Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Cap. XII. Von Erzeugung auch durch Zertheilung der Wurtzeln Ge-wächse fortpflantzet. Ein jedes Auge hält einen Reiß im kleinen in sich, der an jedem Orte, wo ein Blatt stehet, wieder Augen treiben und ausschlagen kan. Derowegen ist kein Wunder, wenn man durch das O- culiren aus einem einigen Auge einen Baum aufziehet (§. 402). Jst doch in dem Pfläntz- lein des Auges auch nur ein einiges Auge, daraus der gantze Baum auferzogen wird (§. cit.). Da nun aber das Reiß, so aus einem Auge entsprossen, in einen gantzen Strauch und Baum wachsen kan; so ist ferner kein Wunder, wenn man Gewächse durch Setzlinge und Bäume durch Pfropf- fen fortbringet, das ist in dem man entwe- der Reiser in die Erde stecket, daß sie wur- tzeln, oder in den Spalt des Stammes von einem andern Baume einsetzet, damit sie daraus Nahrungs-Safft erhalten und mit ihm zusammen wachsen. Ja weil die Zwie- bel-Gewächse, als z. E. die weissen Lilien, in den Blättern ihrer Zwiebeln kleine Zwie- beln haben, wie ich schon zu anderer Zeit ge- zeiget (a); so ist auch kein Wunder, daß die Zwiebel-Gewächse sich durch Zwiebeln un- ter der Erde vermehren. Was man auch nur sonst für Manieren finden kan, wodurch sich (a) Jn der Erleuterung von der Vermehrung
des Getreydes c. 1. §. 5. p. 5. Cap. XII. Von Erzeugung auch durch Zertheilung der Wurtzeln Ge-waͤchſe fortpflantzet. Ein jedes Auge haͤlt einen Reiß im kleinen in ſich, der an jedem Orte, wo ein Blatt ſtehet, wieder Augen treiben und ausſchlagen kan. Derowegen iſt kein Wunder, wenn man durch das O- culiren aus einem einigen Auge einen Baum aufziehet (§. 402). Jſt doch in dem Pflaͤntz- lein des Auges auch nur ein einiges Auge, daraus der gantze Baum auferzogen wird (§. cit.). Da nun aber das Reiß, ſo aus einem Auge entſproſſen, in einen gantzen Strauch und Baum wachſen kan; ſo iſt ferner kein Wunder, wenn man Gewaͤchſe durch Setzlinge und Baͤume durch Pfropf- fen fortbringet, das iſt in dem man entwe- der Reiſer in die Erde ſtecket, daß ſie wur- tzeln, oder in den Spalt des Stammes von einem andern Baume einſetzet, damit ſie daraus Nahrungs-Safft erhalten und mit ihm zuſammen wachſen. Ja weil die Zwie- bel-Gewaͤchſe, als z. E. die weiſſen Lilien, in den Blaͤttern ihrer Zwiebeln kleine Zwie- beln haben, wie ich ſchon zu anderer Zeit ge- zeiget (a); ſo iſt auch kein Wunder, daß die Zwiebel-Gewaͤchſe ſich durch Zwiebeln un- ter der Erde vermehren. Was man auch nur ſonſt fuͤr Manieren finden kan, wodurch ſich (a) Jn der Erleuterung von der Vermehrung
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Cap. XII. Von Erzeugung
auch durch Zertheilung der Wurtzeln Ge-
waͤchſe fortpflantzet. Ein jedes Auge haͤlt
einen Reiß im kleinen in ſich, der an jedem
Orte, wo ein Blatt ſtehet, wieder Augen
treiben und ausſchlagen kan. Derowegen
iſt kein Wunder, wenn man durch das O-
culiren aus einem einigen Auge einen Baum
aufziehet (§. 402). Jſt doch in dem Pflaͤntz-
lein des Auges auch nur ein einiges Auge,
daraus der gantze Baum auferzogen wird
(§. cit.). Da nun aber das Reiß, ſo aus
einem Auge entſproſſen, in einen gantzen
Strauch und Baum wachſen kan; ſo iſt
ferner kein Wunder, wenn man Gewaͤchſe
durch Setzlinge und Baͤume durch Pfropf-
fen fortbringet, das iſt in dem man entwe-
der Reiſer in die Erde ſtecket, daß ſie wur-
tzeln, oder in den Spalt des Stammes von
einem andern Baume einſetzet, damit ſie
daraus Nahrungs-Safft erhalten und mit
ihm zuſammen wachſen. Ja weil die Zwie-
bel-Gewaͤchſe, als z. E. die weiſſen Lilien,
in den Blaͤttern ihrer Zwiebeln kleine Zwie-
beln haben, wie ich ſchon zu anderer Zeit ge-
zeiget (a); ſo iſt auch kein Wunder, daß die
Zwiebel-Gewaͤchſe ſich durch Zwiebeln un-
ter der Erde vermehren. Was man auch
nur ſonſt fuͤr Manieren finden kan, wodurch
ſich
(a) Jn der Erleuterung von der Vermehrung
des Getreydes c. 1. §. 5. p. 5.
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