Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_088.001 Zu den christlichen und lateinischen Einwirkungen gesellen pwo_088.006 pwo_088.019 § 51. pwo_088.020 pwo_088.021Fortsetzung: Die nationale Epopöe in Deutschland. Erst in der Blüte höfischen Rittertums gelangt die nationale pwo_088.022 Schon der Spielmann muß seinen Stil den veränderten Zeitverhältnissen pwo_088.024 Festpracht, glänzende Waffen, schmucke Kleider werden mit Vorliebe pwo_088.031 Jn unserer Nationalepopöe, dem Nibelungenlied, entspricht pwo_088.035 pwo_088.001 Zu den christlichen und lateinischen Einwirkungen gesellen pwo_088.006 pwo_088.019 § 51. pwo_088.020 pwo_088.021Fortsetzung: Die nationale Epopöe in Deutschland. Erst in der Blüte höfischen Rittertums gelangt die nationale pwo_088.022 Schon der Spielmann muß seinen Stil den veränderten Zeitverhältnissen pwo_088.024 Festpracht, glänzende Waffen, schmucke Kleider werden mit Vorliebe pwo_088.031 Jn unserer Nationalepopöe, dem Nibelungenlied, entspricht pwo_088.035 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0102" n="88"/><lb n="pwo_088.001"/><hi rendition="#g">Ausführlichkeit</hi> alle Lebensverhältnisse; der Dichter selbst tritt <lb n="pwo_088.002"/> <hi rendition="#g">beschreibend</hi> und <hi rendition="#g">lehrend</hi> hervor. Der zugrunde liegende Abenteuerroman <lb n="pwo_088.003"/> mischt sich später unter Einfluß der Spielleute mit Zügen <lb n="pwo_088.004"/> aus der nationalen Sage. –</p> <lb n="pwo_088.005"/> <p> Zu den <hi rendition="#g">christlichen</hi> und <hi rendition="#g">lateinischen</hi> Einwirkungen gesellen <lb n="pwo_088.006"/> sich für die deutsche Erzählung <hi rendition="#g">französische</hi> und <hi rendition="#g">neuere orientalische</hi> <lb n="pwo_088.007"/> Einflüsse aus Anlaß persönlicher Berührung im Zeitalter der <lb n="pwo_088.008"/> Kreuzzüge. Epen deutscher Geistlichen, wie das <hi rendition="#g">Alexanderlied</hi> und <lb n="pwo_088.009"/> das <hi rendition="#g">Rolandslied,</hi> lassen all diese Elemente durch einander wirbeln; <lb n="pwo_088.010"/> den germanischen Stil bewahren sie am weitesten noch in den Kampfschilderungen. <lb n="pwo_088.011"/> Auch <hi rendition="#g">Spielleute</hi> schreiten zur Abfassung größerer <lb n="pwo_088.012"/> Schriftepen vor, in die sie mannigfach altepische Stilelemente aus den <lb n="pwo_088.013"/> von ihnen vorgetragenen Liedern übernehmen, im übrigen aber je <lb n="pwo_088.014"/> nach ihrer Bildung – auch Kleriker mit Kenntnis des Latein traten <lb n="pwo_088.015"/> in ihre Scharen – französische, lateinische und orientalische Quellen <lb n="pwo_088.016"/> hineinleiten. Die Tendenz zu ungeheuerlichen Uebertreibungen und <lb n="pwo_088.017"/> zu drastischer Wirkung läßt den epischen Stil stellenweise bereits <lb n="pwo_088.018"/> arg verrohen.</p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_088.019"/> <head> <hi rendition="#c">§ 51. <lb n="pwo_088.020"/> Fortsetzung: Die nationale Epopöe in Deutschland.</hi> </head> <lb n="pwo_088.021"/> <p> Erst in der Blüte höfischen Rittertums gelangt die nationale <lb n="pwo_088.022"/> Epopöe zur Vollendung.</p> <lb n="pwo_088.023"/> <p> Schon der Spielmann muß seinen Stil den veränderten Zeitverhältnissen <lb n="pwo_088.024"/> anpassen. Singt er nicht mehr den Volksgenossen, sondern <lb n="pwo_088.025"/> dem König und dem Hofgesinde, singt er nicht mehr vor der <lb n="pwo_088.026"/> blutigen Männerschlacht, sondern zu festlicher Feier, so muß höfische <lb n="pwo_088.027"/> Anschauung eindringen, die Schilderung höfischer Pracht überhandnehmen, <lb n="pwo_088.028"/> überhaupt der Kern der Handlung von Ausmalung unwesentlicher <lb n="pwo_088.029"/> Einzelheiten überwuchert werden.</p> <lb n="pwo_088.030"/> <p> Festpracht, glänzende Waffen, schmucke Kleider werden mit Vorliebe <lb n="pwo_088.031"/> beschrieben. Das rote Gold beginnt jetzt eine Rolle in der <lb n="pwo_088.032"/> Dichtung zu spielen. Sogar werden Helden nicht selten nach der <lb n="pwo_088.033"/> Schönheit ihrer Rosse und Gewänder beurteilt.</p> <lb n="pwo_088.034"/> <p> Jn unserer Nationalepopöe, dem <hi rendition="#g">Nibelungenlied,</hi> entspricht <lb n="pwo_088.035"/> dieser höfischen Ausrüstung bereits eine durchaus <hi rendition="#g">höfische Gesin= </hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0102]
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Ausführlichkeit alle Lebensverhältnisse; der Dichter selbst tritt pwo_088.002
beschreibend und lehrend hervor. Der zugrunde liegende Abenteuerroman pwo_088.003
mischt sich später unter Einfluß der Spielleute mit Zügen pwo_088.004
aus der nationalen Sage. –
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Zu den christlichen und lateinischen Einwirkungen gesellen pwo_088.006
sich für die deutsche Erzählung französische und neuere orientalische pwo_088.007
Einflüsse aus Anlaß persönlicher Berührung im Zeitalter der pwo_088.008
Kreuzzüge. Epen deutscher Geistlichen, wie das Alexanderlied und pwo_088.009
das Rolandslied, lassen all diese Elemente durch einander wirbeln; pwo_088.010
den germanischen Stil bewahren sie am weitesten noch in den Kampfschilderungen. pwo_088.011
Auch Spielleute schreiten zur Abfassung größerer pwo_088.012
Schriftepen vor, in die sie mannigfach altepische Stilelemente aus den pwo_088.013
von ihnen vorgetragenen Liedern übernehmen, im übrigen aber je pwo_088.014
nach ihrer Bildung – auch Kleriker mit Kenntnis des Latein traten pwo_088.015
in ihre Scharen – französische, lateinische und orientalische Quellen pwo_088.016
hineinleiten. Die Tendenz zu ungeheuerlichen Uebertreibungen und pwo_088.017
zu drastischer Wirkung läßt den epischen Stil stellenweise bereits pwo_088.018
arg verrohen.
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Fortsetzung: Die nationale Epopöe in Deutschland. pwo_088.021
Erst in der Blüte höfischen Rittertums gelangt die nationale pwo_088.022
Epopöe zur Vollendung.
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Schon der Spielmann muß seinen Stil den veränderten Zeitverhältnissen pwo_088.024
anpassen. Singt er nicht mehr den Volksgenossen, sondern pwo_088.025
dem König und dem Hofgesinde, singt er nicht mehr vor der pwo_088.026
blutigen Männerschlacht, sondern zu festlicher Feier, so muß höfische pwo_088.027
Anschauung eindringen, die Schilderung höfischer Pracht überhandnehmen, pwo_088.028
überhaupt der Kern der Handlung von Ausmalung unwesentlicher pwo_088.029
Einzelheiten überwuchert werden.
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Festpracht, glänzende Waffen, schmucke Kleider werden mit Vorliebe pwo_088.031
beschrieben. Das rote Gold beginnt jetzt eine Rolle in der pwo_088.032
Dichtung zu spielen. Sogar werden Helden nicht selten nach der pwo_088.033
Schönheit ihrer Rosse und Gewänder beurteilt.
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Jn unserer Nationalepopöe, dem Nibelungenlied, entspricht pwo_088.035
dieser höfischen Ausrüstung bereits eine durchaus höfische Gesin=
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