Ehe die fleischerne Fasern verkür-Wie die fleischer- ne Fasern verkürtzet werden. tzet werden und dadurch eine Bewegung er- folget, muß vorher durch die Nerven oder Span-Adern dem Mäuslein etwas flüßi- ges zugeführet werden, welches wir den Nerven-Safft (succum neruosum) nen- nen wollen, die Alten aber mit dem Nah- men der Lebens-Geister (Spirituum ani- malium) beleget. Man kan es am besten durch folgenden Versuch erweisen. Wenn man einen Hund lebendig aufschneidet und den Nerven, der zu dem Zwerg-Felle (diaphragma) gehet, bindet: so höret die Bewegung des Zwerg-Felles bald auf. Streichet man mit ein paar Fingern von dar an, wo man ihn gebunden, gegen das Zwerg-Fell hinunter; so beginnet es noch etliche mahl sich auf und nieder zu bewegen und höret nach dem die Bewegung auf, biß man den Nerven wieder aufbindet. Eben so bekräfftiget die Erfahrung, daß das Glied lahm wird, wenn die Nerven, so hin- eingehen, zerschnitten werden. Man hat sich demnach eingebildet, als wenn die Fa- sern, welche nichts anders als kleine Röhr- lein sind, die mit einem Saffte erfüllet, von dem Nerven Saffte aufgeblasen würden, wodurch sie nach der Dicke zu nehmen, nach der Länge aber verkürtzet werden, und hat Sturm(a) solches durch die Blasen-Machi-
ne
(a)in Collegio Curioso part. 2.
der Thiere und des Menſchen.
§. 435.
Ehe die fleiſcherne Faſern verkuͤr-Wie die fleiſcher- ne Faſern verkuͤrtzet werden. tzet werden und dadurch eine Bewegung er- folget, muß vorher durch die Nerven oder Span-Adern dem Maͤuslein etwas fluͤßi- ges zugefuͤhret werden, welches wir den Nerven-Safft (ſuccum neruoſum) nen- nen wollen, die Alten aber mit dem Nah- men der Lebens-Geiſter (Spirituum ani- malium) beleget. Man kan es am beſten durch folgenden Verſuch erweiſen. Wenn man einen Hund lebendig aufſchneidet und den Nerven, der zu dem Zwerg-Felle (diaphragma) gehet, bindet: ſo hoͤret die Bewegung des Zwerg-Felles bald auf. Streichet man mit ein paar Fingern von dar an, wo man ihn gebunden, gegen das Zwerg-Fell hinunter; ſo beginnet es noch etliche mahl ſich auf und nieder zu bewegen und hoͤret nach dem die Bewegung auf, biß man den Nerven wieder aufbindet. Eben ſo bekraͤfftiget die Erfahrung, daß das Glied lahm wird, wenn die Nerven, ſo hin- eingehen, zerſchnitten werden. Man hat ſich demnach eingebildet, als wenn die Fa- ſern, welche nichts anders als kleine Roͤhr- lein ſind, die mit einem Saffte erfuͤllet, von dem Nerven Saffte aufgeblaſen wuͤrden, wodurch ſie nach der Dicke zu nehmen, nach der Laͤnge aber verkuͤrtzet werden, und hat Sturm(a) ſolches durch die Blaſen-Machi-
ne
(a)in Collegio Curioſo part. 2.
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der Thiere und des Menſchen.
§. 435. Ehe die fleiſcherne Faſern verkuͤr-
tzet werden und dadurch eine Bewegung er-
folget, muß vorher durch die Nerven oder
Span-Adern dem Maͤuslein etwas fluͤßi-
ges zugefuͤhret werden, welches wir den
Nerven-Safft (ſuccum neruoſum) nen-
nen wollen, die Alten aber mit dem Nah-
men der Lebens-Geiſter (Spirituum ani-
malium) beleget. Man kan es am beſten
durch folgenden Verſuch erweiſen. Wenn
man einen Hund lebendig aufſchneidet und
den Nerven, der zu dem Zwerg-Felle
(diaphragma) gehet, bindet: ſo hoͤret die
Bewegung des Zwerg-Felles bald auf.
Streichet man mit ein paar Fingern von
dar an, wo man ihn gebunden, gegen das
Zwerg-Fell hinunter; ſo beginnet es noch
etliche mahl ſich auf und nieder zu bewegen
und hoͤret nach dem die Bewegung auf,
biß man den Nerven wieder aufbindet.
Eben ſo bekraͤfftiget die Erfahrung, daß das
Glied lahm wird, wenn die Nerven, ſo hin-
eingehen, zerſchnitten werden. Man hat
ſich demnach eingebildet, als wenn die Fa-
ſern, welche nichts anders als kleine Roͤhr-
lein ſind, die mit einem Saffte erfuͤllet, von
dem Nerven Saffte aufgeblaſen wuͤrden,
wodurch ſie nach der Dicke zu nehmen, nach
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Wie die
fleiſcher-
ne Faſern
verkuͤrtzet
werden.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 703. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/739>, abgerufen am 22.11.2024.
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