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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

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der Pflantzen.
ferner das Auge mit dem Stiele queer durch
schneidet; so wird man finden, daß sich die
Röhrlein von dem Holtze des Reises an dem
Auge zertheilen und von beyden Seiten zum
Theil in den Stiel des Blates, zum Theil
in das Auge gehen. Bringet man es un-
ter das Vergrösserungs-Glaß, so erhellet
alles noch deutlicher. Man siehet aber
auch zugleich, daß das Marck im Stiele e-
ben aus dem Reise in den Stiel gehet, und
demnach sowohl die Röhrlein als das
Marck in dem Stiele des Blates mit den
Röhrlein mit dem Marcke im Reise in ei-
nem fortgehen. Denn daß auch der Stiel
aus Rinde, Holtz und Marck bestehet und
alle drey Stücke von eben der Beschaffen-
heit sind, wie im Reise und der Wurtzel, zei-
get die sorgfältige Zergliederung. Der
Stiel nimmet in dem Blatte mit seiner
Länge beständig ab, wie es der Augenschein
weiset. Die Ursache ist diese, weil die zur
Seite Stuffen-weise sich ausbreitende
Aeste nichts anders sind als ein von dem
Stiele abgesonderter und zurücke geboge-
ner Theil von dem Holtze und Marcke.
Denn man siehet nicht allein mit blossem
Auge, daß unten an dem Stiele, wo das
Aestlein heraus gehet, dasselbe mit ihm noch
eine Weile unter seiner Rinde fortgehet
und daher eine Krinne verursachet, ehe es
mit ihm völlig einig wird; sondern das

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der Pflantzen.
ferner das Auge mit dem Stiele queer durch
ſchneidet; ſo wird man finden, daß ſich die
Roͤhrlein von dem Holtze des Reiſes an dem
Auge zertheilen und von beyden Seiten zum
Theil in den Stiel des Blates, zum Theil
in das Auge gehen. Bringet man es un-
ter das Vergroͤſſerungs-Glaß, ſo erhellet
alles noch deutlicher. Man ſiehet aber
auch zugleich, daß das Marck im Stiele e-
ben aus dem Reiſe in den Stiel gehet, und
demnach ſowohl die Roͤhrlein als das
Marck in dem Stiele des Blates mit den
Roͤhrlein mit dem Marcke im Reiſe in ei-
nem fortgehen. Denn daß auch der Stiel
aus Rinde, Holtz und Marck beſtehet und
alle drey Stuͤcke von eben der Beſchaffen-
heit ſind, wie im Reiſe und der Wurtzel, zei-
get die ſorgfaͤltige Zergliederung. Der
Stiel nimmet in dem Blatte mit ſeiner
Laͤnge beſtaͤndig ab, wie es der Augenſchein
weiſet. Die Urſache iſt dieſe, weil die zur
Seite Stuffen-weiſe ſich ausbreitende
Aeſte nichts anders ſind als ein von dem
Stiele abgeſonderter und zuruͤcke geboge-
ner Theil von dem Holtze und Marcke.
Denn man ſiehet nicht allein mit bloſſem
Auge, daß unten an dem Stiele, wo das
Aeſtlein heraus gehet, daſſelbe mit ihm noch
eine Weile unter ſeiner Rinde fortgehet
und daher eine Krinne verurſachet, ehe es
mit ihm voͤllig einig wird; ſondern das

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[611/0647] der Pflantzen. ferner das Auge mit dem Stiele queer durch ſchneidet; ſo wird man finden, daß ſich die Roͤhrlein von dem Holtze des Reiſes an dem Auge zertheilen und von beyden Seiten zum Theil in den Stiel des Blates, zum Theil in das Auge gehen. Bringet man es un- ter das Vergroͤſſerungs-Glaß, ſo erhellet alles noch deutlicher. Man ſiehet aber auch zugleich, daß das Marck im Stiele e- ben aus dem Reiſe in den Stiel gehet, und demnach ſowohl die Roͤhrlein als das Marck in dem Stiele des Blates mit den Roͤhrlein mit dem Marcke im Reiſe in ei- nem fortgehen. Denn daß auch der Stiel aus Rinde, Holtz und Marck beſtehet und alle drey Stuͤcke von eben der Beſchaffen- heit ſind, wie im Reiſe und der Wurtzel, zei- get die ſorgfaͤltige Zergliederung. Der Stiel nimmet in dem Blatte mit ſeiner Laͤnge beſtaͤndig ab, wie es der Augenſchein weiſet. Die Urſache iſt dieſe, weil die zur Seite Stuffen-weiſe ſich ausbreitende Aeſte nichts anders ſind als ein von dem Stiele abgeſonderter und zuruͤcke geboge- ner Theil von dem Holtze und Marcke. Denn man ſiehet nicht allein mit bloſſem Auge, daß unten an dem Stiele, wo das Aeſtlein heraus gehet, daſſelbe mit ihm noch eine Weile unter ſeiner Rinde fortgehet und daher eine Krinne verurſachet, ehe es mit ihm voͤllig einig wird; ſondern das Ver- Q q 2

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 611. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/647>, abgerufen am 22.11.2024.