehn mit Spott und Scham." - Auch wo nicht eine bestimmte Geschichte den Ausgangspunkt der Gefühlserregung pwo_168.009 "Jch ritt mit Lust durch einen Wald, pwo_168.012 pwo_168.017Da sangen die Vöglein jung und alt. pwo_168.013 Sie sangen so lang, bis mich's verdroß, pwo_168.014 Da fielen drei Röslein mir in den Schoß. pwo_168.015 Nun sag, nun sag, gut Röslein rot! pwo_168.016 Lebt noch mein Buhl, oder ist er tot?" Ersichtlich dienen hier die äußeren Erscheinungen aus der Tier- und pwo_168.018 "Und sterb' ich dann, so bin ich tot, pwo_168.021 pwo_168.024So begräbt man mich unter die Röslein rot. pwo_168.022 So begräbt man mich unter dieselbe Stätt', pwo_168.023 Da mir mein Buhl die Treu uffgeben hätt'." Die Wehmut über den Treubruch teilt sich uns eindringlicher mit, pwo_168.025 "Früh morgens, wenn der Tag bricht an, pwo_168.032
Hört man uns schon mit Freuden pwo_168.033 Ein schönes Liedlein stimmen an pwo_168.034 Und wacker drauf arbeiten. pwo_168.035 Die Spule, die ist unser Pflug, pwo_168.036 Das Schifflein ist das Pferde" etc. pwo_168.001 Hier – wie auch sonst bisweilen – löst sich der Wiederklang auf, pwo_168.002 „Heute, da ich zu ihr kam, pwo_168.005 pwo_168.008Da war alles wieder zahm, pwo_168.006 Bösen Bescheid ich da bekam, pwo_168.007 Mußt abziehn mit Spott und Scham.“ – Auch wo nicht eine bestimmte Geschichte den Ausgangspunkt der Gefühlserregung pwo_168.009 „Jch ritt mit Lust durch einen Wald, pwo_168.012 pwo_168.017Da sangen die Vöglein jung und alt. pwo_168.013 Sie sangen so lang, bis mich's verdroß, pwo_168.014 Da fielen drei Röslein mir in den Schoß. pwo_168.015 Nun sag, nun sag, gut Röslein rot! pwo_168.016 Lebt noch mein Buhl, oder ist er tot?“ Ersichtlich dienen hier die äußeren Erscheinungen aus der Tier- und pwo_168.018 „Und sterb' ich dann, so bin ich tot, pwo_168.021 pwo_168.024So begräbt man mich unter die Röslein rot. pwo_168.022 So begräbt man mich unter dieselbe Stätt', pwo_168.023 Da mir mein Buhl die Treu uffgeben hätt'.“ Die Wehmut über den Treubruch teilt sich uns eindringlicher mit, pwo_168.025 „Früh morgens, wenn der Tag bricht an, pwo_168.032
Hört man uns schon mit Freuden pwo_168.033 Ein schönes Liedlein stimmen an pwo_168.034 Und wacker drauf arbeiten. pwo_168.035 Die Spule, die ist unser Pflug, pwo_168.036 Das Schifflein ist das Pferde“ etc. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0182" n="168"/> <lb n="pwo_168.001"/> <p>Hier – wie auch sonst bisweilen – löst sich der Wiederklang auf, <lb n="pwo_168.002"/> um in der Schlußstrophe seinem Gegensatz das Feld zu räumen: desto <lb n="pwo_168.003"/> zugespitzter tritt hervor, daß der Refrän den Grundton heraushob.</p> <lb n="pwo_168.004"/> <lg> <l>„Heute, da ich zu ihr kam,</l> <lb n="pwo_168.005"/> <l>Da war alles wieder zahm,</l> <lb n="pwo_168.006"/> <l>Bösen Bescheid ich da bekam,</l> <lb n="pwo_168.007"/> <l>Mußt abziehn mit Spott und Scham.“ –</l> </lg> <lb n="pwo_168.008"/> <p>Auch wo nicht eine bestimmte Geschichte den Ausgangspunkt der Gefühlserregung <lb n="pwo_168.009"/> bildet, kleidet sich der Gefühlsausbruch meist in erzählenden <lb n="pwo_168.010"/> Schein.</p> <lb n="pwo_168.011"/> <lg> <l> „Jch ritt mit Lust durch einen Wald,</l> <lb n="pwo_168.012"/> <l>Da sangen die Vöglein jung und alt.</l> <lb n="pwo_168.013"/> <l> Sie sangen so lang, bis mich's verdroß,</l> <lb n="pwo_168.014"/> <l>Da fielen drei Röslein mir in den Schoß.</l> <lb n="pwo_168.015"/> <l> Nun sag, nun sag, gut Röslein rot!</l> <lb n="pwo_168.016"/> <l>Lebt noch mein Buhl, oder ist er tot?“</l> </lg> <lb n="pwo_168.017"/> <p>Ersichtlich dienen hier die äußeren Erscheinungen aus der Tier- und <lb n="pwo_168.018"/> Pflanzenwelt zum teil nur als Symbole für die widerstreitenden <lb n="pwo_168.019"/> Empfindungen des Dichters:</p> <lb n="pwo_168.020"/> <lg> <l> „Und sterb' ich dann, so bin ich tot,</l> <lb n="pwo_168.021"/> <l>So begräbt man mich unter die Röslein rot.</l> <lb n="pwo_168.022"/> <l> So begräbt man mich unter dieselbe Stätt',</l> <lb n="pwo_168.023"/> <l>Da mir mein Buhl die Treu uffgeben hätt'.“</l> </lg> <lb n="pwo_168.024"/> <p>Die Wehmut über den Treubruch teilt sich uns eindringlicher mit, <lb n="pwo_168.025"/> weil sie in anschaubaren Vorstellungen, nicht in bloßen Klagen entwickelt <lb n="pwo_168.026"/> ist. – Freilich nimmt allmählich – so weit eine zeitliche Abgrenzung <lb n="pwo_168.027"/> dieser Volkslieder überhaupt möglich – der Zug ins <hi rendition="#g">Allgemeine</hi> <lb n="pwo_168.028"/> zu, so daß anstelle bestimmter Vorgänge der Grundzug <lb n="pwo_168.029"/> <hi rendition="#g">dauernder</hi> Zustände tritt. Doch noch immer bleibt ein erzählender <lb n="pwo_168.030"/> oder sonst plastischer Kern bewahrt. Die Weber singen:</p> <lb n="pwo_168.031"/> <lg> <l>„Früh morgens, wenn der Tag bricht an,</l> <lb n="pwo_168.032"/> <l>Hört man uns schon mit Freuden</l> <lb n="pwo_168.033"/> <l>Ein schönes Liedlein stimmen an</l> <lb n="pwo_168.034"/> <l>Und wacker drauf arbeiten.</l> <lb n="pwo_168.035"/> <l>Die Spule, die ist unser Pflug,</l> <lb n="pwo_168.036"/> <l>Das Schifflein ist das Pferde“ etc.</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [168/0182]
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Hier – wie auch sonst bisweilen – löst sich der Wiederklang auf, pwo_168.002
um in der Schlußstrophe seinem Gegensatz das Feld zu räumen: desto pwo_168.003
zugespitzter tritt hervor, daß der Refrän den Grundton heraushob.
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„Heute, da ich zu ihr kam, pwo_168.005
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Mußt abziehn mit Spott und Scham.“ –
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Auch wo nicht eine bestimmte Geschichte den Ausgangspunkt der Gefühlserregung pwo_168.009
bildet, kleidet sich der Gefühlsausbruch meist in erzählenden pwo_168.010
Schein.
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„Jch ritt mit Lust durch einen Wald, pwo_168.012
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Nun sag, nun sag, gut Röslein rot! pwo_168.016
Lebt noch mein Buhl, oder ist er tot?“
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Ersichtlich dienen hier die äußeren Erscheinungen aus der Tier- und pwo_168.018
Pflanzenwelt zum teil nur als Symbole für die widerstreitenden pwo_168.019
Empfindungen des Dichters:
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Da mir mein Buhl die Treu uffgeben hätt'.“
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Die Wehmut über den Treubruch teilt sich uns eindringlicher mit, pwo_168.025
weil sie in anschaubaren Vorstellungen, nicht in bloßen Klagen entwickelt pwo_168.026
ist. – Freilich nimmt allmählich – so weit eine zeitliche Abgrenzung pwo_168.027
dieser Volkslieder überhaupt möglich – der Zug ins Allgemeine pwo_168.028
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dauernder Zustände tritt. Doch noch immer bleibt ein erzählender pwo_168.030
oder sonst plastischer Kern bewahrt. Die Weber singen:
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„Früh morgens, wenn der Tag bricht an, pwo_168.032
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