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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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Deine Backen stehen lieblich in den Spangen, und dein pwo_124.002
Hals in den Ketten ...

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Deine Augen sind wie Taubenaugen zwischen deinen pwo_124.004
Zöpfen ..."

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Auch die Scenerie ist fort und fort ausgemalt:

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"Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg pwo_124.007
und dahin.

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Die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist pwo_124.009
herbeigekommen, und die Turteltaube läßt sich hören in pwo_124.010
unserm Lande ..."

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Der Umfang ist noch ausgedehnt genug, um zwar ein entschiedenes pwo_124.012
Zurückbleiben hinter der Epopöe, aber keineswegs hinter dem pwo_124.013
epischen Sang erkennen zu lassen.

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Suchen wir neben solchen Berührungen mit dem epischen Lied die pwo_124.015
charakteristischen Merkmale eines neuen Stils, so bekundet sich die Abweichung pwo_124.016
ersichtlich in erster Linie durch den Stoff: statt geschichtlicher pwo_124.017
Ereignisse oder solcher, die geschichtlichen Schein annehmen, pwo_124.018
bildet ein individuelles Erlebnis den Kern des Gedichtes. Was pwo_124.019
den Stil betrifft, so sind die altüberlieferten epischen Darstellungsmittel pwo_124.020
nicht mehr Selbstzweck zur Erzählung eines vergangenen, einmaligen pwo_124.021
Ereignisses, sondern in den Dienst einer gegenwärtigen und andauernden pwo_124.022
Empfindung
getreten: statt der Thatsachen herrscht die pwo_124.023
Empfindung vor, statt vergangener Thatsachen gegenwärtige Empfindung, pwo_124.024
statt einmaliger Thatsachen fortdauernde Empfindung. Gleich pwo_124.025
in der Wunschform setzt das Hohelied ein:

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"Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes."

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Jn Ausrufen bricht fortgesetzt die Empfindung durch das darstellende pwo_124.028
Gerippe; ja die Darstellung selbst, sowohl die Erzählung als die Beschreibung, pwo_124.029
ist mit Vorliebe in die äußere Form des Ausrufs einbezogen:

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"Wie schön und lieblich bist du",

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"Wie schön ist dein Gang in den Schuhen, du Fürstentochter!" pwo_124.033
u. dgl.

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  Deine Backen stehen lieblich in den Spangen, und dein pwo_124.002
Hals in den Ketten ...

pwo_124.003

  Deine Augen sind wie Taubenaugen zwischen deinen pwo_124.004
Zöpfen ...“

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Auch die Scenerie ist fort und fort ausgemalt:

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  „Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg pwo_124.007
und dahin.

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  Die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist pwo_124.009
herbeigekommen, und die Turteltaube läßt sich hören in pwo_124.010
unserm Lande ...“

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  Der Umfang ist noch ausgedehnt genug, um zwar ein entschiedenes pwo_124.012
Zurückbleiben hinter der Epopöe, aber keineswegs hinter dem pwo_124.013
epischen Sang erkennen zu lassen.

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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/138>, abgerufen am 23.11.2024.