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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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Der Dichter kehrt auf den Schauplatz seines Jugendlebens wieder, pwo_161.002
findet aber nicht mehr, was er einst zurückgelassen:

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"Liut unde lant, da ich von kinde bin erzogen, pwo_161.004
die sint mir frömde worden, reht als ez sei gelogen. pwo_161.005
die meine gespilen waren, die sint traege unt alt: pwo_161.006
bereitet ist daz velt, verhouwen ist der walt ..."

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Ohne daß eine wortreiche Analyse der Gefühle erfolgt, teilt sich uns pwo_161.008
die Wehmut mit, die solche Wahrnehmungen hervorrufen. Wir erkennen pwo_161.009
abermals, daß ein Gefühl mitgeteilt werden kann, ohne zu pwo_161.010
reflektierender Aussprache zu gelangen, ja daß die gegenständlichste pwo_161.011
Wiedergabe der erregenden Momente die unmittelbarste pwo_161.012
und wirksamste Form poetischer Darstellung auch in der pwo_161.013
Lyrik bleibt.
Der lyrische Accent wird am Schluß der Strophe pwo_161.014
wie an ihrem Beginn durch einen kurzen Ausruf: "owe!" beigebracht, pwo_161.015
der als Refrän wiederkehrt.

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Nicht anders verfährt die Krone der vorgoetheschen Lyrik, Walthers pwo_161.017
Liebeslied: "Under der linden". Die Darstellung erzählt pwo_161.018
den vollen Verlauf einer anmutigen Natur- und Liebesscene. Zunächst pwo_161.019
werden wir, die Hörer, durch direkte Ansprache in die Situation pwo_161.020
eingeführt:

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"Under der linden pwo_161.022
an der heide, pwo_161.023
da unser zweier bette was, pwo_161.024
da muget ir vinden pwo_161.025
schone beide pwo_161.026
gebrochen bluomen unde gras."

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Schon der Schluß der ersten Strophe geht in Belebung der Scene über:

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"Vor dem walde in einem tal pwo_161.029
schone sanc diu nahtegal";
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nur daß zwischen die beiden letzten Verse als Refrän eine Jnterjektion: pwo_161.031
"tandaradei" geschoben ist, die einstweilen der einzige pwo_161.032
Gefühlsausbruch bleibt. Jn Erzählung der Begegnung, immer aus pwo_161.033
dem Munde der Geliebten, schreiten die beiden folgenden Strophen vor:

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"Ich kam gegangen pwo_161.035
zuo der ouwe:
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Der Dichter kehrt auf den Schauplatz seines Jugendlebens wieder, pwo_161.002
findet aber nicht mehr, was er einst zurückgelassen:

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„Liut unde lant, dâ ich von kinde bin erzogen, pwo_161.004
die sint mir frömde worden, reht als ez sî gelogen. pwo_161.005
die mîne gespilen wâren, die sint traege unt alt: pwo_161.006
bereitet ist daz velt, verhouwen ist der walt ...“

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Ohne daß eine wortreiche Analyse der Gefühle erfolgt, teilt sich uns pwo_161.008
die Wehmut mit, die solche Wahrnehmungen hervorrufen. Wir erkennen pwo_161.009
abermals, daß ein Gefühl mitgeteilt werden kann, ohne zu pwo_161.010
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Wiedergabe der erregenden Momente die unmittelbarste pwo_161.012
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Lyrik bleibt.
Der lyrische Accent wird am Schluß der Strophe pwo_161.014
wie an ihrem Beginn durch einen kurzen Ausruf: „owê!“ beigebracht, pwo_161.015
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Liebeslied: „Under der linden“. Die Darstellung erzählt pwo_161.018
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Schon der Schluß der ersten Strophe geht in Belebung der Scene über:

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Vor dem walde in einem tal pwo_161.029
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Ich kam gegangen pwo_161.035
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[161/0175] pwo_161.001 Der Dichter kehrt auf den Schauplatz seines Jugendlebens wieder, pwo_161.002 findet aber nicht mehr, was er einst zurückgelassen: pwo_161.003 „Liut unde lant, dâ ich von kinde bin erzogen, pwo_161.004 die sint mir frömde worden, reht als ez sî gelogen. pwo_161.005 die mîne gespilen wâren, die sint traege unt alt: pwo_161.006 bereitet ist daz velt, verhouwen ist der walt ...“ pwo_161.007 Ohne daß eine wortreiche Analyse der Gefühle erfolgt, teilt sich uns pwo_161.008 die Wehmut mit, die solche Wahrnehmungen hervorrufen. Wir erkennen pwo_161.009 abermals, daß ein Gefühl mitgeteilt werden kann, ohne zu pwo_161.010 reflektierender Aussprache zu gelangen, ja daß die gegenständlichste pwo_161.011 Wiedergabe der erregenden Momente die unmittelbarste pwo_161.012 und wirksamste Form poetischer Darstellung auch in der pwo_161.013 Lyrik bleibt. Der lyrische Accent wird am Schluß der Strophe pwo_161.014 wie an ihrem Beginn durch einen kurzen Ausruf: „owê!“ beigebracht, pwo_161.015 der als Refrän wiederkehrt. pwo_161.016   Nicht anders verfährt die Krone der vorgoetheschen Lyrik, Walthers pwo_161.017 Liebeslied: „Under der linden“. Die Darstellung erzählt pwo_161.018 den vollen Verlauf einer anmutigen Natur- und Liebesscene. Zunächst pwo_161.019 werden wir, die Hörer, durch direkte Ansprache in die Situation pwo_161.020 eingeführt: pwo_161.021 „Under der linden pwo_161.022 an der heide, pwo_161.023 dâ unser zweier bette was, pwo_161.024 dâ muget ir vinden pwo_161.025 schône beide pwo_161.026 gebrochen bluomen unde gras.“ pwo_161.027 Schon der Schluß der ersten Strophe geht in Belebung der Scene über: pwo_161.028 „Vor dem walde in einem tal pwo_161.029 schône sanc diu nahtegal“; pwo_161.030 nur daß zwischen die beiden letzten Verse als Refrän eine Jnterjektion: pwo_161.031 „tandaradei“ geschoben ist, die einstweilen der einzige pwo_161.032 Gefühlsausbruch bleibt. Jn Erzählung der Begegnung, immer aus pwo_161.033 dem Munde der Geliebten, schreiten die beiden folgenden Strophen vor: pwo_161.034 „Ich kam gegangen pwo_161.035 zuo der ouwe:

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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/175>, abgerufen am 28.11.2024.