Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_098.001 pwo_098.003 § 54. pwo_098.004 pwo_098.005Das internationale Ritterepos. Während so die nationale Sage, der eigentliche Gehalt der Erzählungskunst pwo_098.006 Jn der auf nationale Sage zurückgehenden Epopöe bilden die pwo_098.017 Wohl konnten hie und da eine Reihe günstiger Umstände zusammentreffen, pwo_098.024 Wolfram behält aus dem nationalen Stil nicht nur eine Fülle pwo_098.034 pwo_098.001 pwo_098.003 § 54. pwo_098.004 pwo_098.005Das internationale Ritterepos. Während so die nationale Sage, der eigentliche Gehalt der Erzählungskunst pwo_098.006 Jn der auf nationale Sage zurückgehenden Epopöe bilden die pwo_098.017 Wohl konnten hie und da eine Reihe günstiger Umstände zusammentreffen, pwo_098.024 Wolfram behält aus dem nationalen Stil nicht nur eine Fülle pwo_098.034 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0112" n="98"/><lb n="pwo_098.001"/> hier nicht mehr Brunhilden, sondern Kriemhilden, und zwar aus <lb n="pwo_098.002"/> der Gewalt des Drachen!</p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_098.003"/> <head> <hi rendition="#c">§ 54. <lb n="pwo_098.004"/> Das internationale Ritterepos.</hi> </head> <lb n="pwo_098.005"/> <p> Während so die nationale Sage, der eigentliche Gehalt der Erzählungskunst <lb n="pwo_098.006"/> während ihres Blühens, der Entartung anheimfiel, fordert <lb n="pwo_098.007"/> die Zeit noch in andrer Weise vom epischen Stil ihren Tribut. <lb n="pwo_098.008"/> Schon sahen wir Reflexion über Gefühle in die Darstellung der Thatsachen <lb n="pwo_098.009"/> eindringen; im Zusammenhang mit dem nun hereinbrechenden <lb n="pwo_098.010"/> Zeitalter lyrischer Blüte sowie unter Begünstigung durch romanisches <lb n="pwo_098.011"/> Muster tritt zusehends die Erzählung der Thatsachen immer weiter <lb n="pwo_098.012"/> in den Hintergrund, zu Gunsten eines Schwelgens in Gefühlen. <lb n="pwo_098.013"/> Nicht sowohl die äußeren Geschehnisse als die <hi rendition="#g">Seelenzustände</hi> gewinnen <lb n="pwo_098.014"/> für dies Zeitalter das Hauptinteresse: anstelle der Thatenfreude <lb n="pwo_098.015"/> tritt die Selbstversenkung.</p> <lb n="pwo_098.016"/> <p> Jn der auf nationale Sage zurückgehenden Epopöe bilden die <lb n="pwo_098.017"/> Großthaten der Vorfahren noch einen starken Damm konkreter Geschehnisse <lb n="pwo_098.018"/> gegenüber dem sich regenden modernen Gefühlsleben. Viel <lb n="pwo_098.019"/> weniger behindert flutet es in die Darstellung der <hi rendition="#g">fremdher</hi> geholten <lb n="pwo_098.020"/> Abenteuer, die nun zu einer Art <hi rendition="#g">internationaler</hi> Stoffwelt <lb n="pwo_098.021"/> an einander rücken. Auch in die deutschen Bearbeitungen geht überdies <lb n="pwo_098.022"/> weithin der Stil ihrer romanischen Quellen über.</p> <lb n="pwo_098.023"/> <p> Wohl konnten hie und da eine Reihe günstiger Umstände zusammentreffen, <lb n="pwo_098.024"/> um auch diesem neuen Stil einen gewissen Zusammenhang <lb n="pwo_098.025"/> mit der alten Erzählungskunst zu wahren. Wenn ein echter <lb n="pwo_098.026"/> und deutsch-gemütvoller Dichter wie <hi rendition="#g">Wolfram von Eschenbach</hi> <lb n="pwo_098.027"/> sich fremder Stoffe bemächtigt, muß sich der Darstellung notgedrungen <lb n="pwo_098.028"/> etwas von heimischem Geist aufprägen, zumal seine fränkische Heimat <lb n="pwo_098.029"/> nicht unmittelbar der fremden Hochflut ausgesetzt war. Kommt hinzu, <lb n="pwo_098.030"/> daß er, des Schreibens unkundig, zu mündlichem Diktat seiner Dichtung <lb n="pwo_098.031"/> genötigt ist, so muß von selbst ein gut Stück Anschaulichkeit des <lb n="pwo_098.032"/> liedartigen Stils in seine Erzählung übergehen.</p> <lb n="pwo_098.033"/> <p> Wolfram behält aus dem nationalen Stil nicht nur eine Fülle <lb n="pwo_098.034"/> einzelner alter Wörter und Wendungen bei, welche in andern Ritterepen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0112]
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hier nicht mehr Brunhilden, sondern Kriemhilden, und zwar aus pwo_098.002
der Gewalt des Drachen!
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Das internationale Ritterepos. pwo_098.005
Während so die nationale Sage, der eigentliche Gehalt der Erzählungskunst pwo_098.006
während ihres Blühens, der Entartung anheimfiel, fordert pwo_098.007
die Zeit noch in andrer Weise vom epischen Stil ihren Tribut. pwo_098.008
Schon sahen wir Reflexion über Gefühle in die Darstellung der Thatsachen pwo_098.009
eindringen; im Zusammenhang mit dem nun hereinbrechenden pwo_098.010
Zeitalter lyrischer Blüte sowie unter Begünstigung durch romanisches pwo_098.011
Muster tritt zusehends die Erzählung der Thatsachen immer weiter pwo_098.012
in den Hintergrund, zu Gunsten eines Schwelgens in Gefühlen. pwo_098.013
Nicht sowohl die äußeren Geschehnisse als die Seelenzustände gewinnen pwo_098.014
für dies Zeitalter das Hauptinteresse: anstelle der Thatenfreude pwo_098.015
tritt die Selbstversenkung.
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Jn der auf nationale Sage zurückgehenden Epopöe bilden die pwo_098.017
Großthaten der Vorfahren noch einen starken Damm konkreter Geschehnisse pwo_098.018
gegenüber dem sich regenden modernen Gefühlsleben. Viel pwo_098.019
weniger behindert flutet es in die Darstellung der fremdher geholten pwo_098.020
Abenteuer, die nun zu einer Art internationaler Stoffwelt pwo_098.021
an einander rücken. Auch in die deutschen Bearbeitungen geht überdies pwo_098.022
weithin der Stil ihrer romanischen Quellen über.
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Wohl konnten hie und da eine Reihe günstiger Umstände zusammentreffen, pwo_098.024
um auch diesem neuen Stil einen gewissen Zusammenhang pwo_098.025
mit der alten Erzählungskunst zu wahren. Wenn ein echter pwo_098.026
und deutsch-gemütvoller Dichter wie Wolfram von Eschenbach pwo_098.027
sich fremder Stoffe bemächtigt, muß sich der Darstellung notgedrungen pwo_098.028
etwas von heimischem Geist aufprägen, zumal seine fränkische Heimat pwo_098.029
nicht unmittelbar der fremden Hochflut ausgesetzt war. Kommt hinzu, pwo_098.030
daß er, des Schreibens unkundig, zu mündlichem Diktat seiner Dichtung pwo_098.031
genötigt ist, so muß von selbst ein gut Stück Anschaulichkeit des pwo_098.032
liedartigen Stils in seine Erzählung übergehen.
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Wolfram behält aus dem nationalen Stil nicht nur eine Fülle pwo_098.034
einzelner alter Wörter und Wendungen bei, welche in andern Ritterepen
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