Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Cap. I. Von dem Wesen der Theile oder ihres Standes gegen ein-ander aus einem Cörper ein gantz anderer heraus kommen kan, als vorhin da war. Wir finden dergleichen Exempel auch in der Kunst. Weitzen, Mehl, Semmel, Brey, Kleister, Krafft-Mehl etc. sind alles verschiedene Arten der Cörper und niemand wird es ihnen ansehen, daß einerley Mate- rie in allen sey, woferne er es nicht aus der Erfahrung gelernet. Wenn man aber überleget, wie ein Cörper aus dem andern kommet; so wird man keine Veränderung finden, als die in der Figur, der Grösse und der Lage der kleinen Theile vorgegangen. Z. E. Aus dem Weitzen kommet das Mehl, wenn er gemahlen, das ist, zwischen zwey Steinen gerieben und durchgebeutelt wird, damit die subtilen Theile durchstieben und die groben davon abgesondert werden. Die Stäublein Mehl haben in dem Körn- lein schon würcklich ihre Figur und Grösse und erhalten sie nicht erst durch die Mühle (§. 92. T. III. Exper.). Derowegen kan keine andere Veränderung vorgehen, indem der Weitzen oder anderes Getreyde gemah- len wird, als daß die Lage der Theile ver- ändert wird. Und also bestehet der gantze Unterscheid zwischen dem Weitzen und dem Mehle in der Lage der Theile und ihres Standes gegen einander. Wenn man von Weitzen - Mehle Kleister machet, so wird
Cap. I. Von dem Weſen der Theile oder ihres Standes gegen ein-ander aus einem Coͤrper ein gantz anderer heraus kommen kan, als vorhin da war. Wir finden dergleichen Exempel auch in der Kunſt. Weitzen, Mehl, Semmel, Brey, Kleiſter, Krafft-Mehl ꝛc. ſind alles verſchiedene Arten der Coͤrper und niemand wird es ihnen anſehen, daß einerley Mate- rie in allen ſey, woferne er es nicht aus der Erfahrung gelernet. Wenn man aber uͤberleget, wie ein Coͤrper aus dem andern kommet; ſo wird man keine Veraͤnderung finden, als die in der Figur, der Groͤſſe und der Lage der kleinen Theile vorgegangen. Z. E. Aus dem Weitzen kommet das Mehl, wenn er gemahlen, das iſt, zwiſchen zwey Steinen gerieben und durchgebeutelt wird, damit die ſubtilen Theile durchſtieben und die groben davon abgeſondert werden. Die Staͤublein Mehl haben in dem Koͤrn- lein ſchon wuͤrcklich ihre Figur und Groͤſſe und erhalten ſie nicht erſt durch die Muͤhle (§. 92. T. III. Exper.). Derowegen kan keine andere Veraͤnderung vorgehen, indem der Weitzen oder anderes Getreyde gemah- len wird, als daß die Lage der Theile ver- aͤndert wird. Und alſo beſtehet der gantze Unterſcheid zwiſchen dem Weitzen und dem Mehle in der Lage der Theile und ihres Standes gegen einander. Wenn man von Weitzen - Mehle Kleiſter machet, ſo wird
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0078" n="42"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Cap. I.</hi> Von dem Weſen</hi></fw><lb/> der Theile oder ihres Standes gegen ein-<lb/> ander aus einem Coͤrper ein gantz anderer<lb/> heraus kommen kan, als vorhin da war.<lb/> Wir finden dergleichen Exempel auch in<lb/> der Kunſt. Weitzen, Mehl, Semmel,<lb/> Brey, Kleiſter, Krafft-Mehl ꝛc. ſind alles<lb/> verſchiedene Arten der Coͤrper und niemand<lb/> wird es ihnen anſehen, daß einerley Mate-<lb/> rie in allen ſey, woferne er es nicht aus der<lb/> Erfahrung gelernet. Wenn man aber<lb/> uͤberleget, wie ein Coͤrper aus dem andern<lb/> kommet; ſo wird man keine Veraͤnderung<lb/> finden, als die in der Figur, der Groͤſſe und<lb/> der Lage der kleinen Theile vorgegangen.<lb/> Z. E. Aus dem Weitzen kommet das<lb/> Mehl, wenn er gemahlen, das iſt, zwiſchen<lb/> zwey Steinen gerieben und durchgebeutelt<lb/> wird, damit die ſubtilen Theile durchſtieben<lb/> und die groben davon abgeſondert werden.<lb/> Die Staͤublein Mehl haben in dem Koͤrn-<lb/> lein ſchon wuͤrcklich ihre Figur und Groͤſſe<lb/> und erhalten ſie nicht erſt durch die Muͤhle<lb/> (§. 92. <hi rendition="#aq">T. III. Exper.</hi>). Derowegen kan<lb/> keine andere Veraͤnderung vorgehen, indem<lb/> der Weitzen oder anderes Getreyde gemah-<lb/> len wird, als daß die Lage der Theile ver-<lb/> aͤndert wird. Und alſo beſtehet der gantze<lb/> Unterſcheid zwiſchen dem Weitzen und dem<lb/> Mehle in der Lage der Theile und ihres<lb/> Standes gegen einander. Wenn man<lb/> von Weitzen - Mehle Kleiſter machet, ſo<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wird</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0078]
Cap. I. Von dem Weſen
der Theile oder ihres Standes gegen ein-
ander aus einem Coͤrper ein gantz anderer
heraus kommen kan, als vorhin da war.
Wir finden dergleichen Exempel auch in
der Kunſt. Weitzen, Mehl, Semmel,
Brey, Kleiſter, Krafft-Mehl ꝛc. ſind alles
verſchiedene Arten der Coͤrper und niemand
wird es ihnen anſehen, daß einerley Mate-
rie in allen ſey, woferne er es nicht aus der
Erfahrung gelernet. Wenn man aber
uͤberleget, wie ein Coͤrper aus dem andern
kommet; ſo wird man keine Veraͤnderung
finden, als die in der Figur, der Groͤſſe und
der Lage der kleinen Theile vorgegangen.
Z. E. Aus dem Weitzen kommet das
Mehl, wenn er gemahlen, das iſt, zwiſchen
zwey Steinen gerieben und durchgebeutelt
wird, damit die ſubtilen Theile durchſtieben
und die groben davon abgeſondert werden.
Die Staͤublein Mehl haben in dem Koͤrn-
lein ſchon wuͤrcklich ihre Figur und Groͤſſe
und erhalten ſie nicht erſt durch die Muͤhle
(§. 92. T. III. Exper.). Derowegen kan
keine andere Veraͤnderung vorgehen, indem
der Weitzen oder anderes Getreyde gemah-
len wird, als daß die Lage der Theile ver-
aͤndert wird. Und alſo beſtehet der gantze
Unterſcheid zwiſchen dem Weitzen und dem
Mehle in der Lage der Theile und ihres
Standes gegen einander. Wenn man
von Weitzen - Mehle Kleiſter machet, ſo
wird
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/78 |
Zitationshilfe: | Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/78>, abgerufen am 16.02.2025. |