Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_087.001 Von besonderer Bedeutung ist, zu verfolgen, wie sich die Erzählung pwo_087.015 Schon Otfried wollte der lateinischen Poesie nacheifern, freilich pwo_087.029 pwo_087.001 Von besonderer Bedeutung ist, zu verfolgen, wie sich die Erzählung pwo_087.015 Schon Otfried wollte der lateinischen Poesie nacheifern, freilich pwo_087.029 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0101" n="87"/><lb n="pwo_087.001"/> Personen, vor allem der Dichter selbst, der überhaupt gern hervortritt; <lb n="pwo_087.002"/> auch <hi rendition="#g">Motivierung</hi> wird möglichst immer gesucht, <hi rendition="#g">Kleinmalerei</hi> <lb n="pwo_087.003"/> bisweilen glücklich eingeführt. Dabei erzeugt das Streben <lb n="pwo_087.004"/> nach Veranschaulichung noch immer manch plastisches Bild. Die Auflösung <lb n="pwo_087.005"/> des Langverses in zwei durch Endreim gebundene Halbverse <lb n="pwo_087.006"/> bedingte aber auch eine weitere Auflösung der alten Stilelemente: <lb n="pwo_087.007"/> der parallele Gliederbau des Satzes verliert viel von der alten anschaulichen <lb n="pwo_087.008"/> Architektonik, die Strich auf Strich zu einem plastischen <lb n="pwo_087.009"/> Gesamtbild zusammentrug; jetzt geht er in die <hi rendition="#g">Breite</hi> oft nur um <lb n="pwo_087.010"/> die Strophe zu füllen. Aehnlich begegnen sich in formelhaften Zusammensetzungen <lb n="pwo_087.011"/> liedartige und litterarische Rücksichten. Die Satzverknüpfung <lb n="pwo_087.012"/> geschieht nach litterarischem Stil schon weithin durch <lb n="pwo_087.013"/> <hi rendition="#g">Konjunktionen.</hi> –</p> <lb n="pwo_087.014"/> <p> Von besonderer Bedeutung ist, zu verfolgen, wie sich die Erzählung <lb n="pwo_087.015"/> nationaler Heldenthaten unter den Händen der Geistlichen <lb n="pwo_087.016"/> gestaltet: von den Händen darf man thatsächlich sprechen, da diese <lb n="pwo_087.017"/> Dichtungen für die Niederschrift gedichtet sind. Das Ludwigslied aus <lb n="pwo_087.018"/> dem Jahre 881 verherrlicht den Sieg, welchen Ludwig <hi rendition="#aq">III</hi>. über die <lb n="pwo_087.019"/> Normannen bei Saucourt davontrug. Jn echt epischer Weise unternimmt <lb n="pwo_087.020"/> es nicht bloß eine Siegesfeier, vielmehr eine <hi rendition="#g">Erzählung,</hi> <lb n="pwo_087.021"/> zunächst von Ludwigs Vorleben; daran schließt sich die Unterredung <lb n="pwo_087.022"/> zwischen Gott und dem König, alsdann zwischen diesem und seinen <lb n="pwo_087.023"/> Kampfgenossen; an die kurze, bedeutsame Bezeugung des Schlachtgesanges <lb n="pwo_087.024"/> schließt sich eine ganz eng gedrängte Uebersicht über das Anheben <lb n="pwo_087.025"/> des Kampfes; das Lob Gottes macht den Schluß. Die schnelle <lb n="pwo_087.026"/> Handlungsfolge hat der geistliche Dichter indes durch <hi rendition="#g">subjektive</hi> <lb n="pwo_087.027"/> Zwischenbemerkungen, teils Ausrufe, teils Urteile durchbrochen. –</p> <lb n="pwo_087.028"/> <p> Schon Otfried wollte der lateinischen Poesie nacheifern, freilich <lb n="pwo_087.029"/> in deutscher Sprache mit ihr wetteifern. Dagegen gelangen eine Reihe <lb n="pwo_087.030"/> nationaler Sagen von geistlicher Hand zu lateinischer Niederschrift. <lb n="pwo_087.031"/> Während das <hi rendition="#g">Waltharilied</hi> des 10. Jahrhunderts noch den germanischen <lb n="pwo_087.032"/> Geist und Stil aus dem fremden Gewande hervorblicken <lb n="pwo_087.033"/> läßt, spiegelt der in die Mitte des 11. Jahrhunderts fallende <hi rendition="#g">Ruodlieb,</hi> <lb n="pwo_087.034"/> wie nun anstelle des alten landfahrenden Reckentums ein seßhaftes <lb n="pwo_087.035"/> Rittertum mit <hi rendition="#g">milderen,</hi> aber äußerlich glänzenderen Jdealen <lb n="pwo_087.036"/> zur Herrschaft gelangt ist. Die Darstellung umfaßt in epischer </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0101]
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Personen, vor allem der Dichter selbst, der überhaupt gern hervortritt; pwo_087.002
auch Motivierung wird möglichst immer gesucht, Kleinmalerei pwo_087.003
bisweilen glücklich eingeführt. Dabei erzeugt das Streben pwo_087.004
nach Veranschaulichung noch immer manch plastisches Bild. Die Auflösung pwo_087.005
des Langverses in zwei durch Endreim gebundene Halbverse pwo_087.006
bedingte aber auch eine weitere Auflösung der alten Stilelemente: pwo_087.007
der parallele Gliederbau des Satzes verliert viel von der alten anschaulichen pwo_087.008
Architektonik, die Strich auf Strich zu einem plastischen pwo_087.009
Gesamtbild zusammentrug; jetzt geht er in die Breite oft nur um pwo_087.010
die Strophe zu füllen. Aehnlich begegnen sich in formelhaften Zusammensetzungen pwo_087.011
liedartige und litterarische Rücksichten. Die Satzverknüpfung pwo_087.012
geschieht nach litterarischem Stil schon weithin durch pwo_087.013
Konjunktionen. –
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Von besonderer Bedeutung ist, zu verfolgen, wie sich die Erzählung pwo_087.015
nationaler Heldenthaten unter den Händen der Geistlichen pwo_087.016
gestaltet: von den Händen darf man thatsächlich sprechen, da diese pwo_087.017
Dichtungen für die Niederschrift gedichtet sind. Das Ludwigslied aus pwo_087.018
dem Jahre 881 verherrlicht den Sieg, welchen Ludwig III. über die pwo_087.019
Normannen bei Saucourt davontrug. Jn echt epischer Weise unternimmt pwo_087.020
es nicht bloß eine Siegesfeier, vielmehr eine Erzählung, pwo_087.021
zunächst von Ludwigs Vorleben; daran schließt sich die Unterredung pwo_087.022
zwischen Gott und dem König, alsdann zwischen diesem und seinen pwo_087.023
Kampfgenossen; an die kurze, bedeutsame Bezeugung des Schlachtgesanges pwo_087.024
schließt sich eine ganz eng gedrängte Uebersicht über das Anheben pwo_087.025
des Kampfes; das Lob Gottes macht den Schluß. Die schnelle pwo_087.026
Handlungsfolge hat der geistliche Dichter indes durch subjektive pwo_087.027
Zwischenbemerkungen, teils Ausrufe, teils Urteile durchbrochen. –
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Schon Otfried wollte der lateinischen Poesie nacheifern, freilich pwo_087.029
in deutscher Sprache mit ihr wetteifern. Dagegen gelangen eine Reihe pwo_087.030
nationaler Sagen von geistlicher Hand zu lateinischer Niederschrift. pwo_087.031
Während das Waltharilied des 10. Jahrhunderts noch den germanischen pwo_087.032
Geist und Stil aus dem fremden Gewande hervorblicken pwo_087.033
läßt, spiegelt der in die Mitte des 11. Jahrhunderts fallende Ruodlieb, pwo_087.034
wie nun anstelle des alten landfahrenden Reckentums ein seßhaftes pwo_087.035
Rittertum mit milderen, aber äußerlich glänzenderen Jdealen pwo_087.036
zur Herrschaft gelangt ist. Die Darstellung umfaßt in epischer
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