Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_002.001 Aus welchen Quellen leiteten sich diese Regeln her? Sie fußten pwo_002.002 pwo_002.006 § 3. pwo_002.007 pwo_002.008Autoritativ-dogmatische Poetik: Horaz. Wie die Renaissance sich überall enger an die Vermittlung der pwo_002.009 Gewiß ist auch in der frühesten modernen Poetik schon eine pwo_002.029 pwo_002.001 Aus welchen Quellen leiteten sich diese Regeln her? Sie fußten pwo_002.002 pwo_002.006 § 3. pwo_002.007 pwo_002.008Autoritativ-dogmatische Poetik: Horaz. Wie die Renaissance sich überall enger an die Vermittlung der pwo_002.009 Gewiß ist auch in der frühesten modernen Poetik schon eine pwo_002.029 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0016" n="2"/> <lb n="pwo_002.001"/> <p> Aus welchen Quellen leiteten sich diese Regeln her? Sie fußten <lb n="pwo_002.002"/> auf Aussprüchen angesehener Kunstrichter des Altertums, das in der <lb n="pwo_002.003"/> Entstehungszeit der deutschen und überhaupt der modernen Poetik, im <lb n="pwo_002.004"/> Zeitalter der Renaissance, als unbedingte <hi rendition="#g">Autorität</hi> in Fragen der <lb n="pwo_002.005"/> Kunst galt.</p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_002.006"/> <head> <hi rendition="#c">§ 3. <lb n="pwo_002.007"/> Autoritativ-dogmatische Poetik: <hi rendition="#g">Horaz</hi>.</hi> </head> <lb n="pwo_002.008"/> <p> Wie die Renaissance sich überall enger an die Vermittlung der <lb n="pwo_002.009"/> Römer als an die griechischen Quellen der antiken Kunst anschloß, <lb n="pwo_002.010"/> war es zunächst Horaz, dessen Epistel an die Pisonen, ursprünglich <lb n="pwo_002.011"/> ein Gelegenheitsgedicht, zum Rang einer Poetik erhoben wurde. <lb n="pwo_002.012"/> Ohne Vollständigkeit zu erstreben oder auch nur das Wesen der Dichtkunst <lb n="pwo_002.013"/> in den Vordergrund stellen zu wollen, ging Horaz davon aus, <lb n="pwo_002.014"/> daß zu den Erfordernissen des vollendeten Dichters nicht bloß Begabung <lb n="pwo_002.015"/> gehöre, die er als selbstverständlich erwähnt, sondern auch <lb n="pwo_002.016"/> treue Beobachtung behufs Nachahmung der Wirklichkeit, ferner Studium <lb n="pwo_002.017"/> und zur Erreichung formeller Meisterschaft Uebung, ebenso <lb n="pwo_002.018"/> Fähigkeit zu einheitlicher Ordnung der Gedanken, schließlich eine Reihe <lb n="pwo_002.019"/> besonderer Eigenschaften namentlich für die dramatische Poesie. Jhm <lb n="pwo_002.020"/> war es vor allem darum zu thun, eine in seiner Zeit eingerissene schwindelhafte <lb n="pwo_002.021"/> Liederlichkeit zu geißeln, die – wie zu manchen Zeiten sonst – <lb n="pwo_002.022"/> prätendierte, daß Talent sowohl den Charakterhalt als Studium und <lb n="pwo_002.023"/> formelle Durchbildung ersetzen könne. Jndem die Renaissance-Poetik <lb n="pwo_002.024"/> diese Beziehung der Epistel außer acht ließ, wurde der kunstmäßigen <lb n="pwo_002.025"/> <hi rendition="#g">Form,</hi> die Horaz neben der Begabung zur Geltung bringen wollte, <lb n="pwo_002.026"/> entscheidender Wert und breitester Raum gewährt, und jede gelegentliche <lb n="pwo_002.027"/> Aeußerung dieser römischen Satire zum Kanon erhoben.</p> <lb n="pwo_002.028"/> <p> Gewiß ist auch in der frühesten modernen Poetik schon eine <lb n="pwo_002.029"/> selbständige Bethätigung zu verspüren: aber sie beschränkte sich in Ergründung <lb n="pwo_002.030"/> des poetischen Wesens gerade darauf, einseitig diejenigen <lb n="pwo_002.031"/> Punkte herauszugreifen, die dem eigenen lehrhaften und formalistischen <lb n="pwo_002.032"/> Geiste Raum zu bieten schienen. „Entweder nützen oder ergötzen <lb n="pwo_002.033"/> wollen die Dichter oder zugleich beides, das Angenehme und Nützliche <lb n="pwo_002.034"/> des Lebens, zur Aussprache bringen“: solche gelegentliche Feststellung <lb n="pwo_002.035"/> ward als Begriffsbestimmung der Poesie ausgegeben, überdies mit </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0016]
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Aus welchen Quellen leiteten sich diese Regeln her? Sie fußten pwo_002.002
auf Aussprüchen angesehener Kunstrichter des Altertums, das in der pwo_002.003
Entstehungszeit der deutschen und überhaupt der modernen Poetik, im pwo_002.004
Zeitalter der Renaissance, als unbedingte Autorität in Fragen der pwo_002.005
Kunst galt.
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§ 3. pwo_002.007
Autoritativ-dogmatische Poetik: Horaz. pwo_002.008
Wie die Renaissance sich überall enger an die Vermittlung der pwo_002.009
Römer als an die griechischen Quellen der antiken Kunst anschloß, pwo_002.010
war es zunächst Horaz, dessen Epistel an die Pisonen, ursprünglich pwo_002.011
ein Gelegenheitsgedicht, zum Rang einer Poetik erhoben wurde. pwo_002.012
Ohne Vollständigkeit zu erstreben oder auch nur das Wesen der Dichtkunst pwo_002.013
in den Vordergrund stellen zu wollen, ging Horaz davon aus, pwo_002.014
daß zu den Erfordernissen des vollendeten Dichters nicht bloß Begabung pwo_002.015
gehöre, die er als selbstverständlich erwähnt, sondern auch pwo_002.016
treue Beobachtung behufs Nachahmung der Wirklichkeit, ferner Studium pwo_002.017
und zur Erreichung formeller Meisterschaft Uebung, ebenso pwo_002.018
Fähigkeit zu einheitlicher Ordnung der Gedanken, schließlich eine Reihe pwo_002.019
besonderer Eigenschaften namentlich für die dramatische Poesie. Jhm pwo_002.020
war es vor allem darum zu thun, eine in seiner Zeit eingerissene schwindelhafte pwo_002.021
Liederlichkeit zu geißeln, die – wie zu manchen Zeiten sonst – pwo_002.022
prätendierte, daß Talent sowohl den Charakterhalt als Studium und pwo_002.023
formelle Durchbildung ersetzen könne. Jndem die Renaissance-Poetik pwo_002.024
diese Beziehung der Epistel außer acht ließ, wurde der kunstmäßigen pwo_002.025
Form, die Horaz neben der Begabung zur Geltung bringen wollte, pwo_002.026
entscheidender Wert und breitester Raum gewährt, und jede gelegentliche pwo_002.027
Aeußerung dieser römischen Satire zum Kanon erhoben.
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Gewiß ist auch in der frühesten modernen Poetik schon eine pwo_002.029
selbständige Bethätigung zu verspüren: aber sie beschränkte sich in Ergründung pwo_002.030
des poetischen Wesens gerade darauf, einseitig diejenigen pwo_002.031
Punkte herauszugreifen, die dem eigenen lehrhaften und formalistischen pwo_002.032
Geiste Raum zu bieten schienen. „Entweder nützen oder ergötzen pwo_002.033
wollen die Dichter oder zugleich beides, das Angenehme und Nützliche pwo_002.034
des Lebens, zur Aussprache bringen“: solche gelegentliche Feststellung pwo_002.035
ward als Begriffsbestimmung der Poesie ausgegeben, überdies mit
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