Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Cap. XIII. Von der Ernährung der erst in die Gallen-Blase (vesiculamfellis) geleitet, oder gleich unmittelbahr dem Gedärme zugeführet: welches aus der A- natomie ohne ferneren Beweis erhel- let. Und werden wir in gleichen Fällen solches nicht mehr erinnern; sondern mer- cken einmahl für allemahl an, daß, wo wir etwas ohne Beweiß zubehaupten scheinen, solches durch den Augenschein in der Ana- tomie bestetiget wird. Jch entsinne mich, daß einige davor halten, als wenn auch das Netze (omentum) zu Absonderung der Galle etwas beytrüge: allein ich finde keinen Grund, dadurch man es behaupten kan. Hingegen da das Geblüte aus dem Miltze in die Leber kommet, man auch keine Drüsen darinnen findet, dadurch etwas in ihm ab- gesondert würde; so hat es mehr Wahr- scheinlichkeit, daß er dasselbe zur Ab- sonderung der Galle in der Leber zubereitet. Der Gallen-Safft kan auch zu Steine wer- den: denn man trifft Observationen an, daß man in der Gallen-Blase viele Steine ge- funden, die sich daselbst müssen erzeuget ha- ben, weil sie zusammen grösser sind als die Galle in einem kleinen Kinde zu seyn pfleget. Aus den Nieren gehen die Harn-Gänge ureteres) in die Blase vesicum urinariam) und zeiget daher gleich der Augenschein, daß in ihnen der Urin von dem Geblütte abge- sondert wird. Hin und wieder in dem Lei- be
Cap. XIII. Von der Ernaͤhrung der erſt in die Gallen-Blaſe (veſiculamfellis) geleitet, oder gleich unmittelbahr dem Gedaͤrme zugefuͤhret: welches aus der A- natomie ohne ferneren Beweis erhel- let. Und werden wir in gleichen Faͤllen ſolches nicht mehr erinnern; ſondern mer- cken einmahl fuͤr allemahl an, daß, wo wir etwas ohne Beweiß zubehaupten ſcheinen, ſolches durch den Augenſchein in der Ana- tomie beſtetiget wird. Jch entſinne mich, daß einige davor halten, als wenn auch das Netze (omentum) zu Abſonderung der Galle etwas beytruͤge: allein ich finde keinen Grund, dadurch man es behaupten kan. Hingegen da das Gebluͤte aus dem Miltze in die Leber kommet, man auch keine Druͤſen darinnen findet, dadurch etwas in ihm ab- geſondert wuͤrde; ſo hat es mehr Wahr- ſcheinlichkeit, daß er daſſelbe zur Ab- ſonderung der Galle in der Leber zubereitet. Der Gallen-Safft kan auch zu Steine wer- den: denn man trifft Obſervationen an, daß man in der Gallen-Blaſe viele Steine ge- funden, die ſich daſelbſt muͤſſen erzeuget ha- ben, weil ſie zuſammen groͤſſer ſind als die Galle in einem kleinen Kinde zu ſeyn pfleget. Aus den Nieren gehen die Harn-Gaͤnge ureteres) in die Blaſe veſicum urinariam) und zeiget daher gleich der Augenſchein, daß in ihnen der Urin von dem Gebluͤtte abge- ſondert wird. Hin und wieder in dem Lei- be
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Cap. XIII. Von der Ernaͤhrung
der erſt in die Gallen-Blaſe (veſiculam
fellis) geleitet, oder gleich unmittelbahr dem
Gedaͤrme zugefuͤhret: welches aus der A-
natomie ohne ferneren Beweis erhel-
let. Und werden wir in gleichen Faͤllen
ſolches nicht mehr erinnern; ſondern mer-
cken einmahl fuͤr allemahl an, daß, wo wir
etwas ohne Beweiß zubehaupten ſcheinen,
ſolches durch den Augenſchein in der Ana-
tomie beſtetiget wird. Jch entſinne mich,
daß einige davor halten, als wenn auch das
Netze (omentum) zu Abſonderung der Galle
etwas beytruͤge: allein ich finde keinen
Grund, dadurch man es behaupten kan.
Hingegen da das Gebluͤte aus dem Miltze in
die Leber kommet, man auch keine Druͤſen
darinnen findet, dadurch etwas in ihm ab-
geſondert wuͤrde; ſo hat es mehr Wahr-
ſcheinlichkeit, daß er daſſelbe zur Ab-
ſonderung der Galle in der Leber zubereitet.
Der Gallen-Safft kan auch zu Steine wer-
den: denn man trifft Obſervationen an, daß
man in der Gallen-Blaſe viele Steine ge-
funden, die ſich daſelbſt muͤſſen erzeuget ha-
ben, weil ſie zuſammen groͤſſer ſind als die
Galle in einem kleinen Kinde zu ſeyn pfleget.
Aus den Nieren gehen die Harn-Gaͤnge
ureteres) in die Blaſe veſicum urinariam)
und zeiget daher gleich der Augenſchein, daß
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