Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. I. Von dem Wesen
gründlich beantworten; so ist für allen
Dingen zu mercken, daß wir in der Kunst
zu allen Wercken, die durch sie zum Vor-
scheine kommen, keine andere Materien
gebrauchen, als die mit unter die Arten
der natürlichen Cörper gehören. Nun
kan mit ihnen in der Kunst keine Verän-
derung sich ereignen, es muß auch zugleich
in ihnen ein Grund anzutreffen seyn, warum
dergleichen Veranderung mit ihnen sich zu-
tragen kan (§. 30 Met.). Derowegen er-
kennet man, daß die natürlichen Cörper, die
als eigenthümliche Materien zu den Wer-
cken der Kunst gebraucht werden, geschickt
sind eine dergleichen Art der Veränderung
in sich ergehen zu lassen und aus was für ei-
nem Grunde sie dazu aufgeleget sind. Und
eben dieser Grund zeiget, wie allgemein
man den Satz machen soll, wenn man ihn
als einen Grund in Erklärung der Natur
machen will. Z. E. Jch sehe, daß ein Ti-
scher, wenn er das Blat zu einem Tische
machen will, von Bretern Stücke loß sä-
get und sie glatt behobelt, bis sie genau in ei-
ner ebene neben einander passen. Hier ent-
stehet in dem Holtze eine Figur, die vorher
nicht darinnen war, in dem Theile von ein-
ander abgesondert, einige davon genommen
und die übrigen auf eine andere Art neben
einander gestellet und zusammen gefüget
werden, als sie vorher bey einander waren.
Fraget man nun, warum solches angehet,

so

Cap. I. Von dem Weſen
gruͤndlich beantworten; ſo iſt fuͤr allen
Dingen zu mercken, daß wir in der Kunſt
zu allen Wercken, die durch ſie zum Vor-
ſcheine kommen, keine andere Materien
gebrauchen, als die mit unter die Arten
der natuͤrlichen Coͤrper gehoͤren. Nun
kan mit ihnen in der Kunſt keine Veraͤn-
derung ſich ereignen, es muß auch zugleich
in ihnen ein Grund anzutreffen ſeyn, warum
dergleichen Veranderung mit ihnen ſich zu-
tragen kan (§. 30 Met.). Derowegen er-
kennet man, daß die natuͤrlichen Coͤrper, die
als eigenthuͤmliche Materien zu den Wer-
cken der Kunſt gebraucht werden, geſchickt
ſind eine dergleichen Art der Veraͤnderung
in ſich ergehen zu laſſen und aus was fuͤr ei-
nem Grunde ſïe dazu aufgeleget ſind. Und
eben dieſer Grund zeiget, wie allgemein
man den Satz machen ſoll, wenn man ihn
als einen Grund in Erklaͤrung der Natur
machen will. Z. E. Jch ſehe, daß ein Ti-
ſcher, wenn er das Blat zu einem Tiſche
machen will, von Bretern Stuͤcke loß ſaͤ-
get und ſie glatt behobelt, bis ſie genau in ei-
ner ebene neben einander paſſen. Hier ent-
ſtehet in dem Holtze eine Figur, die vorher
nicht darinnen war, in dem Theile von ein-
ander abgeſondert, einige davon genommen
und die uͤbrigen auf eine andere Art neben
einander geſtellet und zuſammen gefuͤget
werden, als ſie vorher bey einander waren.
Fraget man nun, warum ſolches angehet,

ſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0090" n="54"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Cap. I.</hi> Von dem We&#x017F;en</hi></fw><lb/>
gru&#x0364;ndlich beantworten; &#x017F;o i&#x017F;t fu&#x0364;r allen<lb/>
Dingen zu mercken, daß wir in der Kun&#x017F;t<lb/>
zu allen Wercken, die durch &#x017F;ie zum Vor-<lb/>
&#x017F;cheine kommen, keine andere Materien<lb/>
gebrauchen, als die mit unter die Arten<lb/>
der natu&#x0364;rlichen Co&#x0364;rper geho&#x0364;ren. Nun<lb/>
kan mit ihnen in der Kun&#x017F;t keine Vera&#x0364;n-<lb/>
derung &#x017F;ich ereignen, es muß auch zugleich<lb/>
in ihnen ein Grund anzutreffen &#x017F;eyn, warum<lb/>
dergleichen Veranderung mit ihnen &#x017F;ich zu-<lb/>
tragen kan (§. 30 <hi rendition="#aq">Met.</hi>). Derowegen er-<lb/>
kennet man, daß die natu&#x0364;rlichen Co&#x0364;rper, die<lb/>
als eigenthu&#x0364;mliche Materien zu den Wer-<lb/>
cken der Kun&#x017F;t gebraucht werden, ge&#x017F;chickt<lb/>
&#x017F;ind eine dergleichen Art der Vera&#x0364;nderung<lb/>
in &#x017F;ich ergehen zu la&#x017F;&#x017F;en und aus was fu&#x0364;r ei-<lb/>
nem Grunde &#x017F;ïe dazu aufgeleget &#x017F;ind. Und<lb/>
eben die&#x017F;er Grund zeiget, wie allgemein<lb/>
man den Satz machen &#x017F;oll, wenn man ihn<lb/>
als einen Grund in Erkla&#x0364;rung der Natur<lb/>
machen will. Z. E. Jch &#x017F;ehe, daß ein Ti-<lb/>
&#x017F;cher, wenn er das Blat zu einem Ti&#x017F;che<lb/>
machen will, von Bretern Stu&#x0364;cke loß &#x017F;a&#x0364;-<lb/>
get und &#x017F;ie glatt behobelt, bis &#x017F;ie genau in ei-<lb/>
ner ebene neben einander pa&#x017F;&#x017F;en. Hier ent-<lb/>
&#x017F;tehet in dem Holtze eine Figur, die vorher<lb/>
nicht darinnen war, in dem Theile von ein-<lb/>
ander abge&#x017F;ondert, einige davon genommen<lb/>
und die u&#x0364;brigen auf eine andere Art neben<lb/>
einander ge&#x017F;tellet und zu&#x017F;ammen gefu&#x0364;get<lb/>
werden, als &#x017F;ie vorher bey einander waren.<lb/>
Fraget man nun, warum &#x017F;olches angehet,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0090] Cap. I. Von dem Weſen gruͤndlich beantworten; ſo iſt fuͤr allen Dingen zu mercken, daß wir in der Kunſt zu allen Wercken, die durch ſie zum Vor- ſcheine kommen, keine andere Materien gebrauchen, als die mit unter die Arten der natuͤrlichen Coͤrper gehoͤren. Nun kan mit ihnen in der Kunſt keine Veraͤn- derung ſich ereignen, es muß auch zugleich in ihnen ein Grund anzutreffen ſeyn, warum dergleichen Veranderung mit ihnen ſich zu- tragen kan (§. 30 Met.). Derowegen er- kennet man, daß die natuͤrlichen Coͤrper, die als eigenthuͤmliche Materien zu den Wer- cken der Kunſt gebraucht werden, geſchickt ſind eine dergleichen Art der Veraͤnderung in ſich ergehen zu laſſen und aus was fuͤr ei- nem Grunde ſïe dazu aufgeleget ſind. Und eben dieſer Grund zeiget, wie allgemein man den Satz machen ſoll, wenn man ihn als einen Grund in Erklaͤrung der Natur machen will. Z. E. Jch ſehe, daß ein Ti- ſcher, wenn er das Blat zu einem Tiſche machen will, von Bretern Stuͤcke loß ſaͤ- get und ſie glatt behobelt, bis ſie genau in ei- ner ebene neben einander paſſen. Hier ent- ſtehet in dem Holtze eine Figur, die vorher nicht darinnen war, in dem Theile von ein- ander abgeſondert, einige davon genommen und die uͤbrigen auf eine andere Art neben einander geſtellet und zuſammen gefuͤget werden, als ſie vorher bey einander waren. Fraget man nun, warum ſolches angehet, ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/90
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/90>, abgerufen am 22.11.2024.