Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_142.001 "Gar sanft mit lauter Süßigkeit pwo_142.005 pwo_142.012Wirkt diese Liebe auf mein Herz: pwo_142.006 Tags sterb' ich hundertmal vor Schmerz pwo_142.007 Und lebe auf vor Fröhlichkeit. pwo_142.008 Mein Weh ist eine süße Pein, pwo_142.009 Mit der kein fremdes Glück sich mißt; pwo_142.010 Und wenn mein Weh so süß schon ist, pwo_142.011 Wie süß muß dann mein Glück erst sein!" Das ist nicht mehr Veranschaulichung der Gefühle: das ist offenbare pwo_142.013 Der reflektierende und didaktische Charakter der Troubadourlyrik pwo_142.015 "Manch farb'ger Helm und Schwert und Speer pwo_142.022 pwo_142.034Und Schilde schadhaft und zerhaun pwo_142.023 Und fechtend der Vasallen Heer pwo_142.024 Jst im Beginn der Schlacht zu schaun; pwo_142.025 Es schweifen irre Rosse pwo_142.026 Gefallner Reiter durch das Feld, pwo_142.027 Und im Getümmel denkt der Held, pwo_142.028 Wenn er ein edler Sprosse, pwo_142.029 Nur wie er Arm und Köpfe spellt, pwo_142.030 Er, der nicht nachgiebt, lieber fällt. pwo_142.031 Nicht solche Wonne flößt mir ein pwo_142.032 Schlaf, Speis und Trank, als wenn es schallt pwo_142.033 Von beiden Seiten: drauf hinein!" Von epischer Darstellung scheidet sich eine solche Schlachtscene durch pwo_142.035 Rüge und Lob stützt sich naturgemäß auf bestimmte, bis zum pwo_142.039 pwo_142.001 „Gar sanft mit lauter Süßigkeit pwo_142.005 pwo_142.012Wirkt diese Liebe auf mein Herz: pwo_142.006 Tags sterb' ich hundertmal vor Schmerz pwo_142.007 Und lebe auf vor Fröhlichkeit. pwo_142.008 Mein Weh ist eine süße Pein, pwo_142.009 Mit der kein fremdes Glück sich mißt; pwo_142.010 Und wenn mein Weh so süß schon ist, pwo_142.011 Wie süß muß dann mein Glück erst sein!“ Das ist nicht mehr Veranschaulichung der Gefühle: das ist offenbare pwo_142.013 Der reflektierende und didaktische Charakter der Troubadourlyrik pwo_142.015 „Manch farb'ger Helm und Schwert und Speer pwo_142.022 pwo_142.034Und Schilde schadhaft und zerhaun pwo_142.023 Und fechtend der Vasallen Heer pwo_142.024 Jst im Beginn der Schlacht zu schaun; pwo_142.025 Es schweifen irre Rosse pwo_142.026 Gefallner Reiter durch das Feld, pwo_142.027 Und im Getümmel denkt der Held, pwo_142.028 Wenn er ein edler Sprosse, pwo_142.029 Nur wie er Arm und Köpfe spellt, pwo_142.030 Er, der nicht nachgiebt, lieber fällt. pwo_142.031 Nicht solche Wonne flößt mir ein pwo_142.032 Schlaf, Speis und Trank, als wenn es schallt pwo_142.033 Von beiden Seiten: drauf hinein!“ Von epischer Darstellung scheidet sich eine solche Schlachtscene durch pwo_142.035 Rüge und Lob stützt sich naturgemäß auf bestimmte, bis zum pwo_142.039 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0156" n="142"/><lb n="pwo_142.001"/> ergeht sich seine meisten Lieder hindurch mehr in Erörterungen <lb n="pwo_142.002"/> <hi rendition="#g">über</hi> seine Liebe als in Gestaltung von Liebesscenen oder plastischer <lb n="pwo_142.003"/> Verkörperung der Geliebten:</p> <lb n="pwo_142.004"/> <lg> <l>„Gar sanft mit lauter Süßigkeit</l> <lb n="pwo_142.005"/> <l>Wirkt diese Liebe auf mein Herz:</l> <lb n="pwo_142.006"/> <l>Tags sterb' ich hundertmal vor Schmerz</l> <lb n="pwo_142.007"/> <l>Und lebe auf vor Fröhlichkeit.</l> <lb n="pwo_142.008"/> <l>Mein Weh ist eine süße Pein,</l> <lb n="pwo_142.009"/> <l>Mit der kein fremdes Glück sich mißt;</l> <lb n="pwo_142.010"/> <l>Und wenn mein Weh so süß schon ist,</l> <lb n="pwo_142.011"/> <l>Wie süß muß dann mein Glück erst sein!“</l> </lg> <lb n="pwo_142.012"/> <p>Das ist nicht mehr Veranschaulichung der Gefühle: das ist offenbare <lb n="pwo_142.013"/> <hi rendition="#g">Reflexion</hi> über die Gefühle. –</p> <lb n="pwo_142.014"/> <p> Der reflektierende und didaktische Charakter der Troubadourlyrik <lb n="pwo_142.015"/> äußert sich noch unmittelbarer in den <hi rendition="#g">Sirventes,</hi> politischen und <lb n="pwo_142.016"/> moralischen Richtersprüchen in lyrischem Gewande. Bald Lob-, öfter <lb n="pwo_142.017"/> Rügelied, bald Kampflied, bald Aufruf zum Kampf, greift das Sirventes <lb n="pwo_142.018"/> meist in die politischen und sozialen Verhältnisse der Zeit ein. <lb n="pwo_142.019"/> Bei Meistern der Gattung, wie Bertran von Born, finden sich noch <lb n="pwo_142.020"/> recht konkrete Darstellungen:</p> <lb n="pwo_142.021"/> <lg> <l>„Manch farb'ger Helm und Schwert und Speer</l> <lb n="pwo_142.022"/> <l>Und Schilde schadhaft und zerhaun</l> <lb n="pwo_142.023"/> <l>Und fechtend der Vasallen Heer</l> <lb n="pwo_142.024"/> <l>Jst im Beginn der Schlacht zu schaun;</l> <lb n="pwo_142.025"/> <l>Es schweifen irre Rosse</l> <lb n="pwo_142.026"/> <l>Gefallner Reiter durch das Feld,</l> <lb n="pwo_142.027"/> <l>Und im Getümmel denkt der Held,</l> <lb n="pwo_142.028"/> <l><hi rendition="#g">Wenn</hi> er ein edler Sprosse,</l> <lb n="pwo_142.029"/> <l>Nur wie er Arm und Köpfe spellt,</l> <lb n="pwo_142.030"/> <l>Er, der nicht nachgiebt, lieber fällt.</l> <lb n="pwo_142.031"/> <l> Nicht solche Wonne flößt mir ein</l> <lb n="pwo_142.032"/> <l>Schlaf, Speis und Trank, als <hi rendition="#g">wenn</hi> es schallt</l> <lb n="pwo_142.033"/> <l>Von beiden Seiten: drauf hinein!“</l> </lg> <lb n="pwo_142.034"/> <p>Von epischer Darstellung scheidet sich eine solche Schlachtscene durch <lb n="pwo_142.035"/> die <hi rendition="#g">verallgemeinernde</hi> und <hi rendition="#g">hypothetische</hi> Form: nicht eine <lb n="pwo_142.036"/> besondere Schlacht, sondern der <hi rendition="#g">typische</hi> Verlauf der Schlachten <lb n="pwo_142.037"/> schwebt der Phantasie vor.</p> <lb n="pwo_142.038"/> <p> Rüge und Lob stützt sich naturgemäß auf bestimmte, bis zum <lb n="pwo_142.039"/> gewissen Grade in der Vergangenheit liegende, aber doch in der </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0156]
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ergeht sich seine meisten Lieder hindurch mehr in Erörterungen pwo_142.002
über seine Liebe als in Gestaltung von Liebesscenen oder plastischer pwo_142.003
Verkörperung der Geliebten:
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„Gar sanft mit lauter Süßigkeit pwo_142.005
Wirkt diese Liebe auf mein Herz: pwo_142.006
Tags sterb' ich hundertmal vor Schmerz pwo_142.007
Und lebe auf vor Fröhlichkeit. pwo_142.008
Mein Weh ist eine süße Pein, pwo_142.009
Mit der kein fremdes Glück sich mißt; pwo_142.010
Und wenn mein Weh so süß schon ist, pwo_142.011
Wie süß muß dann mein Glück erst sein!“
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Das ist nicht mehr Veranschaulichung der Gefühle: das ist offenbare pwo_142.013
Reflexion über die Gefühle. –
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Der reflektierende und didaktische Charakter der Troubadourlyrik pwo_142.015
äußert sich noch unmittelbarer in den Sirventes, politischen und pwo_142.016
moralischen Richtersprüchen in lyrischem Gewande. Bald Lob-, öfter pwo_142.017
Rügelied, bald Kampflied, bald Aufruf zum Kampf, greift das Sirventes pwo_142.018
meist in die politischen und sozialen Verhältnisse der Zeit ein. pwo_142.019
Bei Meistern der Gattung, wie Bertran von Born, finden sich noch pwo_142.020
recht konkrete Darstellungen:
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„Manch farb'ger Helm und Schwert und Speer pwo_142.022
Und Schilde schadhaft und zerhaun pwo_142.023
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Es schweifen irre Rosse pwo_142.026
Gefallner Reiter durch das Feld, pwo_142.027
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Wenn er ein edler Sprosse, pwo_142.029
Nur wie er Arm und Köpfe spellt, pwo_142.030
Er, der nicht nachgiebt, lieber fällt. pwo_142.031
Nicht solche Wonne flößt mir ein pwo_142.032
Schlaf, Speis und Trank, als wenn es schallt pwo_142.033
Von beiden Seiten: drauf hinein!“
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Von epischer Darstellung scheidet sich eine solche Schlachtscene durch pwo_142.035
die verallgemeinernde und hypothetische Form: nicht eine pwo_142.036
besondere Schlacht, sondern der typische Verlauf der Schlachten pwo_142.037
schwebt der Phantasie vor.
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Rüge und Lob stützt sich naturgemäß auf bestimmte, bis zum pwo_142.039
gewissen Grade in der Vergangenheit liegende, aber doch in der
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