Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_105.001 Den vollen Uebergang der Tiererzählung in moralisierende Dienste pwo_105.002 pwo_105.003 §. 57. pwo_105.004 pwo_105.005Das christliche Epos. Jn der vorschreitenden Vergeistigung des Epos nimmt die aus pwo_105.006 Der Gegensatz der romanisch-katholischen und der germanischprotestantischen pwo_105.014 Mit großartiger Einbildungskraft beschwört Dante Himmel und pwo_105.017 Ein Vierteljahrtausend trennt Tasso von ihm. "Das befreite pwo_105.023 Noch weiter greift die Naturentfremdung in der protestantischen pwo_105.035 pwo_105.001 Den vollen Uebergang der Tiererzählung in moralisierende Dienste pwo_105.002 pwo_105.003 §. 57. pwo_105.004 pwo_105.005Das christliche Epos. Jn der vorschreitenden Vergeistigung des Epos nimmt die aus pwo_105.006 Der Gegensatz der romanisch-katholischen und der germanischprotestantischen pwo_105.014 Mit großartiger Einbildungskraft beschwört Dante Himmel und pwo_105.017 Ein Vierteljahrtausend trennt Tasso von ihm. „Das befreite pwo_105.023 Noch weiter greift die Naturentfremdung in der protestantischen pwo_105.035 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0119" n="105"/> <lb n="pwo_105.001"/> <p> Den vollen Uebergang der Tiererzählung in moralisierende Dienste <lb n="pwo_105.002"/> bezeichnet die endliche Gestalt der <hi rendition="#g">Fabel.</hi></p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_105.003"/> <head> <hi rendition="#c">§. 57. <lb n="pwo_105.004"/> Das christliche Epos.</hi> </head> <lb n="pwo_105.005"/> <p> Jn der vorschreitenden Vergeistigung des Epos nimmt die aus <lb n="pwo_105.006"/> christlich religiöser Versenkung erwachsene Erzählung eine besondere <lb n="pwo_105.007"/> Stelle ein. Die Heiligung des Geistes, die Ertötung der Sinne <lb n="pwo_105.008"/> mußte der schwärmerisch sehnenden Lyrik einen gewaltigen Aufschwung <lb n="pwo_105.009"/> verleihen: in der Epik mußte sie an der Auflösung der konkreten <lb n="pwo_105.010"/> Form wirklicher Thatsachen grundsätzlich teilnehmen, um volle seelische <lb n="pwo_105.011"/> Durchdringung, wennschon nicht reine Geistigkeit, zu erreichen und das <lb n="pwo_105.012"/> Uebersinnliche auszumalen.</p> <lb n="pwo_105.013"/> <p> Der Gegensatz der romanisch-katholischen und der germanischprotestantischen <lb n="pwo_105.014"/> Weltanschauung kommt auch auf diesem poetischen Gebiete <lb n="pwo_105.015"/> zum Durchbruch.</p> <lb n="pwo_105.016"/> <p> Mit großartiger Einbildungskraft beschwört <hi rendition="#g">Dante</hi> Himmel und <lb n="pwo_105.017"/> Hölle, um den Zustand der Seelen nach dem Tode zu ergründen. <lb n="pwo_105.018"/> Nicht der Erde, sondern dem Jenseits gehören die Gestalten seiner <lb n="pwo_105.019"/> Göttlichen Komödie; mit schreckensvoller spätmittelalterlicher Phantasie <lb n="pwo_105.020"/> sind die Qualen der Sünder, ist die Seligkeit der weltüberwindenden <lb n="pwo_105.021"/> Liebe und Erlösung visionär geschaut.</p> <lb n="pwo_105.022"/> <p> Ein Vierteljahrtausend trennt <hi rendition="#g">Tasso</hi> von ihm. „Das befreite <lb n="pwo_105.023"/> Jerusalem“ wählt im wesentlichen eine irdische Handlung, ja man <lb n="pwo_105.024"/> meint stellenweise das Muster Homers zu erkennen; aber nicht die <lb n="pwo_105.025"/> geschichtlichen Thatsachen, die er sich anschickt zu erzählen, ziehen den <lb n="pwo_105.026"/> Dichter an: er schaut die Dinge nicht in ihrem Kern, er umspinnt <lb n="pwo_105.027"/> sie mit seinen Träumen, taucht sie in eine Wunderwelt. Tasso entrückt <lb n="pwo_105.028"/> die christlichen Ritter aus der Welt des bloßen Abenteuers in <lb n="pwo_105.029"/> den Dienst einer höheren, religiös geweihten sittlichen Aufgabe. Aber <lb n="pwo_105.030"/> Himmel und Hölle, christliche Heldenthaten und verklärte Liebesabenteuer <lb n="pwo_105.031"/> sind weniger aus religiösem als künstlerischem Jnteresse gezeichnet. <lb n="pwo_105.032"/> Tasso will kein Weltbild geben, auch kein Bild des Uebersinnlichen, <lb n="pwo_105.033"/> nur ein Phantasiebild.</p> <lb n="pwo_105.034"/> <p> Noch weiter greift die Naturentfremdung in der protestantischen <lb n="pwo_105.035"/> Dichtung <hi rendition="#g">Miltons.</hi> Der <hi rendition="#g">individuelle Geist ist ganz auf </hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0119]
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Den vollen Uebergang der Tiererzählung in moralisierende Dienste pwo_105.002
bezeichnet die endliche Gestalt der Fabel.
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§. 57. pwo_105.004
Das christliche Epos. pwo_105.005
Jn der vorschreitenden Vergeistigung des Epos nimmt die aus pwo_105.006
christlich religiöser Versenkung erwachsene Erzählung eine besondere pwo_105.007
Stelle ein. Die Heiligung des Geistes, die Ertötung der Sinne pwo_105.008
mußte der schwärmerisch sehnenden Lyrik einen gewaltigen Aufschwung pwo_105.009
verleihen: in der Epik mußte sie an der Auflösung der konkreten pwo_105.010
Form wirklicher Thatsachen grundsätzlich teilnehmen, um volle seelische pwo_105.011
Durchdringung, wennschon nicht reine Geistigkeit, zu erreichen und das pwo_105.012
Uebersinnliche auszumalen.
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Der Gegensatz der romanisch-katholischen und der germanischprotestantischen pwo_105.014
Weltanschauung kommt auch auf diesem poetischen Gebiete pwo_105.015
zum Durchbruch.
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Mit großartiger Einbildungskraft beschwört Dante Himmel und pwo_105.017
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Nicht der Erde, sondern dem Jenseits gehören die Gestalten seiner pwo_105.019
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sind die Qualen der Sünder, ist die Seligkeit der weltüberwindenden pwo_105.021
Liebe und Erlösung visionär geschaut.
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Ein Vierteljahrtausend trennt Tasso von ihm. „Das befreite pwo_105.023
Jerusalem“ wählt im wesentlichen eine irdische Handlung, ja man pwo_105.024
meint stellenweise das Muster Homers zu erkennen; aber nicht die pwo_105.025
geschichtlichen Thatsachen, die er sich anschickt zu erzählen, ziehen den pwo_105.026
Dichter an: er schaut die Dinge nicht in ihrem Kern, er umspinnt pwo_105.027
sie mit seinen Träumen, taucht sie in eine Wunderwelt. Tasso entrückt pwo_105.028
die christlichen Ritter aus der Welt des bloßen Abenteuers in pwo_105.029
den Dienst einer höheren, religiös geweihten sittlichen Aufgabe. Aber pwo_105.030
Himmel und Hölle, christliche Heldenthaten und verklärte Liebesabenteuer pwo_105.031
sind weniger aus religiösem als künstlerischem Jnteresse gezeichnet. pwo_105.032
Tasso will kein Weltbild geben, auch kein Bild des Uebersinnlichen, pwo_105.033
nur ein Phantasiebild.
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Noch weiter greift die Naturentfremdung in der protestantischen pwo_105.035
Dichtung Miltons. Der individuelle Geist ist ganz auf
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