Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. I. Von dem Wesen
als es vorher war, z. E. daß eine Pflantze
noch eine Pflantze verbliebe, wenn sie in A-
sche verbrennet wird: sondern man behaup-
tet bloß, daß die Würcklichkeit des Wesens
aufhöre und an stat des vorigen Dinges
ein anderes seine Würcklichkeit erreichet,
das dem Wesen nach von dem vorigen un-
terschieden ist, als daß in unserem Falle an
stat der Pflantze, die vorher da war, Asche
heraus kommet.

Auf wel-
che Ver-
änderun-
gen wir
zusehen
haben.
§. 20.

Wir bemühen uns um die Er-
käntnis der Natur, damit wir davon den
Grund anzuzeigen wissen, was sich darin-
nen veränderliches ereignet (§. 5. proleg.
Log
), und vorher sehen können, was un-
ter diesen oder andern Umständen diese o-
der jene Ursachen veränderliches hervor-
bringen können, damit wir die Natur nach
unserem Gefallen können würcken lassen,
was wir begehren, und solchergestalt die er-
langte Erkäntnis zu unserem Nutzen an-
wenden. Da die Materie würcklich so
subtil zertheilet ist, daß wir die Kleinigkeit
der Theile weder mit der Vernunfft errei-
chen, noch mit der Einbildnng fassen kön-
nen (§. 684. met.), das ist, in unendliche
Theile (§. 5), auch über dieses in der Mate-
rie eines Cörpers allerhand Arten der Be-
wegungen anzutreffen sind, die wir uns je-
mahls deutlich zubegreiffen keine Hoffnung
machen dörffen (§. 10); über dieses aber

vor

Cap. I. Von dem Weſen
als es vorher war, z. E. daß eine Pflantze
noch eine Pflantze verbliebe, wenn ſie in A-
ſche verbrennet wird: ſondern man behaup-
tet bloß, daß die Wuͤrcklichkeit des Weſens
aufhoͤre und an ſtat des vorigen Dinges
ein anderes ſeine Wuͤrcklichkeit erreichet,
das dem Weſen nach von dem vorigen un-
terſchieden iſt, als daß in unſerem Falle an
ſtat der Pflantze, die vorher da war, Aſche
heraus kommet.

Auf wel-
che Ver-
aͤnderun-
gen wir
zuſehen
haben.
§. 20.

Wir bemuͤhen uns um die Er-
kaͤntnis der Natur, damit wir davon den
Grund anzuzeigen wiſſen, was ſich darin-
nen veraͤnderliches ereignet (§. 5. proleg.
Log
), und vorher ſehen koͤnnen, was un-
ter dieſen oder andern Umſtaͤnden dieſe o-
der jene Urſachen veraͤnderliches hervor-
bringen koͤnnen, damit wir die Natur nach
unſerem Gefallen koͤnnen wuͤrcken laſſen,
was wir begehren, und ſolchergeſtalt die er-
langte Erkaͤntnis zu unſerem Nutzen an-
wenden. Da die Materie wuͤrcklich ſo
ſubtil zertheilet iſt, daß wir die Kleinigkeit
der Theile weder mit der Vernunfft errei-
chen, noch mit der Einbildnng faſſen koͤn-
nen (§. 684. met.), das iſt, in unendliche
Theile (§. 5), auch uͤber dieſes in der Mate-
rie eines Coͤrpers allerhand Arten der Be-
wegungen anzutreffen ſind, die wir uns je-
mahls deutlich zubegreiffen keine Hoffnung
machen doͤrffen (§. 10); uͤber dieſes aber

vor
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0072" n="36"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Cap. I.</hi> Von dem We&#x017F;en</hi></fw><lb/>
als es vorher war, z. E. daß eine Pflantze<lb/>
noch eine Pflantze verbliebe, wenn &#x017F;ie in A-<lb/>
&#x017F;che verbrennet wird: &#x017F;ondern man behaup-<lb/>
tet bloß, daß die Wu&#x0364;rcklichkeit des We&#x017F;ens<lb/>
aufho&#x0364;re und an &#x017F;tat des vorigen Dinges<lb/>
ein anderes &#x017F;eine Wu&#x0364;rcklichkeit erreichet,<lb/>
das dem We&#x017F;en nach von dem vorigen un-<lb/>
ter&#x017F;chieden i&#x017F;t, als daß in un&#x017F;erem Falle an<lb/>
&#x017F;tat der Pflantze, die vorher da war, A&#x017F;che<lb/>
heraus kommet.</p><lb/>
              <note place="left">Auf wel-<lb/>
che Ver-<lb/>
a&#x0364;nderun-<lb/>
gen wir<lb/>
zu&#x017F;ehen<lb/>
haben.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 20.</head>
              <p>Wir bemu&#x0364;hen uns um die Er-<lb/>
ka&#x0364;ntnis der Natur, damit wir davon den<lb/>
Grund anzuzeigen wi&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;ich darin-<lb/>
nen vera&#x0364;nderliches ereignet (§. 5. <hi rendition="#aq">proleg.<lb/>
Log</hi>), und vorher &#x017F;ehen ko&#x0364;nnen, was un-<lb/>
ter die&#x017F;en oder andern Um&#x017F;ta&#x0364;nden die&#x017F;e o-<lb/>
der jene Ur&#x017F;achen vera&#x0364;nderliches hervor-<lb/>
bringen ko&#x0364;nnen, damit wir die Natur nach<lb/>
un&#x017F;erem Gefallen ko&#x0364;nnen wu&#x0364;rcken la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
was wir begehren, und &#x017F;olcherge&#x017F;talt die er-<lb/>
langte Erka&#x0364;ntnis zu un&#x017F;erem Nutzen an-<lb/>
wenden. Da die Materie wu&#x0364;rcklich &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ubtil zertheilet i&#x017F;t, daß wir die Kleinigkeit<lb/>
der Theile weder mit der Vernunfft errei-<lb/>
chen, noch mit der Einbildnng fa&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;n-<lb/>
nen (§. 684. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">m</hi>et.</hi>), das i&#x017F;t, in unendliche<lb/>
Theile (§. 5), auch u&#x0364;ber die&#x017F;es in der Mate-<lb/>
rie eines Co&#x0364;rpers allerhand Arten der Be-<lb/>
wegungen anzutreffen &#x017F;ind, die wir uns je-<lb/>
mahls deutlich zubegreiffen keine Hoffnung<lb/>
machen do&#x0364;rffen (§. 10); u&#x0364;ber die&#x017F;es aber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vor</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0072] Cap. I. Von dem Weſen als es vorher war, z. E. daß eine Pflantze noch eine Pflantze verbliebe, wenn ſie in A- ſche verbrennet wird: ſondern man behaup- tet bloß, daß die Wuͤrcklichkeit des Weſens aufhoͤre und an ſtat des vorigen Dinges ein anderes ſeine Wuͤrcklichkeit erreichet, das dem Weſen nach von dem vorigen un- terſchieden iſt, als daß in unſerem Falle an ſtat der Pflantze, die vorher da war, Aſche heraus kommet. §. 20. Wir bemuͤhen uns um die Er- kaͤntnis der Natur, damit wir davon den Grund anzuzeigen wiſſen, was ſich darin- nen veraͤnderliches ereignet (§. 5. proleg. Log), und vorher ſehen koͤnnen, was un- ter dieſen oder andern Umſtaͤnden dieſe o- der jene Urſachen veraͤnderliches hervor- bringen koͤnnen, damit wir die Natur nach unſerem Gefallen koͤnnen wuͤrcken laſſen, was wir begehren, und ſolchergeſtalt die er- langte Erkaͤntnis zu unſerem Nutzen an- wenden. Da die Materie wuͤrcklich ſo ſubtil zertheilet iſt, daß wir die Kleinigkeit der Theile weder mit der Vernunfft errei- chen, noch mit der Einbildnng faſſen koͤn- nen (§. 684. met.), das iſt, in unendliche Theile (§. 5), auch uͤber dieſes in der Mate- rie eines Coͤrpers allerhand Arten der Be- wegungen anzutreffen ſind, die wir uns je- mahls deutlich zubegreiffen keine Hoffnung machen doͤrffen (§. 10); uͤber dieſes aber vor

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/72
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/72>, abgerufen am 28.11.2024.