Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_V.001 Das letzte Ziel meiner Betrachtung muß bleiben, die Theorie pwo_V.011 Jndem ich diese Poetik der Oeffentlichkeit übergebe, wage ich zu pwo_V.022 pwo_V.001 Das letzte Ziel meiner Betrachtung muß bleiben, die Theorie pwo_V.011 Jndem ich diese Poetik der Oeffentlichkeit übergebe, wage ich zu pwo_V.022 <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="RV"/><lb n="pwo_V.001"/> Gedanken, besonders über die durch die Tragödie bewirkte <lb n="pwo_V.002"/> Entladung von <hi rendition="#g">Leid,</hi> statt von dem bisher als Entladungsstoff vorausgesetzten <lb n="pwo_V.003"/> Mitleid, sowie über die <hi rendition="#g">Ausdehnung der Katharsislehre</hi> <lb n="pwo_V.004"/> auf alle poetischen Gattungen, auch von Alfred Freiherr von <lb n="pwo_V.005"/> Berger zur Aussprache gelangt (vgl. Bergers Abhandlung: „Wahrheit <lb n="pwo_V.006"/> und Jrrtum in der Katharsis-Theorie des Aristoteles“ in der <lb n="pwo_V.007"/> Schrift: „Aristoteles Poetik, übersetzt und eingeleitet von Theodor <lb n="pwo_V.008"/> Gomperz“ (1897). Verwandte Jdeen klingen ferner in Emil Mauerhofs <lb n="pwo_V.009"/> Abhandlung über „Das Wesen des Tragischen“ (1897) wieder.</p> <lb n="pwo_V.010"/> <p> Das letzte Ziel meiner Betrachtung muß bleiben, die Theorie <lb n="pwo_V.011"/> der Dichtkunst auf einer umfassenden Geschichte der Weltpoesie aufzubauen <lb n="pwo_V.012"/> – ich spreche nicht von Weltlitteratur, weil für Erkenntnis <lb n="pwo_V.013"/> der ästhetischen Gesetze gerade die vorlitterarischen Anfänge nur mündlich <lb n="pwo_V.014"/> fortgepflanzter Poesie von besonderer Bedeutung sind. Der vorliegende <lb n="pwo_V.015"/> Grundriß sucht die Poesieentwicklung in ihren Grundzügen <lb n="pwo_V.016"/> und Hauptmomenten zu zeichnen und damit eine Erkenntnis ihrer <lb n="pwo_V.017"/> ausschlaggebenden Faktoren, ihrer treibenden Kräfte anzubahnen. Die <lb n="pwo_V.018"/> äußere Form des Buches nimmt auf Lehrzwecke Rücksicht: besonders <lb n="pwo_V.019"/> schwebt die Einführung von Lehrern und Studierenden in das Werden <lb n="pwo_V.020"/> und die Wandlung der Kunstgesetze vor.</p> <lb n="pwo_V.021"/> <p> Jndem ich diese Poetik der Oeffentlichkeit übergebe, wage ich zu <lb n="pwo_V.022"/> hoffen, daß auch diejenigen, deren Weg nicht der meine ist, in der <lb n="pwo_V.023"/> Lage sein werden, dem größten Teil meiner Ergebnisse zuzustimmen. <lb n="pwo_V.024"/> Von vorn herein lege ich Gewicht auf die Feststellung, daß die weit <lb n="pwo_V.025"/> überwiegende Zahl der ästhetischen Forscher die Nachahmungstheorie <lb n="pwo_V.026"/> als äußerlich und unzureichend aufgegeben haben. Angesichts des <lb n="pwo_V.027"/> platten, geistlosen, „konsequenten“ Naturalismus in der jüngsten Poesie <lb n="pwo_V.028"/> ist die geschichtliche Erinnerung heilsam, daß der deutsche Poetiker, <lb n="pwo_V.029"/> welcher in der Kunst nichts anderes als pedantisch genaue Naturwiedergabe <lb n="pwo_V.030"/> sah, – Gottsched hieß! Dieser Nüchternheitsapostel und <lb n="pwo_V.031"/> seine Schule sind es, die das Vergnügen, soweit es ihnen Endzweck der <lb n="pwo_V.032"/> Kunst ist, hauptsächlich aus Wahrnehmung der Aehnlichkeit zwischen <lb n="pwo_V.033"/> Urbild und Abbild herleiten. Schon Alexander Baumgarten nahm <lb n="pwo_V.034"/> indes eine besondere Seelenkraft für die Kunst in Anspruch. Die <lb n="pwo_V.035"/> seitdem vorherrschende Auffassung der <hi rendition="#g">Schönheit</hi> als eigentliches Ziel <lb n="pwo_V.036"/> der Poesie ist freilich von der neueren Kunstentwicklung mit Recht </p> </div> </front> </text> </TEI> [RV/0011]
pwo_V.001
Gedanken, besonders über die durch die Tragödie bewirkte pwo_V.002
Entladung von Leid, statt von dem bisher als Entladungsstoff vorausgesetzten pwo_V.003
Mitleid, sowie über die Ausdehnung der Katharsislehre pwo_V.004
auf alle poetischen Gattungen, auch von Alfred Freiherr von pwo_V.005
Berger zur Aussprache gelangt (vgl. Bergers Abhandlung: „Wahrheit pwo_V.006
und Jrrtum in der Katharsis-Theorie des Aristoteles“ in der pwo_V.007
Schrift: „Aristoteles Poetik, übersetzt und eingeleitet von Theodor pwo_V.008
Gomperz“ (1897). Verwandte Jdeen klingen ferner in Emil Mauerhofs pwo_V.009
Abhandlung über „Das Wesen des Tragischen“ (1897) wieder.
pwo_V.010
Das letzte Ziel meiner Betrachtung muß bleiben, die Theorie pwo_V.011
der Dichtkunst auf einer umfassenden Geschichte der Weltpoesie aufzubauen pwo_V.012
– ich spreche nicht von Weltlitteratur, weil für Erkenntnis pwo_V.013
der ästhetischen Gesetze gerade die vorlitterarischen Anfänge nur mündlich pwo_V.014
fortgepflanzter Poesie von besonderer Bedeutung sind. Der vorliegende pwo_V.015
Grundriß sucht die Poesieentwicklung in ihren Grundzügen pwo_V.016
und Hauptmomenten zu zeichnen und damit eine Erkenntnis ihrer pwo_V.017
ausschlaggebenden Faktoren, ihrer treibenden Kräfte anzubahnen. Die pwo_V.018
äußere Form des Buches nimmt auf Lehrzwecke Rücksicht: besonders pwo_V.019
schwebt die Einführung von Lehrern und Studierenden in das Werden pwo_V.020
und die Wandlung der Kunstgesetze vor.
pwo_V.021
Jndem ich diese Poetik der Oeffentlichkeit übergebe, wage ich zu pwo_V.022
hoffen, daß auch diejenigen, deren Weg nicht der meine ist, in der pwo_V.023
Lage sein werden, dem größten Teil meiner Ergebnisse zuzustimmen. pwo_V.024
Von vorn herein lege ich Gewicht auf die Feststellung, daß die weit pwo_V.025
überwiegende Zahl der ästhetischen Forscher die Nachahmungstheorie pwo_V.026
als äußerlich und unzureichend aufgegeben haben. Angesichts des pwo_V.027
platten, geistlosen, „konsequenten“ Naturalismus in der jüngsten Poesie pwo_V.028
ist die geschichtliche Erinnerung heilsam, daß der deutsche Poetiker, pwo_V.029
welcher in der Kunst nichts anderes als pedantisch genaue Naturwiedergabe pwo_V.030
sah, – Gottsched hieß! Dieser Nüchternheitsapostel und pwo_V.031
seine Schule sind es, die das Vergnügen, soweit es ihnen Endzweck der pwo_V.032
Kunst ist, hauptsächlich aus Wahrnehmung der Aehnlichkeit zwischen pwo_V.033
Urbild und Abbild herleiten. Schon Alexander Baumgarten nahm pwo_V.034
indes eine besondere Seelenkraft für die Kunst in Anspruch. Die pwo_V.035
seitdem vorherrschende Auffassung der Schönheit als eigentliches Ziel pwo_V.036
der Poesie ist freilich von der neueren Kunstentwicklung mit Recht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |