Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_136.001 So beengt nach alledem unsere Kenntnis der griechischen Lyrik pwo_136.002 pwo_136.005 § 65. pwo_136.006 pwo_136.007Die provenzalische Lyrik. Unter der modernen Lyrik genießt den Ruhm der Ursprünglichkeit pwo_136.008 Für eine Bekanntschaft mit epischer Ueberlieferung spricht nicht pwo_136.013 "Verraten seh' ich mich, wie Ferragut, pwo_136.021 pwo_136.024Als er dem Roland seine Furcht bekannt, pwo_136.022 Weshalb er fiel; so weiß auch sie, die Arge, pwo_136.023 Aus meinem Mund, wie ich zu töten bin." Ferner: pwo_136.025"Selbst Persaval, da er an Artus Hof pwo_136.026 pwo_136.028Dem weißen Rittersmann die Wehr genommen, pwo_136.027 War nicht von solcher Lust, wie ich, entglommen." Ein andrer Troubadour singt: pwo_136.029"Jetzt merk' ich wohl, daß ich den Becher trank, pwo_136.030 pwo_136.031Der einst den Tristan macht' unheilbar krank." Neben den modernen Rittersagen blicken antike Stoffe durch, deren pwo_136.032 "Gleich jenen Frau'n, die, wie sie sagen, pwo_136.035
Jm Wald einst Alexander fand, pwo_136.001 So beengt nach alledem unsere Kenntnis der griechischen Lyrik pwo_136.002 pwo_136.005 § 65. pwo_136.006 pwo_136.007Die provenzalische Lyrik. Unter der modernen Lyrik genießt den Ruhm der Ursprünglichkeit pwo_136.008 Für eine Bekanntschaft mit epischer Ueberlieferung spricht nicht pwo_136.013 „Verraten seh' ich mich, wie Ferragut, pwo_136.021 pwo_136.024Als er dem Roland seine Furcht bekannt, pwo_136.022 Weshalb er fiel; so weiß auch sie, die Arge, pwo_136.023 Aus meinem Mund, wie ich zu töten bin.“ Ferner: pwo_136.025„Selbst Persaval, da er an Artus Hof pwo_136.026 pwo_136.028Dem weißen Rittersmann die Wehr genommen, pwo_136.027 War nicht von solcher Lust, wie ich, entglommen.“ Ein andrer Troubadour singt: pwo_136.029„Jetzt merk' ich wohl, daß ich den Becher trank, pwo_136.030 pwo_136.031Der einst den Tristan macht' unheilbar krank.“ Neben den modernen Rittersagen blicken antike Stoffe durch, deren pwo_136.032 „Gleich jenen Frau'n, die, wie sie sagen, pwo_136.035
Jm Wald einst Alexander fand, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0150" n="136"/> <lb n="pwo_136.001"/> <p> So beengt nach alledem unsere Kenntnis der griechischen Lyrik <lb n="pwo_136.002"/> durch die fragmentarische Ueberlieferung ist, läßt sich doch der Weg <lb n="pwo_136.003"/> vom Epischen und Schlicht-Naiven zum Dramatischen einerseits, zum <lb n="pwo_136.004"/> Ethisch-Didaktischen andererseits nicht verkennen.</p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_136.005"/> <head> <hi rendition="#c">§ 65. <lb n="pwo_136.006"/> Die provenzalische Lyrik.</hi> </head> <lb n="pwo_136.007"/> <p> Unter der modernen Lyrik genießt den Ruhm der Ursprünglichkeit <lb n="pwo_136.008"/> vor allem die Poesie der provenzalischen Troubadours. Obgleich <lb n="pwo_136.009"/> auch sie uns gerade nur in den Leistungen einer Blütezeit der Kunst <lb n="pwo_136.010"/> vorliegt, lassen sich doch gewisse Voraussetzungen mit Sicherheit <lb n="pwo_136.011"/> erschließen.</p> <lb n="pwo_136.012"/> <p> Für eine Bekanntschaft mit <hi rendition="#g">epischer</hi> Ueberlieferung spricht nicht <lb n="pwo_136.013"/> nur, daß uns noch einige Versromane aus der Frühzeit der Troubadourdichtung <lb n="pwo_136.014"/> vorliegen, und nicht nur der Zusammenhang mit der <lb n="pwo_136.015"/> nordfranzösischen Litteratur läßt die Beschäftigung mit Sagenstoffen <lb n="pwo_136.016"/> voraussetzen. Vor allem beweisen zahlreiche Vergleiche und sonstige <lb n="pwo_136.017"/> Anspielungen inmitten der lyrischen Gedichte, daß der Schatz epischer <lb n="pwo_136.018"/> Ueberlieferung von großer Ausdehnung gewesen. Man vergleiche <lb n="pwo_136.019"/> Hindeutungen solcher Art:</p> <lb n="pwo_136.020"/> <lg> <l>„Verraten seh' ich mich, wie Ferragut,</l> <lb n="pwo_136.021"/> <l>Als er dem Roland seine Furcht bekannt,</l> <lb n="pwo_136.022"/> <l>Weshalb er fiel; so weiß auch sie, die Arge,</l> <lb n="pwo_136.023"/> <l>Aus meinem Mund, wie ich zu töten bin.“</l> </lg> <lb n="pwo_136.024"/> <p>Ferner:</p> <lb n="pwo_136.025"/> <lg> <l>„Selbst Persaval, da er an Artus Hof</l> <lb n="pwo_136.026"/> <l>Dem weißen Rittersmann die Wehr genommen,</l> <lb n="pwo_136.027"/> <l>War nicht von solcher Lust, wie ich, entglommen.“</l> </lg> <lb n="pwo_136.028"/> <p>Ein andrer Troubadour singt:</p> <lb n="pwo_136.029"/> <lg> <l>„Jetzt merk' ich wohl, daß ich den Becher trank,</l> <lb n="pwo_136.030"/> <l>Der einst den Tristan macht' unheilbar krank.“</l> </lg> <lb n="pwo_136.031"/> <p>Neben den modernen Rittersagen blicken antike Stoffe durch, deren <lb n="pwo_136.032"/> Beliebtheit in der romanischen Poesie des Mittelalters uns auch durch <lb n="pwo_136.033"/> noch erhaltene nordfranzösische Dichtungen belegt ist:</p> <lb n="pwo_136.034"/> <lg> <l>„Gleich jenen Frau'n, die, wie sie sagen,</l> <lb n="pwo_136.035"/> <l>Jm Wald einst Alexander fand,</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [136/0150]
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So beengt nach alledem unsere Kenntnis der griechischen Lyrik pwo_136.002
durch die fragmentarische Ueberlieferung ist, läßt sich doch der Weg pwo_136.003
vom Epischen und Schlicht-Naiven zum Dramatischen einerseits, zum pwo_136.004
Ethisch-Didaktischen andererseits nicht verkennen.
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Die provenzalische Lyrik. pwo_136.007
Unter der modernen Lyrik genießt den Ruhm der Ursprünglichkeit pwo_136.008
vor allem die Poesie der provenzalischen Troubadours. Obgleich pwo_136.009
auch sie uns gerade nur in den Leistungen einer Blütezeit der Kunst pwo_136.010
vorliegt, lassen sich doch gewisse Voraussetzungen mit Sicherheit pwo_136.011
erschließen.
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Für eine Bekanntschaft mit epischer Ueberlieferung spricht nicht pwo_136.013
nur, daß uns noch einige Versromane aus der Frühzeit der Troubadourdichtung pwo_136.014
vorliegen, und nicht nur der Zusammenhang mit der pwo_136.015
nordfranzösischen Litteratur läßt die Beschäftigung mit Sagenstoffen pwo_136.016
voraussetzen. Vor allem beweisen zahlreiche Vergleiche und sonstige pwo_136.017
Anspielungen inmitten der lyrischen Gedichte, daß der Schatz epischer pwo_136.018
Ueberlieferung von großer Ausdehnung gewesen. Man vergleiche pwo_136.019
Hindeutungen solcher Art:
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„Verraten seh' ich mich, wie Ferragut, pwo_136.021
Als er dem Roland seine Furcht bekannt, pwo_136.022
Weshalb er fiel; so weiß auch sie, die Arge, pwo_136.023
Aus meinem Mund, wie ich zu töten bin.“
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Ferner:
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„Selbst Persaval, da er an Artus Hof pwo_136.026
Dem weißen Rittersmann die Wehr genommen, pwo_136.027
War nicht von solcher Lust, wie ich, entglommen.“
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Ein andrer Troubadour singt:
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„Jetzt merk' ich wohl, daß ich den Becher trank, pwo_136.030
Der einst den Tristan macht' unheilbar krank.“
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Neben den modernen Rittersagen blicken antike Stoffe durch, deren pwo_136.032
Beliebtheit in der romanischen Poesie des Mittelalters uns auch durch pwo_136.033
noch erhaltene nordfranzösische Dichtungen belegt ist:
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Jm Wald einst Alexander fand,
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Zitationshilfe: | Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/150>, abgerufen am 16.02.2025. |